Gesetzestext
(1) Wird zugunsten der Gläubiger eines der Ehegatten gemäß § 1362 des Bürgerlichen Gesetzbuchs vermutet, dass der Schuldner Eigentümer beweglicher Sachen ist, so gilt, unbeschadet der Rechte Dritter, für die Durchführung der Zwangsvollstreckung nur der Schuldner als Gewahrsamsinhaber und Besitzer.
(2) Absatz 1 gilt entsprechend für die Vermutung des § 8 Abs. 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zugunsten der Gläubiger eines der Lebenspartner.
A. Ratio.
Rn 1
§ 739 ergänzt die Eigentumsvermutung nach § 1362 BGB, der § 1006 BGB modifiziert, für die Zwecke der Zwangsvollstreckung in bewegliche Sachen gegen Eheleute. Parallel dazu konstruiert die inhaltsgleiche Vorschrift des § 8 I LPartG den Vollstreckungszugriff in Mobilien gegen die Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft (§ 739 II eingefügt durch LPartG v 16.2.01, BGBl I, 266). Gäbe es die Vorschrift nicht, könnte der die Sache besitzende Ehegatte oder Lebenspartner des Vollstreckungsschuldners aufgrund seines Mitgewahrsams, in dem die in einem räumlichen Familienverband befindliche Sachen idR stehen (BGHZ 73, 257 = NJW 79, 976), der Zwangsvollstreckung nach § 809 widersprechen. Der Gläubiger, für den die Gewahrsams- und Besitzverhältnisse der Eheleute oder Lebenspartner idR nicht nachvollziehbar sind, wäre darauf verwiesen, sich den Anspruch des Schuldners gegen den Dritten, in dessen Gewahrsam sich die Sache befindet, nach § 886 überweisen zu lassen. Um ihm das zu ersparen, stellt § 739 zum Zwecke der Durchführung der Zwangsvollstreckung die Vermutung auf, dass der Schuldner Gewahrsamsinhaber und Besitzer ist. Die sozialpolitisch motivierten Regelungen des § 811 werden dagegen nicht außer Kraft gesetzt (BGH NJW-RR 10, 642 f = WM 10, 471 [BGH 28.01.2010 - VII ZB 16/09]). Der Ehegatte oder Lebenspartner, der nicht schuldet, muss sein der Veräußerung entgegenstehendes Recht nach § 771 geltend machen. Systematisch ist die Vorschrift an dieser Stelle in der ZPO insofern ein Fremdkörper, als sie nicht regelt, wer Vollstreckungsschuldner ist. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 739 im Hinblick auf Art 6 I GG s Schuschke/Walker/Schuschke § 739 Rz 1 f.
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Wie § 1362 BGB gilt § 739 grds ohne Rücksicht auf den Güterstand der Ehegatten oder Lebenspartner, auch bei Gütertrennung nach § 1414 BGB (Ddorf DGVZ 81, 11; Bambg DGVZ 78, 9), jedoch nicht für das Gesamtgut einer Gütergemeinschaft (§§ 1415, 1416 BGB, §§ 740–745). Die Vermutung entfaltet Wirkung bei der Vollstreckung in bewegliche Sachen nach §§ 808 ff (einschließlich Geld BGH FamRZ 55, 42), bei der Erwirkung der Herausgabe einer Mobilie sowie bei der Leistung vertretbarer Sachen nach §§ 883, 884 (St/J/Münzberg § 739 Rz 19). Sie gilt nicht für die Vollstreckung in Forderungen, andere Vermögensrechte sowie Immobilien (Oldenbg NJW-RR 94, 715; aA Hamm NJW-RR 56, 1681), ebenso wenig für die Vollstreckung von Ansprüchen nach § 894. § 739 kommt nach dem Prinzip der lex fori auch für Ehegatten ausländischer Staatsangehörigkeit zur Anwendung, die im Inland zusammenleben (MüKoZPO/Heßler § 739 Rz 22).
Rn 3
Sie gilt dagegen nicht, auch nicht in entsprechender Anwendung, für nicht eingetragene homosexuelle und heterosexuelle nichteheliche Lebensgemeinschaften (str: BGH NJW 07, 992; Köln FamRZ 90, 623; aA H. Roth JZ 07, 528; Thran NJW 95, 1458). De lege lata fehlt es an der planwidrigen Regelungslücke für eine vollstreckungsrechtliche Gleichbehandlung von Eheleuten oder eingetragenen Lebenspartnern mit nichtehelichen oder faktischen Lebensgemeinschaften. Denn der Gesetzgeber hat die sachliche Ausweitung der Vorschrift mehrmals erwogen, konnte sich dazu letztlich aber nicht entschließen. Auch wenn die Willkürgrenze hinsichtlich der Beschränkung auf Eheleute und eingetragene Partner nicht erreicht sein dürfte (Musielak/Lackmann § 739 Rz 4), ist die behutsame vermögensrechtliche Angleichung der nichtehelichen an die eheliche Lebensgemeinschaft ein Ergebnis der höchstrichterlichen Rechtsfortbildung der jüngsten Zeit (BGHZ 177, 193; BGH NJW 08, 3282 für die Aufteilung von Vermögenswerten nach Trennung). Das sollte sich de lege ferenda auch vollstreckungsrechtlich abbilden. Dass § 739 dagegen auf Wohngemeinschaften nicht entsprechend anwendbar ist, ergibt sich bereits aus der ratio der Vorschrift. Die Vermögen von zusammenlebenden Personen (zB von erwachsenen Verwandten) werden hier typischerweise nicht miteinander vermengt. Auch fehlt die Stabilität einer ehelichen Beziehung oder eingetragenen Lebenspartnerschaft (Köln DGVZ 76, 153).
C. Tatbestand.
I. Materieller.
Rn 4
Die Eigentumsvermutung der §§ 1362 I BGB, 8 I LPartG wirkt zugunsten von Eheleuten oder eingetragenen Lebenspartnern. Sie greift nicht ein, wenn die Ehe oder Lebenspartnerschaft im Zeitpunkt der Vollstreckungsmaßnahme bereits aufgelöst ist (Schuschke/Walker/Schuschke § 739 Rz 5). Nach §§ 1362 I 2 BGB, 8 I 2 LPartG greift sie des Weiteren nicht ein, wenn die Eheleute oder Lebenspartner nicht nur vorübergehend räumlich getrennt leben. Für die Gewahrsams- und Besitzvermutung nach § 739 ist dagegen entsch...