Gesetzestext
(1) Die Wohnung des Schuldners darf ohne dessen Einwilligung nur auf Grund einer Anordnung des Richters bei dem Amtsgericht durchsucht werden, in dessen Bezirk die Durchsuchung erfolgen soll. Dies gilt nicht, wenn die Einholung der Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährden würde.
(2) Auf die Vollstreckung eines Titels auf Räumung oder Herausgabe von Räumen und auf die Vollstreckung eines Haftbefehls nach § 802g ist Absatz 1 nicht anzuwenden.
(3) Willigt der Schuldner in die Durchsuchung ein oder ist eine Anordnung gegen ihn nach Absatz 1 Satz 1 ergangen oder nach Absatz 1 Satz 2 entbehrlich, so haben Personen, die Mitgewahrsam an der Wohnung des Schuldners haben, die Durchsuchung zu dulden. Unbillige Härten gegenüber Mitgewahrsamsinhabern sind zu vermeiden.
(4) Der Gerichtsvollzieher nimmt eine Vollstreckungshandlung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen nicht vor, wenn dies für den Schuldner und die Mitgewahrsamsinhaber eine unbillige Härte darstellt oder der zu erwartende Erfolg in einem Missverhältnis zu dem Eingriff steht, in Wohnungen nur auf Grund einer besonderen Anordnung des Richters bei dem Amtsgericht. Die Nachtzeit umfasst die Stunden von 21 bis 6 Uhr.
(5) Die Anordnung nach Absatz 1 ist bei der Zwangsvollstreckung vorzuzeigen.
(6) Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Formulare für den Antrag auf Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nach Absatz 1 einzuführen. Soweit nach Satz 1 Formulare eingeführt sind, muss sich der Antragsteller ihrer bedienen. Für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren elektronisch bearbeiten, und für Verfahren bei Gerichten, die die Verfahren nicht elektronisch bearbeiten, können unterschiedliche Formulare eingeführt werden.
A. Ratio.
Rn 1
§ 758a I ergänzt § 758 insofern, als die Durchsuchung der Wohnung, sofern nicht Gefahr im Verzug ist, nur aufgrund einer richterlichen Durchsuchungsanordnung stattfinden darf, die bei der Durchführung der Vollstreckungsmaßnahme vorgezeigt werden muss (Abs 3). Die Vorschrift setzt die verfassungsrechtliche Rspr zu Art 13 II GG in das einfache Recht um (BVerfGE 51, 97 = NJW 79, 1539 [BVerfG 03.04.1979 - 1 BvR 994/76]; BVerfGE 57, 346 [BVerfG 16.06.1981 - 1 BvR 1094/80]; Wesser NJW 02, 2138). Neben der gesetzlichen Normierung des Richtervorbehalts bei Wohnungsdurchsuchungen brachte die zum 1.1.99 in Kraft getretene zweite Zwangsvollstreckungsnovelle (BGBl I, 1997, 3039; Schilken FS Beys 03, 1447 ff) auch Regelungen zur Duldungspflicht Dritter (Abs 3) sowie zur Vollstreckung zur Nachtzeit und an Sonn- und Feiertagen (Abs 4; dazu Schuschke/Walker/Walker § 758a Rz 2). Mit Wirkung vom 1.4.05 wurde durch das Justizkommunikationsgesetz (JKomG, BGBl I, 2005, 837) Abs 6 eingefügt, der das BMJV ermächtigt, durch Rechtsverordnung Formulare für die richterliche Durchsuchungsanordnung nach Abs 1 einzuführen. Mit der Verordnung über Formulare für die Zwangsvollstreckung (Zwangsvollstreckungsformular-Verordnung, ZVFV, BGBl I 1822, s § 753 Rn 14) v 23.8.12 hat das BMJV von der gesetzlichen Ermächtigung nach Abs 6 S 2 Gebrauch gemacht hat (Sturm JurBüro 14, 507; Fechter Rpfleger 13, 9). Gem § 3 ZVFV ist die Benutzung der eingeführten Formulare seit dem 1.3.13 verbindlich. Zu Bedeutung und Reichweite des Formularzwangs s Anh zu § 829 Rn 1–30 zur ZVFV.
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
§ 758a gilt für alle Vollstreckungsmaßnahmen, die der GV in der Wohnung des Schuldners oder zur Nachtzeit bzw an Sonn- und Feiertagen vornimmt. Die Vorschrift ist sowohl bei der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung, als auch bei der Pfändung einer beweglichen Sache und nach hM bei der Herausgabevollstreckung sowie bei einem Arrestbefehl anwendbar (Schuschke/Walker/Walker § 758a Rz 4). Für die Räumungsvollstreckung eines Grundstücks und die Verhaftung des Schuldners liegen die Dinge anders. Hier bestimmt Abs 2, dass es einer richterlichen Durchsuchungsanordnung nicht bedarf (s Rn 8). Anders ist das wiederum, wenn es in diesen Fällen um eine Vollstreckung zur Nachtzeit oder an Sonn- und Feiertagen geht (Abs 4). Hier ist der Richtervorbehalt auch bei der Räumungsvollstreckung oder bei der Verhaftung zu beachten. Grds ist für eine Taschenpfändung eine richterliche Durchsuchungsanordnung nicht erforderlich, weil es sich dabei weder um eine Durchsuchung der Wohnung noch von Behältnissen des Schuldners handelt, es sei denn die Voraussetzungen des Art 13 II GG liegen auch hier vor (Durchführung der Taschenpfändung anlässlich der Durchsuchung von Wohnung oder Behältnissen: Köln NJW 80, 1531; Musielak/Lackmann § 758a Rz 7; s.a. § 758 Rn 3 aE).
C. Richterliche Durchsuchungsanordnung (Abs 1–3).
I. Formeller Tatbestand.
1. Antrag, Zuständigkeit und Vollstreckungsvoraussetzungen.
Rn 3
In formeller Hinsicht setzt die richterliche Durchsuchungsanordnung nach Abs 1 einen Antrag des Gläubigers voraus. Der GV selbst ist dagegen nicht antragsbefugt, auch nicht im Auftrag des Gläubigers (vgl § 61 III 1 GVGA; Musielak/Lackmann § 758a Rz 11). Die Antragstellung ist schriftlich, elektronisch oder zu Protokoll der Geschäftsstelle auch ohne Anwalt möglic...