Gesetzestext
Zur Zwangsvollstreckung in das Vermögen eines nicht rechtsfähigen Vereins genügt ein gegen den Verein ergangenes Urteil.
A. Ratio.
Rn 1
Die Regelung übersetzt die passive Parteifähigkeit des nicht rechtsfähigen Vereins nach § 50 II in das Vollstreckungsrecht: Kann gegen diesen ein Titel ergehen, muss er auch Vollstreckungsschuldner sein können. Vollstreckungsgegenstand ist in diesem Fall ausschließlich das gesamthänderisch gebundene Sondervermögen des Vereins. Dem Gläubiger erleichtert das namentlich bei Vereinen mit großem und fluktuierendem Mitgliederbestand (MüKoZPO/Heßler § 735 Rz 2) die Rechtsdurchsetzung insofern, als er nicht gezwungen ist, einen Titel gegen die einzelnen Mitglieder des Vereins zu erwirken. Es ›genügt‹ nach dem Wortlaut des § 735 die Vollstreckung gegen den Verein. Allerdings ist der Gläubiger nicht darauf allein verwiesen. Er kann auch einen Titel gegen alle Vereinsmitglieder erstreiten und gegen diese nach § 736 vollstrecken. Sofern die Beschränkung der Haftung auf das Vereinsvermögen nicht aus dem Titel ersichtlich ist (BGH NJW 57, 1186 [BGH 21.05.1957 - VIII ZR 202/56]), unterliegen in diesem Fall sowohl das Vereins- als auch das Privatvermögen der Mitglieder dem Vollstreckungszugriff des Gläubigers (Zö/Seibel § 735 Rz 2).
B. Anwendungsbereich und Tatbestand.
Rn 2
§ 735 ist einschlägig für alle Vollstreckungsarten, die die ZPO kennt (neben der Vollstreckung in das Vermögen, auch die zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen, vertretbarer und unvertretbarer Handlungen oder Unterlassungen nach §§ 883 ff; St/J/Münzberg § 735 Rz 3). Die Vorschrift gilt unmittelbar für die Vollstreckung aus Urteilen gegen den nicht rechtsfähigen Verein (BGH NJW 08, 69, 73 f [BGH 02.07.2007 - II ZR 111/05]; WM 78, 1154) nach § 704 I, über § 795 des Weiteren auch für die Titel nach § 794 I. Die Vollstreckung nach § 735 richtet sich gegen das Vermögen des nicht rechtsfähigen Vereins (nicht das seiner Mitglieder, s Rn 1). Er wird auch in der Vollstreckung durch seinen Vorstand gesetzlich vertreten (Schuschke/Walker/Schuschke § 735 Rz 4). Entsprechend anwendbar ist die Vorschrift auf Gründungs- oder Vorgesellschaften, dh auf Gesellschaften, die als AG, GmbH (Hamm WM 85, 658) oder Genossenschaft (BGHZ 17, 385 = NJW 57, 1229) errichtet, aber noch nicht in das Handelsregister eingetragen wurden. Dasselbe gilt für einen Vorverein, der die Eintragung erst begehrt (MüKoZPO/Heßler § 735 Rz 6). (Unmittelbar) gilt § 735 bis zur Beendigung der Liquidation des Vereins nach § 49 II BGB (BGHZ 74, 212 = NJW 79, 1592 für das Erkenntnisverfahren). §§ 730 ff BGB sind dagegen nicht einschlägig (BGHZ 50, 325, 329 = NJW 68, 1830).
Rn 3
Gegenstand der Vollstreckung ist das Vereinsvermögen (s Rn 1). Das sind die den Mitgliedern gesamthänderisch (str; aA differenziert Ba/Roth/Schöplin § 54 BGB Rz 27: dem Verein selbst) zugeordneten Vermögensgegenstände einschließlich der Rechte an Grundstücken, die dem Vereinszweck dienen. Sachen, die zum Vermögen des Vereins gehören, können nur gepfändet werden, wenn ein Vereinsorgan sie in Gewahrsam hat (hM; Zö/Seibel § 735 Rz 1 mwN). Mitglieder, die keine Titelschuldner sind, sind in der Vollstreckung gegen den Verein Dritte nach § 809 und erinnerungsbefugt nach § 766. Ihr Miteigentum am Vereinsvermögen ist allerdings kein die Veräußerung hinderndes Recht nach § 771. Denn es handelt sich dabei um ein selbstständiges Sondervermögen des Vereins (St/J/Münzberg Vor § 735, Rz 2; s Rn 2). Auch wenn der Verein Rechtsfähigkeit erlangt, ist er nach wie vor mit dem nicht rechtsfähigen identisch. Es liegt mithin keine Rechtsnachfolge nach § 727 vor, so dass es einer Umschreibung des Titels nicht bedarf (BGH WM 78, 115, 116; BGHZ 17, 385, 387 = NJW 55, 1229). Das gilt auch im umgekehrten Fall des Verlusts der Rechtsfähigkeit des Vereins (MüKoZPO/Heßler § 735 Rz 16).