a) Beauftragter oder ersuchter Richter.
Rn 18
Ausnahmen gelten für das Verfahren vor dem beauftragten oder ersuchten Richter (zB nach § 278 V I oder §§ 361, 362) auch dann, wenn dieser fehlerhaft als Einzelrichter bezeichnet wurde (BGH NJW 80, 2307, 2309). Nicht als beauftragter Richter gilt der Einzelrichter, der das Verfahren an sich selbst als beauftragten Richter überträgt (BGH FamRZ 86, 458). Vor dem ersuchten oder beauftragten Richter kann deshalb ein Prozessvergleich ohne Anwaltszwang geschlossen werden.
b) Erklärungen zu Protokoll.
Rn 19
Prozesshandlungen, die zu Protokoll der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, sind ebenfalls vom Anwaltszwang befreit. Aus der Fülle der über die ZPO verstreuten Regelungen sollen hier nur die wichtigsten erwähnt werden: Antrag auf Gerichtsbestimmung (§ 37); Richterablehnung bzw Sachverständigenablehnung (§§ 44 I; 406; BGH MDR 95, 520); Erklärung der Erledigung des Rechtsstreits (§ 91a I 1), auch in der mündlichen Verhandlung (Schleswig MDR 99, 252 [OLG Schleswig 09.09.1998 - 12 U 56/95]); Antrag auf Rückgabe einer Sicherheit (§ 109 III 1); PKH-Antrag (§ 117 I 1); Antrag auf Aussetzung des Verfahrens (§ 248 I); Anträge zur Zuständigkeit (§ 281 II 1); Antrag auf Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens (§ 486 IV) einschließlich evtl Anträge des Antragsgegners (Naumbg OLG-NL 02, 181); Beschwerde im PKH-Verfahren und in sonstigen Verfahren, die in 1. Instanz Parteiprozess waren (§ 569 III Nr 1; BGH NJW 06, 2260, 2261 [BGH 26.01.2006 - III ZB 63/05]), die Prozesskostenhilfe betreffen (§ 569 III Nr 2) oder von Dritten erhoben wurde (§ 569 III Nr 3); Rücknahme des Antrags auf Durchführung des streitigen Verfahrens (§ 696 IV 2); Rücknahme des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid (§§ 700 III 2, 697 IV 2); Arrestanträge oder Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (§§ 920 III, 936). Die Prozesskostenhilfe iSd § 569 III Nr 2 ist bei jeder Entscheidung im Zusammenhang mit einem Prozesskostenhilfegesuch betroffen und nicht nur bei der Entscheidung über den Antrag (Brandbg OLG-NL 00, 46). Der Anwaltszwang für solche Prozesshandlungen entfällt auch dann, wenn sie nicht vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden. Die Erklärung kann deshalb auch in einem Schriftsatz oder in der mündlichen Verhandlung erfolgen (Zö/Althammer § 78 Rz 29; Musielak/Voit/Weth § 78 Rz 25). Die Ausnahme gilt allerdings nur für die betreffende Prozesshandlung selbst und erstreckt sich nicht auf das sich anschließende Verfahren, soweit dieses dem Anwaltszwang unterliegt, insb nicht auf eine sich anschließende mündliche Verhandlung (Saarbr NJW-RR 98, 1611, 1612 für Arrest und einstweilige Verfügung; Frankf MDR 99, 186; Musielak/Weth § 78 Rz 25; str aA Zö/Althammer § 78 Rz 29). Ein sich anschließendes Beschwerdeverfahren wird nicht mehr erfasst (§ 569 III Nr 1; Naumbg OLGR 04, 149; Frankf GRUR-RR 11, 31; Naumbg Beschl v 20.12.13 – 10 W 53/13; Bambg Beschl v 2.5.18 – 2 WF 100/18 Rz 7). § 569 III Nr. 1 soll nach hM für die Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss nicht gelten (Naumbg Beschl v 2.7.14 – 1 W 17/14).
c) Sonstige Ausnahmen.
Rn 20
Vor dem Rechtspfleger besteht kein Anwaltszwang (§ 13 RpflG). Dies gilt auch für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Rechtspflegers des Landgerichts (§§ 11 I, 13 RpflG, 104 III, 569 III Nr 1; BGH NJW 06, 2260, 2261 [BGH 26.01.2006 - III ZB 63/05]) und die sonstigen nach § 20 RpflG übertragenen Verfahren (Zö/Althammer § 78 Rz 27; Musielak/Voit/Weth § 78 Rz 26), insb das Kostenfestsetzungsverfahren (§ 21 RpflG) einschließlich des Beschwerdeverfahrens (München MDR 99, 1224; Nürnbg MDR 00, 233; Köln OLGR 05, 406; aA Hambg MDR 99, 1223), auch soweit in diesem Zusammenhang eine Entscheidung über eine Richterablehnung angegriffen wird (Frankf Beschl v 15.9.14 – 1 W 52/14 Rz 22). Anwaltszwang gilt nicht im Verfahren der Klauselerinnerung nach § 732 (BGH NJW-RR 01, 1362) und in Justizverwaltungsverfahren (§ 26 I EGGVG; B/L/H/A/G/Weber § 78 Rz 44; Zö/Althammer § 78 Rz 27). Die schlichte Vorlage von Urkunden durch die Partei (§ 134) unterliegt auch im Anwaltsprozess nicht dem Vertretungszwang (Brandenbg NJW-RR 95, 1471 [OLG Brandenburg 31.07.1995 - 5 W 78/95]). Das Gleiche gilt für die an die Geschäftsstelle zu richtenden Gesuche um Erteilung von Ausfertigungen und Abschriften und für die Streitverkündung an einen Dritten (Zö/Althammer § 78 Rz 30).