Gesetzestext
Bedarf der Gläubiger zum Zwecke der Zwangsvollstreckung eines Erbscheins oder einer anderen Urkunde, die dem Schuldner auf Antrag von einer Behörde, einem Beamten oder einem Notar zu erteilen ist, so kann er die Erteilung an Stelle des Schuldners verlangen.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 792 gibt dem Gläubiger das Recht, anstelle des Schuldners die Erteilung von Urkunden zu beantragen, deren er zum Zweck der Vollstreckung bedarf. Die Vorschrift ist großzügig auszulegen; umfasst sind sämtliche zur Vorbereitung der Vollstreckung dienende Akte (St/J/Münzberg Rz 2). Das Gebot einer gläubigerfreundlichen Auslegung ergibt sich aus dem Zweck der Norm; dem Gläubiger soll die Möglichkeit gegeben werden, die für die Zwangsvollstreckung erforderlichen Urkunden zu erhalten, ohne vom Willen des Schuldners abhängig zu sein (VGH Mannheim NJW 03, 1203 [VGH Baden-Württemberg 12.11.2002 - 10 S 1198/02]). So kann der Gläubiger iRd § 792 anstelle des Schuldners Erfordernisse erfüllen, die zur Erlangung der benötigten Urkunden erforderlich sind; er kann Erklärungen anstelle des Schuldners abgeben, so die nach § 2356 BGB zur Erlangung des Erbscheins erforderliche eV (St/J/Münzberg Rz 2; Zö/Geimer Rz 1). Dabei richtet sich das Verfahren nach den Vorschriften, nach denen auch dem Schuldner die Urkunde erteilt werden würde; zudem hat der Gläubiger das Vorhandensein eines Vollstreckungstitels nachzuweisen (DDorf FamRZ 20, 1397, 1398; so auch MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann § 792 Rz 11).
B. Anwendungsbereich, Voraussetzungen.
Rn 2
Der Gläubiger muss im Besitz eines zur Vollstreckung geeigneten Titels sein; er muss darlegen, dass er die Urkunde zum Zweck der Vollstreckung benötigt (Wieczorek/Schütze/Paulus Rz 6). Die Urkunde kann auch zum Zweck der Klauselerlangung benötigt werden (Schuschke/Walker/Raebel Rz 2). Entsprechend anzuwenden ist § 792 auf die Teilungsversteigerung nach § 180. § 792 findet hier Anwendung, wenn es sonst einem an der Gemeinschaft Beteiligten nicht möglich ist, die gem § 17 ZVG erforderlichen Urkunden zu beschaffen; so kann zum Zweck der Durchführung der Teilungsversteigerung ein Miteigentümer die Erteilung des Erbscheins zug eines anderen Miterben beantragen (Hamm MDR 06, 1018, 1019 [BGH 23.03.2006 - IX ZR 140/03]; BayObLG NJW-RR 95, 272, 273 [BayObLG 09.06.1994 - 2 Z BR 52/94]).
Rn 3
Beispielhaft erwähnt § 792 den Erbschein; die Vorschrift gilt jedoch auch für sonstige Urkunden, welche der Gläubiger zum Zweck der Zwangsvollstreckung benötigen könnte, so das Testamentsvollstreckerzeugnis gem § 2368 BGB für die Vollstreckung nach § 748, Grundschuld- und Hypothekenbriefe, dies insb dann, wenn die Pfändung eines Grundpfandrechts erfolgt und der Schuldner nicht als Berechtigter eingetragen ist (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 4, 6), ebenso standesamtliche Urkunden. § 792 ist entspr anzuwenden, wenn der Gläubiger die Beseitigung oder Außerkraftsetzung einer die Vollstreckung hindernden Urkunde benötigt. Der Gläubiger kann anstelle des Schuldners die Einziehung des zug eines Dritten erteilten unrichtigen Erbscheins verlangen; er kann ein Aufgebotsverfahren nach §§ 946 ff betreiben, wenn entweder die Urkunde oder der Schuldner nicht auffindbar sind (MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 8).
C. Rechtsschutzinteresse.
Rn 4
Der Gläubiger hat kein Rechtsschutzinteresse an einem Verfahren nach § 792, wenn er die Urkunde oder eine gleichwertige Urkunde auf einfachere Weise erhalten kann. So kann er selbst Einblick in das Güterrechtsregister gem § 1563 BGB, in das GB gem § 12 II GBO und in die Akten des Gerichts der Freiwilligen Gerichtsbarkeit gem § 13 FamFG, in das Handelsregister gem §§ 9 II HGB, 10 HRV oder in das Genossenschaftsregister gem § 156 I GenG iVm § 9 II HGB nehmen und sich Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. In all diesen Fällen kann der Gläubiger für sich selbst, ohne anstelle des Schuldners vorzugehen, handeln (Hamm OLGR 29, 202, 203; MüKoZPO/K. Schmidt/Brinkmann Rz 6; einschr St/J/Münzberg Rz 3).
D. Rechtsbehelfe.
Rn 5
Gegen die Ablehnung des Verlangens des Gläubigers sind die Rechtsmittel gegeben, die auch dem Schuldner ggf zustehen würden, hätte er selbst den Antrag gestellt. So kann der Gläubiger die Beschwerde nach §§ 58 ff FamFG oder nach § 54 BeurkG, wird ihm die Urkunde verweigert, einlegen (Hamm FamRZ 85, 1185, 1186; BayObLG FamRZ 74, 393).