Prof. Dr. Caroline Meller-Hannich
Gesetzestext
(1) Kommt der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nach oder ist bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten, so darf der Gerichtsvollzieher
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bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung den Namen, die Vornamen oder die Firma sowie die Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Schuldners erheben; |
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das Bundeszentralamt für Steuern ersuchen, bei den Kreditinstituten die in § 93b Abs. 1 der Abgabenordnung bezeichneten Daten abzurufen (§ 93 Abs. 8 Abgabenordnung); |
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beim Kraftfahrt-Bundesamt die Fahrzeug- und Halterdaten nach § 33 Abs 1 des Straßenverkehrsgesetzes zu einem Fahrzeug, als dessen Halter der Schuldner eingetragen ist, erheben. |
Die Erhebung oder das Ersuchen ist nur zulässig, soweit dies zur Vollstreckung erforderlich ist.
(2) Daten, die für die Zwecke der Vollstreckung nicht erforderlich sind, hat der Gerichtsvollzieher unverzüglich zu löschen oder deren Verarbeitung einzuschränken. Die Löschung ist zu protokollieren.
(3) Über das Ergebnis einer Erhebung oder eines Ersuchens nach Absatz 1 setzt der Gerichtsvollzieher den Gläubiger unter Beachtung des Absatzes 2 unverzüglich und den Schuldner innerhalb von vier Wochen nach Erhalt in Kenntnis. § 802d Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 gilt entsprechend.
(4) Nach Absatz 1 Satz 1 erhobene Daten, die innerhalb der letzten drei Monate bei dem Gerichtsvollzieher eingegangen sind, darf dieser auch einem weiteren Gläubiger übermitteln, wenn die Voraussetzungen für die Datenerhebung auch bei diesem Gläubiger vorliegen. Der Gerichtsvollzieher hat dem weiteren Gläubiger die Tatsache, dass die Daten in einem anderen Verfahren erhoben wurden, und den Zeitpunkt ihres Eingangs bei ihm mitzuteilen. Eine erneute Auskunft ist auf Antrag des weiteren Gläubigers einzuholen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass seit dem Eingang der Auskunft eine Änderung der Vermögensverhältnisse, über die nach Absatz 1 Satz 1 Auskunft eingeholt wurde, eingetreten ist.
(5) Übermittelt der Gerichtsvollzieher Daten nach Absatz 4 Satz 1 an einen weiteren Gläubiger, so hat er den Schuldner davon innerhalb von vier Wochen nach der Übermittlung in Kenntnis zu setzen; § 802d Absatz 1 Satz 3 und Absatz 2 gilt entsprechend.
A. Bedeutung und Normzweck.
Rn 1
Die Einholung der Auskünfte bestimmter Dritter ist seit dem Gesetz zur Reform der Sachaufklärung (s § 802a Rn 1) eine Regelbefugnis des Gerichtsvollziehers, die aus § 802a II 1 Nr 3 folgt. Die Selbstauskunft des Schuldners (s § 802c) hat zwar Vorrang, Fremdauskünfte können aber im Interesse der Effektivität der Vollstreckung eingeholt werden, wenn die Schuldnerauskunft verweigert wird oder zur Gläubigerbefriedigung nicht ausreicht. Die Norm orientiert sich weniger an dem rudimentären Befragungsrecht des § 806a II als mehr an der im Unterhaltsverfahren bestehenden vergleichbaren Auskunftsverpflichtung gemäß § 236 FamFG (Gottwald FS Schilken, 663, 672; Schilken Rpfleger 06, 629, 633, 637; Würdinger JZ 11, 177, 184). Neben der Informationsbeschaffung dient die Norm dazu, die Bereitschaft des Schuldners zu wahrheitsgemäßen Angaben bei der Vermögensauskunft zu fördern und der Strafandrohung wegen falscher eidesstattlicher Versicherung Nachdruck zu verleihen. § 802l I 1 gilt nach inzwischen wohl hM über § 4 InsO auch im Insolvenzverfahren (vgl AG Köln NZI 18, 622; AG München NZI 16, 541 mit zust Anm v Siebert NZI 16, 541, 541 f mwN, AG Rosenheim ZInsO 16, 1954 mit abl Anm Martens, DGVZ 18, 186; Markoviá ZInsO 16, 1974; Beth NZI 16, 109; Alsfasser Sachaufklärung in der Einzelzwangsvollstreckung, Diss Saarbrücken [18], 99). Die §§ 97, 98 InsO (Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners) sind dazu subsidiär. Die herrschende Meinung überzeugt angesichts der Tatsache, dass alle Maßnahmen nach § 802a nur in Betracht kommen, wenn die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen und keine Vollstreckungshindernisse vorliegen (§ 802a Rn 1) nicht. § 89 InsO steht dem entgegen.
Durch Art 1 Nr 10 EuKoPfVODG (§ 802a Rn 1) wurde § 802l zum 26.11.16 geändert: Abs 1 S 2 wurde gekürzt (Wegfall der Bagatellgrenze) und die Abs 4 und 5 wurden neu hinzugefügt (BGBl I 2016, 2591, 2592, 2602). Eine Übergangsregelung gibt es nicht. Für den zeitlichen Anwendungsbereich des neuen Gesetzes bedeutet dies, dass ein Gericht das neue Gesetz sofort zu berücksichtigen hat, wenn es nach dessen Inkrafttreten entscheidet (vgl BGH DGVZ 17, 174).
Daneben steht die Befugnis des Gerichtsvollziehers, den Aufenthalt des Schuldners durch Ermittlung bei Dritten in Erfahrung zu bringen (s § 755), was in der Regel zeitlich vor der Ausübung der in § 802a aufgeführten Regelbefugnisse steht. Ein isolierter Aufenthaltsermittlungsantrag nach § 755 ohne Vollstreckungsauftrag nach § 802a II ist aber nicht möglich (BGH NJW-RR 17, 960 [BGH 21.06.2017 - VII ZB 5/14]). Die Maßnahmen, die § 755 einerseits und § 802l andererseits ges...