Gesetzestext
Die vorstehenden Vorschriften sind auf die Pfändung von Sachen, die sich im Gewahrsam des Gläubigers oder eines zur Herausgabe bereiten Dritten befinden, entsprechend anzuwenden.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 809 erweitert die Möglichkeit der Pfändung auf Sachen, die zum Vermögen des Schuldners gehören, sich aber nicht im (Allein-)Gewahrsam des Schuldners, sondern im (Mit-)Gewahrsam einer anderen Person befinden, die nicht geschützt werden muss.
B. Voraussetzungen.
I. Gewahrsam des Gläubigers (1. Alt.).
Rn 2
Zum Begriff des Gewahrsams s § 808 Rn 5–13. Herausgabebereitschaft des Gläubigers wird nicht vorausgesetzt (aA Gerlach ZZP 89, 294, 317 mwN). Widerspricht der Gläubiger aber der Zwangsvollstreckung, darf kein Zwang gegen ihn ausgeübt werden (MüKoZPO/Gruber Rz 4; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 2).
II. Gewahrsam eines herausgabebereiten Dritten (2. Alt).
1. Dritter.
Rn 3
Dritter ist jeder, der am Vollstreckungsverfahren weder als Gläubiger noch als Schuldner beteiligt ist. Ob der GV, der an einer Sache durch Pfändung Gewahrsam erlangt hat, für eine weitere Pfändung Dritter ist, ist str (bejahend Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 3; ThoPu/Seiler Rz 2; verneinend MüKoZPO/Gruber Rz 5; Knoche ZZP 114, 399, 412f). In diesen Fällen ist zu differenzieren, ob die Erstpfändung nach § 808 oder § 809 erfolgt ist (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 3; Knoche ZZP 114, 399, 413 ff); wurde nach § 808 gepfändet, erfolgt die weitere Pfändung ohne Weiteres nach § 808 bzw § 826, wenn der Schuldner derselbe wie bei der Erstpfändung ist. Ist der Schuldner ein anderer, ist nach § 809 die Herausgabebereitschaft des Erstschuldners erforderlich. Wurde die Erstpfändung nach § 809 vorgenommen, muss die Herausgabebereitschaft des Dritten auch für eine weitere Pfändung vorliegen, es sei denn, dieser ist Schuldner der neuen Pfändung; dann kann nach § 808 auch gegen seinen Willen gepfändet werden (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 3; Knoche ZZP 114, 399, 413 ff).
2. Gewahrsam.
Rn 4
Zum Begriff des Gewahrsams (insb von Vertretern, Ehegatten, Besitzdienern) s § 808 Rn 5–13. Auch wenn der Dritte neben dem Schuldner Mitgewahrsam hat, hat die Pfändung nach § 809 zu erfolgen (AG Siegen DGVZ 93, 61; LG Wiesbaden DGVZ 81, 60; MüKoZPO/Gruber Rz 6; aA Braun AcP 196, 557, 584). Hat der Schuldner die Sache dem Dritten nur überlassen, um die Zwangsvollstreckung zu vereiteln, ist zu prüfen, ob der Dritte überhaupt Gewahrsam erlangt hat oder etwa nur Besitzdiener ist, sodass § 809 nicht anzuwenden ist (MüKoZPO/Gruber Rz 6; Knoche ZZP 114, 399, 425 ff). Ist aber Gewahrsam des Dritten festzustellen, entfällt das Erfordernis der Herausgabebereitschaft auch bei kollusivem Zusammenwirken von Schuldner und Drittem nicht (MüKoZPO/Gruber Rz 7; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 5; ThoPu/Seiler Rz 4; vgl zur Räumungsvollstreckung BGH NJW 08, 3287, 3288; aA AG Flensburg DGVZ 95, 60; AG Dortmund DGVZ 94, 12; LG Tübingen DGVZ 92, 137; Zö/Herget Rz 5: bei sog Scheingewahrsam grds keine Herausgabebereitschaft des Dritten erforderlich).
3. Herausgabebereitschaft.
Rn 5
Der (Mit-)Gewahrsamsinhaber muss mit der Pfändung und der Wegnahme der Sache zum Zwecke der Verwertung einverstanden sein, was der Gerichtsvollzieher durch Befragen festzustellen hat (BGH NJW-RR 04, 352, 353; Ddorf NJW-RR 97, 998, 999 [OLG Düsseldorf 08.11.1996 - 3 W 454/96]). Die Erklärung ist zu protokollieren (§ 88 S 2 GVGA). Die widerspruchslose Hinnahme der Pfändung stellt ein Indiz für das Einverständnis mit der Wegnahme der Sache dar (BGH NJW-RR 04, 352, 353 [BGH 31.10.2003 - IXa ZB 195/03]; MüKoZPO/Gruber Rz 8). Die Unterzeichnung des Pfändungsprotokolls, das eine Einverständniserklärung nicht enthält, ist jedoch nicht ohne Weiteres als Erklärung der Herausgabebereitschaft zu werten (KG DGVZ 64, 7, 8; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4). Die Herausgabebereitschaft kann auch nachträglich erklärt werden (Nürnbg OLG Rspr 31, 112). Sie ist als Prozesshandlung unwiderruflich und bedingungsfeindlich, sofern nicht die gestellten Bedingungen von allen Beteiligten angenommen werden (§ 70 II 3 u 4 GVGA; Zö/Herget Rz 6; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4). Zulässig ist die Beschränkung auf Pfändungen zugunsten einzelner Gläubiger (Knoche ZZP 114, 399, 408 ff; Göhler MDR 65, 339, 340; Zö/Herget Rz 6; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4; aA Sonnenberger MDR 62, 22; B/L/H/A/G/Weber Rz 6). Ist der Dritte zur Herausgabe nicht oder nur unter einer unzulässigen Bedingung bereit, kann der GV auch dann nicht pfänden, wenn ihm ein Herausgabeanspruch des Schuldners gegen den Dritten offensichtlich erscheint (LG Oldenburg DGVZ 83, 58); der Gläubiger ist darauf verwiesen, den Herausgabeanspruch des Schuldners gegen den Dritten zu pfänden (Zö/Herget Rz 6).
4. Eigentum des Schuldners.
Rn 6
Fehlendes Eigentum des Schuldners an der zu pfändenden Sache verhindert ein Vorgehen des Gläubigers nach § 809 ZPO ebenso wenig wie nach § 808 ZPO (BGHZ 80, 296, 299; MüKoZPO/Gruber Rz 13; aA Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 6; B/L/H/A/G/Weber Rz 3; Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 6; vgl § 808 Rn 3).
C. Durchführung und Folgen der Pfändung.
Rn 7
Liegen die Voraussetzungen des § 809 vor, wird die Pfändung wie bei § 808 (s dort) durchgeführt. Der Schuldner ist von der Pfändung beim Gläubiger oder bei einem Dritten durch Übersendung eine...