Prof. Dr. Markus Gehrlein
Gesetzestext
(1) 1Wer als Besitzer einer Sache verklagt ist, die er auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im § 868 des Bürgerlichen Gesetzbuchs bezeichneten Art zu besitzen behauptet, kann vor der Verhandlung zur Hauptsache unter Einreichung eines Schriftsatzes, in dem er den mittelbaren Besitzer benennt, und einer Streitverkündungsschrift die Ladung des mittelbaren Besitzers zur Erklärung beantragen. 2Bis zu dieser Erklärung oder bis zum Schluss des Termins, in dem sich der Benannte zu erklären hat, kann der Beklagte die Verhandlung zur Hauptsache verweigern.
(2) Bestreitet der Benannte die Behauptung des Beklagten oder erklärt er sich nicht, so ist der Beklagte berechtigt, dem Klageantrage zu genügen.
(3) 1Wird die Behauptung des Beklagten von dem Benannten als richtig anerkannt, so ist dieser berechtigt, mit Zustimmung des Beklagten an dessen Stelle den Prozess zu übernehmen. 2Die Zustimmung des Klägers ist nur insoweit erforderlich, als er Ansprüche geltend macht, die unabhängig davon sind, dass der Beklagte auf Grund eines Rechtsverhältnisses der im Absatz 1 bezeichneten Art besitzt.
(4) 1Hat der Benannte den Prozess übernommen, so ist der Beklagte auf seinen Antrag von der Klage zu entbinden. 2Die Entscheidung ist in Ansehung der Sache selbst auch gegen den Beklagten wirksam und vollstreckbar.
A. Voraussetzungen der Urheberbenennung.
Rn 1
Die praktisch bedeutungslose Vorschrift gibt dem verklagten, für einen anderen besitzenden unmittelbaren Besitzer die Befugnis, den mittelbaren Besitzer an seiner Stelle zum Eintritt in den Prozess zu bewegen oder, wenn dieser nicht in den Prozess eintritt und der Bekl am Ausgang des Rechtsstreits uninteressiert ist, gefahrlos dem Klageantrag zu genügen.
I. Besitzklage.
Rn 2
Die Vorschrift betrifft Klagen, bei denen die Passivlegitimation aus dem Besitzrecht herrührt und die etwa die Herausgabe einer beweglichen oder unbeweglichen Sache (§§ 985, 1007 II, 1227 BGB) zum Gegenstand haben. Ferner kommen Klagen auf Vorlegung (§§ 809, 810 BGB), Hinterlegung oder Aufsuchung (§ 867 BGB) in Betracht. Unanwendbar ist § 76 bei Klagen aus §§ 861, 1007 I BGB sowie schuldrechtlichen Herausgabeklagen, weil diese Ansprüche nicht nur an den Besitz, sondern zusätzliche Merkmale (verbotene Eigenmacht, Bösgläubigkeit, Schuldverhältnis) anknüpfen.
II. Mittelbarer Besitz.
Rn 3
Der Besitzer muss behaupten, den Besitz aufgrund eines Besitzmittlungsverhältnisses (§ 868 BGB) innezuhaben. Dabei kann es sich um Nießbrauch, Pfandrecht, Miete, Pacht, Verwahrung, Leihe, Auftrag, Nachlasspflegschaft, Nachlassverwaltung oder Testamentsvollstreckung handeln. Die Behauptung einer bloßen Besitzdienerschaft (§ 855 BGB) genügt nicht.
III. Rechtshängigkeit, Urheberbenennung.
Rn 4
Wie aus dem Wortlaut ›verklagt‹ hervorgeht, muss Klage erhoben und die Sache rechtshängig sein. Freilich darf die mündliche Verhandlung noch nicht begonnen haben. Vielmehr muss der Bekl vor der Verhandlung zur Hauptsache einen Schriftsatz bei dem Prozessgericht einreichen, in dem er den mittelbaren Besitzer benennt, ihm den Streit verkündet und seine Ladung zwecks Erklärung beantragt. Es besteht auch im Anwaltsprozess kein Anwaltszwang. Terminsbestimmung, Zustellung des Schriftsatzes und Ladung erfolgen vAw. Verfahrensmängel können durch § 295 geheilt werden. Der Bekl ist berechtigt, die Verhandlung zur Sache bis zur Erklärung des Benannten oder bis zum Schluss des Termins, in dem er sich zu erklären hat, zu verweigern (Abs 1 S 2).
B. Rechtsfolgen.
I. Bestreiten des Besitzes.
Rn 5
Sofern der Benannte den mittelbaren Besitz bestreitet oder sich nicht erklärt, liegt es im Ermessen des Bekl, ob er den Prozess fortsetzt oder den Klageantrag – mit der Folge seiner Erledigung – erfüllt. Im Falle der Fortsetzung entfaltet das zwischen Kl und Bekl ergangene rechtskräftige Urt ggü dem Benannten keine Rechtskraft, aber Interventionswirkung (§§ 68, 74). Befriedigt der Bekl den Kl, wird er ggü dem Benannten von jeder Haftung frei (Abs 2).
II. Anerkennung des Besitzes.
Rn 6
Erkennt der Benannte den mittelbaren Besitz – auch durch konkludentes Verhalten (Zweibr JurBüro 83, 185) – als zutr an, ist er berechtigt (aber nicht verpflichtet), mit Zustimmung des Bekl den Prozess zu übernehmen (Abs 3 S 1). Die Übernahme vollzieht sich durch eine entsprechende Erklärung in der mündlichen Verhandlung, ohne dass es einer gerichtlichen Entscheidung bedarf. Neben der Zustimmung des Bekl ist ausnahmsweise ein Einverständnis auch des Klägers erforderlich, sofern der verfolgte Anspruch unabhängig von einem Besitzmittlungsverhältnis besteht (Abs 3 S 2), etwa mit § 985 BGB konkurrierende schuldrechtliche Ansprüche aus Leihe oder Verwahrung verfolgt werden. Sieht der Benannte von einer Übernahme ab, kommt der Bekl nicht in den Genuss der Haftungsfreistellung des Abs 2; ein rechtskräftiges Urt übt freilich zu Lasten des Benannten Interventionswirkung (§§ 68, 74) aus. Anstelle einer Übernahme kann der Benannte auch eine Hauptintervention (§ 64) vornehmen oder dem Bekl als Streithelfer (§ 66) beitreten.
III. Ausscheiden des Beklagten.
Rn 7
Im Fall der Übernahme ist der Bekl auf seinen Antrag nach mündlicher Verhandlung von der Klage zu entbinden. Im Falle der Stattgabe wird der Bekl durch mit der Berufung anf...