Gesetzestext
Ist das Bestehen oder die Dauer eines Pacht- oder Mietverhältnisses streitig, so ist der Betrag der auf die gesamte streitige Zeit entfallenden Pacht oder Miete und, wenn der 25fache Betrag des einjährigen Entgelts geringer ist, dieser Betrag für die Wertberechnung entscheidend.
A. Normzweck und Streitwertarten.
Rn 1
Die Norm soll durch Festlegung auf einen normativen Streitwert (§ 3 Rn 4) der Rechtssicherheit dienen (MüKoZPO/Wöstmann § 8 Rz 1f). Nach § 8 bestimmen sich der ZuS und der ReS (BGH JurBüro 06, 369; WuM 08, 417); ist der str Zeitraum ungewiss, wird § 9 analog herangezogen (BGH WuM 08, 417; 19, 45 [BGH 29.11.2018 - III ZR 222/18]; GE 19, 596). Entspr gilt für Bagatell- und Verurteilungsstreitwert (§ 2 Rn 6 f). Für Ansprüche aus einem Mietverhältnis über Wohnraum oder über den Bestand eines solchen Verhältnisses ist wegen § 23 Nr 2a GVG, in WEG-Sachen wegen § 23 Nr. 2c GVG, ein ZuS nicht festzusetzen (§ 3 Rn 14).
Rn 2
Für den GeS (s Rn 16) gilt § 41 GKG, dessen Grundsätze insb auf den ReS nicht übertragbar sind (BGH JurBüro 06, 369). Auf die fehlerträchtigen, nicht geringen und daher rechtspolitisch unerwünschten Unterschiede zwischen den Anwendungsbereichen von § 8 ZPO und § 41 GKG ist bei der Wertfestsetzung sorgfältig zu achten.
B. Anwendungsbereich.
I. Pacht und Miete.
1. Tragweite der Norm.
Rn 3
Erfasst werden zunächst alle Miet- und Pachtverträge iSd §§ 535 ff, 581 ff BGB, mithin alle Verträge, welche die Gebrauchsüberlassung von beweglichen oder unbeweglichen Sachen gegen Entgelt zum Inhalt haben. Eine Differenzierung zwischen Miete und Pacht ist grds unbeachtlich (BGH WM 96, 1064 [BGH 20.12.1995 - XII ZR 244/94]). Es muss sich des Weiteren nicht um einen reinen Miet- oder Pachtvertrag ieS handeln. Vorausgesetzt ist nur ein Nutzungsverhältnis gegen die Zahlung eines Entgelts, das eine adäquate Bewertung des Nutzungsinteresses darstellt (BGH WuM 05, 66 [BGH 27.10.2004 - XII ZB 106/04]). Werkmietwohnungen fallen unter § 8, Werkdienstwohnungen nicht (St/J/Roth § 8 Rz 2). Gegenstand des Vertrags können auch Rechte sein (BGH NJW 62, 446: Jagdpacht; BGH NJW 52, 821: Unternehmenspacht; Stuttg Die Justiz 72, 204: Grundausbeutungsvertrag). Eingeschlossen sind Untermiete, Unterpacht einschließlich der Klage des Unterpächters gegen den Unterverpächter und zugleich gegen den Generalverpächter (BGH MDR 17, 970 [BGH 01.06.2017 - IX ZB 87/16]) sowie auch die Kleingartenpacht (dazu BGH MDR 09, 277 [BGH 11.12.2008 - III ZB 53/08]; MDR 16, 122).
Rn 4
Gemischte Verträge fallen unter § 8, wenn die entgeltliche Gebrauchsüberlassung den wesentlichen Vertragsinhalt ausmacht (BGH WM 96, 1064: Grundstücksnutzung). Daher kann § 8 auf Leasing- (Frankf MDR 78, 145; Celle JurBüro 94, 113; zusätzlicher Wert nach § 6 bei Streit um einen Leasing-Gegenstand: BGH KostRspr § 16 GKG Nr 57), Beherbergungs- und Campingverträge sowie auf den Filmverleih angewendet werden (Anders/Gehle/Kunze bei Miete und Pacht Rz 7). Überwiegt ein anderes Vertragselement, wie etwa beim Aufenthalt in Krankenhaus oder Pflegeheim, bei Reisevertrag, Bewirtungsvertrag oder Automatenaufstellvertrag, scheidet die Anwendung von § 8 aus (Anders/Gehle/Kunze bei Miete und Pacht Rz 7).
Rn 5
§ 8 geht § 6 als lex specialis vor (BGH NJW-RR 94, 256). Wenn nur die Mietzahlung oder etwa die Zustimmung zur Mieterhöhung im Streit ist, bestimmt sich der Streitwert nach § 9, hinsichtlich der Gebühren iVm § 48 I GKG (BGH NJW-RR 02, 1233 für Beschwer; JurBüro 04, 378; NJW-RR 05, 938; WuM 07, 32; näher s § 9).
2. Nicht erfasste Vertragsgestaltungen.
Rn 6
Im Interesse der Rechtssicherheit (Rn 1) ist die Norm einer erweiternden Auslegung oder gar der Analogie nicht zugänglich. Mietähnliche Nutzungsverhältnisse werden daher, anders als bei § 41 GKG, nicht erfasst (hM BGH NZM 99, 189; BayObLG JurBüro 95, 27; St/J/Roth § 8 Rz 2; MüKoZPO/Wöstmann § 8 Rz 6; ThoPu/Hüßtege § 8 Rz 2; einschränkend Musielak/Heinrich § 8 Rz 2). Zuständigkeit und Beschwer berechnen sich insoweit nach § 3 oder § 6. Das gilt namentlich für Leihe, unentgeltliches Nutzungsverhältnis (BGH WuM 05, 66), altrechtliches Nutzungsverhältnis (BayObLG JurBüro 95, 27) Nießbrauch (SchleswHA 86, 46) sowie Dauerwohnrecht nach §§ 31 ff WEG und Ansprüche aus Wohnungseigentum. Für die Behandlung dieser Frage beim GeS s Rn 17.
II. Bestand oder Dauer.
1. Grund des Streites.
Rn 7
Bestand oder Dauer eines Miet- oder Pachtverhältnisses müssen im Streit sein, also zumindest präjudizielle Bedeutung haben. Sind sie unstr, findet § 8 ungeachtet des Streitgegenstandes keine Anwendung, so dass nach § 3 zu bewerten ist (BGH 13.11.19 – XII ZB 382/19: Streit über die Berechtigung, auf einem Tiefgaragenstellplatz Mülltonnen aufzustellen; Frankf JurBüro 80, 929 und Bambg JurBüro 85, 589: Streit nur um künftige Mietzahlung; Kobl JurBüro 77, 1132: Streit um Inhalt des Vertrags; Stuttgart BeckRS 20, 35575: Streit um Zustimmung zur Umwandlung von Ackerland in Grünland; LG Berlin NJW-RR 16, 895: Berechtigung zur Untervermietung; KG ZMR 06, 528; Anders/Gehle/Kunze bei Miete und Pacht Rz 6: Einbeziehung eines Dritten). Ausreichend sind Auseinandersetzungen um Anfechtung, Aufhebung, Kündigung oder Verlängerung (BGH WuM 05, 525 [BGH ...