1. Schutzzweck.
Rn 26
Dem Schuldner soll die Möglichkeit erhalten werden, durch seinen eigenen Arbeitseinsatz den Unterhalt für sich und seine Familie zu erwirtschaften. Dazu sind ihm die erforderlichen Gegenstände zu belassen. Für bestimmte Berufsgruppen wird Nr 5 durch Nr 7 ergänzt (s Rn 37–39).
2. Geschützter Personenkreis.
Rn 27
Aus dem Schutzzweck ergibt sich, dass nicht jede Erwerbstätigkeit geschützt wird. Voraussetzung ist, dass sich die persönliche Tätigkeit des Schuldners im Gegensatz zur Leistung anderer und zur Ausnutzung sachlicher Betriebsmittel als das wirtschaftlich Wesentliche darstellt (FG München EFG 08, 1483, 1484; Hambg DGVZ 84, 57). Das ist bei abhängig Beschäftigten (Arbeiter, Angestellte, Beamte, Auszubildende) stets der Fall. Bei selbstständig Tätigen ist zu prüfen, ob die persönliche Leistung des Schuldners die Ausnutzung von Sach- und Kapitalmitteln überwiegt (s Rn 28 f). Auch die auf künftigen Erwerb gerichtete Tätigkeit wird durch Nr 5 geschützt, zB Berufsausbildung, Studium (AG Heidelberg DGVZ 89, 15) und Betriebsgründung (LG Hannover NJW 53, 1717 [LG Hannover 23.04.1953 - 11 T 508/52]; AG Ibbenbüren DGVZ 01, 30, 31). Der Schutzbereich erstreckt sich zudem auf den Ehegatten des Schuldners, sodass Gegenstände, die jener zur Fortsetzung seiner Erwerbstätigkeit benötigt, dem Pfändungsverbot unterliegen (BGH 28.1.10 – VII ZB 16/09, Tz 10 ff, NJW-RR 10, 642, 643; Hamm DGVZ 84, 138, 140; aA LG Augsburg Rpfleger 03, 203 [LG Augsburg 17.10.2002 - 5 T 3477/02]).
Rn 28
Geschützt werden idR Freiberufler wie Architekten (LG Frankfurt DGVZ 90, 58), Steuerberater, Musiker, Schauspieler und Schriftsteller. Gleiches gilt für Handwerker, die in ihrem Betrieb selbst maßgeblich handwerklich mitarbeiten, auch wenn Maschinen zum Einsatz kommen (Frankf OLGR Frankf 01, 27, 28; LG Bochum DGVZ 82, 43, 44; AG Sinzig NJW-RR 87, 757, 758 [AG Sinzig 03.07.1986 - 6 M 1194/86]) und für Fuhr- oder Taxiunternehmer, die selbst fahren (Hambg DGVZ 84, 57).
Rn 29
Nicht geschützt werden hingegen regelmäßig Kaufleute. Bei reinem Warenhandel oder -verleih ist wesentlicher Faktor der Erwerbsausübung der Kapitaleinsatz, während die persönliche Leistung völlig im Hintergrund steht (AG Offenbach, Beschl v 1.2.14 – 61 M 10133/13; LG Frankfurt NJW-RR 88, 1471 [LG Frankfurt am Main 07.06.1988 - 2/9 T 210/88]; LG Düsseldorf DGVZ 85, 74, 75). Das gilt auch für Fabrikbetriebe, Hotels, Sonnenstudios (LG Oldenburg DGVZ 93, 12, 13), größere Bauunternehmen (LG Hamburg JurBüro 51, 435) und größere Gastwirtschaften. Bei vielen Unternehmen muss im Einzelfall beurteilt werden, ob der persönliche Arbeitseinsatz überwiegt.
Rn 30
Der Pfändungsschutz gilt wegen des Schutzzwecks (Rn 26) nur für natürliche, nicht auch für juristische Personen (BGH NJW 18, 1083, 1084 [BGH 06.12.2017 - XII ZR 95/16]). Bei Einmanngesellschaften, Personenhandelsgesellschaften und BGB-Gesellschaften ist Nr 5 anwendbar, wenn die Gesellschafter durch ihren persönlichen Arbeitseinsatz ihr Einkommen innerhalb der Gesellschaft erzielen und die Kapitalausnutzung dagegen im Hintergrund bleibt (Oldbg NJW 64, 505; AG Bersenbrück DGVZ 92, 78; AG Düsseldorf DGVZ 91, 175; MüKoZPO/Gruber Rz 38; aA für Einmanngesellschaften Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 18).
3. Fortsetzung der Erwerbstätigkeit.
Rn 31
Geschützt ist die gegenwärtig ausgeübte Tätigkeit. Diese muss dazu bestimmt sein, dass der Schuldner seinen Erwerb aus ihr zieht. Die nebenberufliche Ausübung genügt (OVG Magdeburg 29.4.09 – 3 M 175/09; AG Karlsruhe DGVZ 89, 141, 142). Eine vorübergehende Unterbrechung der Tätigkeit beendet nicht den Pfändungsschutz (OVG Magdeburg 29.4.09 – 3 M 175/09; Hamm JurBüro 53, 209; LG Wiesbaden DGVZ 97, 59). Die bloße Möglichkeit, dass die Tätigkeit wieder aufgenommen wird, genügt jedoch nicht (AG Bad Kreuznach DGVZ 00, 140). Unter die Vorschrift fällt auch die auf künftigen Erwerb gerichtete persönliche Tätigkeit wie die Berufsausbildung, wenn mit einer alsbaldigen Aufnahme der neuen Erwerbstätigkeit sicher gerechnet werden kann (BFH ZIP 11, 1728, 1730).
4. Erforderliche Gegenstände.
Rn 32
Pfändungsfrei sind Gegenstände, die unmittelbar oder mittelbar der Erwerbstätigkeit dienen und für deren Fortführung notwendig sind; unentbehrlich müssen sie nicht sein. Dazu gehören insb Sachen, die zu Herstellung, Bearbeitung, Aufbewahrung oder Transport von Waren dienen, sonstige Arbeitsmittel, Geschäftsausstattung, zur Verarbeitung bestimmte Materialvorräte und Verwaltungsmaterial, aber auch Fahrzeuge, die der Schuldner benötigt, um zur Arbeitsstelle zu gelangen.
Rn 33
Bei der nachfolgenden Darstellung von Beispielen ist zu beachten, dass die Unpfändbarkeit stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen ist und deshalb Gerichtsentscheidungen zu konkreten Gegenständen nicht ohne Weiteres auf andere Fälle übertragbar sind.
Rn 34
Als unpfändbar wurden angesehen: Anrufbeantworter eines Immobilienmaklers (LG Düsseldorf DGVZ 86, 44); Ausstellungsstücke eines Küchenstudios (LG Saarbrücken DGVZ 88, 158); Backofen einer Bäckerei (Frankf OLGR Frankf 01, 27, 28); Baustellenzubehör eines Bauunternehmers (AG Schönau DGVZ 74,...