Gesetzestext
Zur Zwangsvollstreckung in einen Nachlass ist, wenn mehrere Erben vorhanden sind, bis zur Teilung ein gegen alle Erben ergangenes Urteil erforderlich.
A. Ratio.
Rn 1
§ 747 zieht die vollstreckungsrechtliche Konsequenz aus dem Umstand, dass die Erbengemeinschaft nach § 2032 I BGB bis zur Teilung des Nachlasses gesamthänderisch gebundenes Vermögen ist, über das der einzelne Miterbe nur insoweit wirksam verfügen kann, als es um die Veräußerung oder Belastung seines Anteils am Nachlassganzen geht, § 2033 I BGB (Pfändung nach § 859 II). Eine Verfügung über einzelne Nachlassgegenstände ist dem Miterben dagegen nicht möglich, § 2033 II BGB. Das kann nur gemeinschaftlich geschehen, § 2040 I BGB. Im Vollstreckungsrecht wirkt sich diese materielle Rechtslage insoweit aus, als die Vollstreckung nur auf der Grundlage eines Titels gegen alle Erben zulässig ist. § 747 stimmt zwar seiner Konzeption nach mit § 736 überein (s.a. § 740 II). Jedoch ist die Erbengemeinschaft im Unterschied zur GbR weder rechts- noch parteifähig (BGHZ 146, 341 = NJW 01, 1056; BGH NJW 06, 3715; dazu Reuter AcP 07, 673, 676 f, 704 ff mwN), so dass ein Titel gegen die Erbengemeinschaft allein keine taugliche Vollstreckungsgrundlage ist.
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Vorschrift gilt über ihren Wortlaut hinaus nicht nur für Urteile nach § 704 I, sondern über §§ 795, 794 auch für alle anderen Titel der ZPO. Außerdem ist sie auf alle Vollstreckungsarten anwendbar (nicht für die Herausgabevollstreckung nach §§ 883 ff Zö/Seibel § 747 Rz 2; nicht für die Vollstreckung nach § 894 St/J/Münzberg § 747 Rz 2 Fn 2). Sie gilt auch für die Vollstreckung aus Arresten und einstweiligen Verfügungen, §§ 928 ff, 936 (Musielak/Lackmann § 747 Rz 1). Der Anwendungsbereich des § 747 ist nach der Annahme der Erbschaft eröffnet, weil zuvor ein in den Nachlass vollstreckbarer Titel gegen alle Miterben mangels gemeinschaftlichen Vermögens iSv § 2032 I BGB nicht erstritten werden kann, §§ 1958, 1943 f BGB, § 778 II. Anders ist das, wenn Nachlasspflegschaft angeordnet wurde. Hier kann schon vor der Erbschaftsannahme aus dem Titel, der gegen den Nachlasspfleger als Vertreter der Miterben erwirkt wurde, in den Nachlass vollstreckt werden (MüKoZPO/Heßler § 747 Rz 7). § 747 ist solange anwendbar, bis der Nachlass vollständig geteilt ist. Nach der Teilung steht für die Vollstreckung das Vermögen jedes einzelnen Miterben zur Verfügung. Die Vorschrift setzt zwingend eine Erbenmehrheit voraus (Schuschke/Walker/Schuschke § 747 Rz 2). Unterliegt der Nachlass einer besonderen Verwaltung (Nachlassverwaltung, Testamentsvollstreckung), ist § 747 nicht einschlägig. Insoweit müssen Titel nach § 748 gegen den Testamentsvollstrecker und gem § 1984 BGB gegen den Nachlassverwalter erstritten werden. In persönlicher Hinsicht adressiert § 747 nicht nur die Nachlassgläubiger, sondern steht auch allen anderen Gläubigern offen, denen die Erben aus demselben Rechtsgrund als Gesamtschuldner nach § 2058 BGB haften (BGHZ 53, 110 = NJW 70, 473).
C. Tatbestand.
Rn 3
Zu Beginn der Zwangsvollstreckung (s vor §§ 704 ff Rn 12) müssen Leistungstitel gegen alle Miterben erwirkt worden sein. Duldungstitel genügen nicht (Garlichs JurBüro 98, 243; Zö/Seibel § 747 Rz 5). Ein einheitlicher Titel ist hingegen nicht erforderlich. Vielmehr können diese in getrennten Verfahren erwirkt worden und sogar von verschiedener Art sein (BGHZ 53, 110, 113 = NJW 70, 473). War bereits ein Titel gegen den Erblasser erstritten worden, ist er taugliche Grundlage für die Vollstreckung gegen die Miterben, wenn er nach § 727 auf diese umgeschrieben wird (Schuschke/Walker/Schuschke § 747 Rz 5). Bei Erbschaftssteuerschulden eines Miterben ist ein Titel gegen die übrigen Miterben zur Vollstreckung in ein Nachlassgrundstück nicht erforderlich (München ZEV 09, 636 [OLG Schleswig 29.05.2009 - 4 U 100/08]). Ist der Gläubiger selbst Miterbe, genügt ein Titel gegen die übrigen Gesamthänder (BGH NJW-RR 88, 710 [BGH 10.02.1988 - IVa ZR 227/86]). Zur Vollstreckung ist auch ein Titel gegen den Erwerber eines Erbteils erforderlich (St/J/Münzberg § 747 Rz 2), wobei ein gegen den Veräußerer ergangener Titel der Umschreibung nach § 729 analog zugänglich ist (aA Zö/Seibel § 747 Rz 5: § 727). Ein Titel gegen alle Miterben genügt, solange Gläubiger und Vollstreckungsorgan von der Übertragung nichts wissen oder diese nicht in öffentlichen Registern auftaucht, zB im Grundbuch bei der Vollstreckung in Immobilien (Musielak/Lackmann § 747 Rz 3).
D. Vollstreckung und Rechtsbehelfe.
Rn 4
Aus § 747 findet die Vollstreckung in den Nachlass statt, nicht in das persönliche Vermögen der einzelnen Miterben. Schuldner der Vollstreckung sind alle Miterben (MüKoZPO/Heßler § 747 Rz 19). Bei der Vollstreckung gegen die Erben nach § 747 wird der Einwand der beschränkten Erbenhaftung zunächst nicht berücksichtigt, § 781, auch wenn er im Urt nach § 780 I vorbehalten wurde. Er muss vielmehr im Klagewege durchgesetzt werden. Wird ohne den erforderlichen Titel vollstreckt, kann jeder Miterbe, auch derjenige, gegen den ein Titel vorliegt, Erinnerung nach § 766 erhebe...