Prof. Dr. Markus Gehrlein
Gesetzestext
(1) Wenn der Dritte dem Streitverkünder beitritt, so bestimmt sich sein Verhältnis zu den Parteien nach den Grundsätzen über die Nebenintervention.
(2) Lehnt der Dritte den Beitritt ab oder erklärt er sich nicht, so wird der Rechtsstreit ohne Rücksicht auf ihn fortgesetzt.
(3) In allen Fällen dieses Paragraphen sind gegen den Dritten die Vorschriften des § 68 mit der Abweichung anzuwenden, dass statt der Zeit des Beitritts die Zeit entscheidet, zu welcher der Beitritt infolge der Streitverkündung möglich war.
A. Beitritt.
Rn 1
Die Bestimmung befasst sich mit den prozessrechtlichen Wirkungen der Streitverkündung, während die materiell-rechtlichen Rechtsfolgen im Zivilrecht geregelt werden. Gleich ob der Streitverkündete beitritt (Abs 1) oder nicht (Abs 2), zeitigt die Streitverkündung Interventionswirkung (Abs 3).
I. Voraussetzungen.
Rn 2
Der Beitritt vollzieht sich in der Form des § 70, so dass der Schriftsatz im Anwaltsprozess der Unterzeichnung durch einen Rechtsanwalt bedarf. Das außerdem notwendige rechtliche Interesse (§ 66) ist regelmäßig in der Streitverkündung zu erkennen (Köln OLGR 05, 219). Der Streitverkündete kann statt dem Streitverkünder dem Gegner beitreten (BGHZ 85, 252, 255 = NJW 83, 820), muss dann jedoch – weil das rechtliche Interesse in diesem Fall nicht aus der Streitverkündung hergeleitet werden kann – bei einem Widerspruch des Streitverkünders ein rechtliches Interesse dartun (Stuttg MDR 70, 148). Als Rechtsfolge des Beitritts erlangt der Streitverkündete die Rechtsstellung eines Nebenintervenienten (§§ 66 ff).
II. Prüfung.
Rn 3
Die Voraussetzungen eines wirksamen Beitritts werden wie bei der Nebenintervention nur auf einen Zurückweisungsantrag (§ 71) geprüft. Einen solchen Antrag kann allein der Gegner, aber nicht der Streitverkünder und auch nicht der Streitverkündete stellen. Der Streitverkünder kann ausnahmsweise Zurückweisung beantragen, wenn der Dritte dem Gegner beitritt. Wurde der Antrag auf Zurückweisung (§ 71) abgelehnt, wird die Zulässigkeit der Streitverkündung im Folgeprozess nicht mehr geprüft (Hamm RR 88, 155; Karls RR 17, 91 Rz 3). Ebenso verhält es sich, sofern eine Rüge unterblieben ist und der Streitverkündete von den Hauptparteien unbeanstandet an dem Verfahren mitgewirkt hat. In diesen Fällen verwirklicht sich die Interventionswirkung, selbst wenn die Streitverkündung unzulässig war (BGH NJW-RR 08, 519, 520 [BGH 06.11.2007 - VI ZR 34/07]; WM 76, 56). Sehen die Hauptparteien von einer Rüge ab, beruft sich aber der Dritte bei seinem Beitritt auf einen fehlenden Streitverkündungsgrund, ist, weil der Streitverkündete keinen Zurückweisungsantrag stellen kann, das rechtliche Interesse in dem Folgeprozess zu prüfen (Bischof MDR 99, 788f). Bei einer Zurückweisung des Beitritts tritt wegen der fehlenden Möglichkeit einer Einflussnahme auf den Prozess die Interventionswirkung nicht ein. Eine Hemmung der Verjährung tritt unabhängig von einer Rüge nur ein, wenn die Streitverkündung tatsächlich zulässig war (BGH NJW 08, 519, 520 [BGH 06.12.2007 - IX ZR 143/06]). Wird die Verjährung durch Zustellung einer Streitverkündungsschrift gehemmt und wendet sich die unterlegene Partei mit einer Anhörungsrüge gegen das rechtskräftige Endurteil dieses Rechtsstreits, so wird der Verjährungseintritt gegenüber dem Streitverkündeten durch die Dauer des Rügeverfahrens nicht weiter hinausgeschoben (BGH NJW 12, 3087 [BGH 10.05.2012 - IX ZR 143/11]).
B. Nichtbeitritt.
Rn 4
Sieht der Streitverkündete von einem Beitritt ausdrücklich ab oder erklärt er sich nicht, wird der Rechtsstreit ohne ihn fortgesetzt (§ 74 II). Im laufenden Prozess kann der Dritte dann keine Befugnisse wahrnehmen. Da im Erstprozess keine Prüfung stattfinden konnte, sind hier die Voraussetzungen der Nebenintervention in dem Folgeprozess zu untersuchen (BGHZ 100, 257, 259 = NJW 87, 1894; BGHZ 65, 127, 131 = NJW 76, 39). Tritt der Streitverkündete dem Gegner bei, liegt im Verhältnis zum Streitverkünder ein Nichtbeitritt vor (BGH NJW 04, 1521 f; BGHZ 103, 275, 278 = NJW 88, 1378; BGHZ 85, 252, 255 = NJW 83, 820). Bei einem Beitritt des Streitverkündeten aufseiten des Prozessgegners des Streitverkünders tritt die Interventionswirkung in gleicher Weise ein wie bei einem unterlassenen Beitritt (BGH BeckRS 20, 39397 Rz 36).
C. Nebeninterventionswirkung.
I. Voraussetzungen.
Rn 5
Die Interventionswirkung hängt davon ab, dass die Streitverkündung formgerecht erklärt wurde (§ 73), den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 72 entspricht, für den Streitverkündeten die Möglichkeit einer Einflussnahme auf den Prozess bestand (BGH NJW 82, 281 f [BGH 08.10.1981 - VII ZR 341/80]; BGH NJW 15, 559 Rz 13) und vor Abschluss des Folgeprozesses eine rechtskräftige Sachentscheidung erging. Die Interventionswirkung tritt im Folgeprozess zwar nicht ein, soweit der dem Rechtsstreit im Vorprozess nicht beigetretene Streitverkündete im Falle seines Beitritts nach § 67 gehindert gewesen wäre, auf den Verlauf des Vorprozesses Einfluss zu nehmen. Tritt der Streitverkündete dem Rechtsstreit im Vorprozess jedoch nicht aufseiten des Streitverkünders, sondern aufseiten von dessen Proze...