Gesetzestext
(1) Die Pfändung einer nach § 811 Abs. 1 Nr. 1, 5 und 6 unpfändbaren Sache kann zugelassen werden, wenn der Gläubiger dem Schuldner vor der Wegnahme der Sache ein Ersatzstück, das dem geschützten Verwendungszweck genügt, oder den zur Beschaffung eines solchen Ersatzstückes erforderlichen Geldbetrag überlässt; ist dem Gläubiger die rechtzeitige Ersatzbeschaffung nicht möglich oder nicht zuzumuten, so kann die Pfändung mit der Maßgabe zugelassen werden, dass dem Schuldner der zur Ersatzbeschaffung erforderliche Geldbetrag aus dem Vollstreckungserlös überlassen wird (Austauschpfändung).
(2) 1Über die Zulässigkeit der Austauschpfändung entscheidet das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers durch Beschluss. 2Das Gericht soll die Austauschpfändung nur zulassen, wenn sie nach Lage der Verhältnisse angemessen ist, insbesondere wenn zu erwarten ist, dass der Vollstreckungserlös den Wert des Ersatzstückes erheblich übersteigen werde. 3Das Gericht setzt den Wert eines vom Gläubiger angebotenen Ersatzstückes oder den zur Ersatzbeschaffung erforderlichen Betrag fest. 4Bei der Austauschpfändung nach Absatz 1 Halbsatz 1 ist der festgesetzte Betrag dem Gläubiger aus dem Vollstreckungserlös zu erstatten; er gehört zu den Kosten der Zwangsvollstreckung.
(3) Der dem Schuldner überlassene Geldbetrag ist unpfändbar.
(4) Bei der Austauschpfändung nach Absatz 1 Halbsatz 2 ist die Wegnahme der gepfändeten Sache erst nach Rechtskraft des Zulassungsbeschlusses zulässig.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Vorschrift ermöglicht den Zugriff auf höherwertige unpfändbare Sachen, wenn der von dem Pfändungsverbot beabsichtigte Schutz des Schuldners auch dadurch hinreichend bewirkt werden kann, dass dem Schuldner ein Ersatz von geringerem Wert zur Verfügung gestellt wird. Der durch die Verwertung realisierbare Mehrwert kann so zur Befriedigung des Gläubigers nutzbar gemacht werden.
B. Voraussetzungen.
I. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Austauschpfändung ist nur für Sachen zulässig, deren Unpfändbarkeit sich ausschließlich aus § 811 I Nr 1, 5 oder 6 ergibt. Unterfällt die Sache gleichzeitig einer anderen Nummer des § 811 I, bleibt sie unpfändbar (MüKoZPO/Gruber Rz 2). Eine entsprechende Anwendung auf andere Beschränkungen der Pfändbarkeit kommt nicht in Betracht (AG Bremen DGVZ 84, 157).
II. Arten der Ersatzleistung.
1. Ersatzstück.
Rn 3
Das Ersatzstück muss den durch das Pfändungsverbot geschützten Verwendungszweck erfüllen, also im Fall von § 811 Nr 1 eine angemessene Lebens- und Haushaltsführung (s § 811 Rn 15–19) und im Fall von § 811 Nr 5 und 6 die Fortführung der Erwerbstätigkeit gewährleisten (s § 811 Rn 32–35). Dazu muss es nicht von gleicher Art und Güte sein (BGH NJW-RR 11, 1366, 1367; aA bzgl der Güte Zö/Herget Rz 3). Seine Haltbarkeit muss derjenigen der zu pfändenden Sache entsprechen; ein neuer Gegenstand kann also nur durch einen gebrauchten ausgetauscht werden, wenn dieser eine entsprechende Haltbarkeit und Lebensdauer hat (BGH NJW-RR 11, 1366, 1367 [BGH 16.06.2011 - VII ZB 114/09]). Ob ein Ersatzstück den Anforderungen genügt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Zulässig ist der Austausch eines LCD-Farbfernsehers durch ein beliebiges funktionstüchtiges Farbfernsehgerät (LG Wuppertal DGVZ 09, 41), eines Farbfernsehers durch ein Schwarzweißgerät (BFH NJW 90, 1871, 1872 [BFH 30.01.1990 - VII R 97/89]; LG Bonn DGVZ 88, 11, 12; Stuttgart NJW 87, 196, 197 [OLG Stuttgart 09.04.1986 - 8 W 357/85]), aber nicht durch ein Radio (vgl § 811 Rn 18). Eine goldene Armbanduhr kann durch eine einfache ausgetauscht werden (München DGVZ 83, 140).
2. Geldbetrag für ein Ersatzstück.
Rn 4
Die Bemessung des Geldbetrags hat zu berücksichtigen, dass der Schuldner nach Verwendung des Geldes so stehen soll, wie er bei der Lieferung eines Ersatzstückes stehen würde. Daher ist nicht nur der reine Kaufpreis, sondern ggf auch der notwendige Betrag für Transport-, Montage- oder andere Nebenkosten zur Verfügung zu stellen (Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 4; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 3).
3. Geldbetrag aus dem Verwertungserlös.
Rn 5
Die Gestattung, dass der Gläubiger dem Schuldner den Geldbetrag erst aus dem Vollstreckungserlös überlässt, kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn das Interesse des Gläubigers an der Vollstreckung höher zu bewerten ist als das Interesse des Schuldners, die Sache ohne Unterbrechung nutzen zu können (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4; Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 5). Dies kann insb bei Unterhaltsforderungen oder Ansprüchen aus schwerwiegenden unerlaubten Handlungen der Fall sein, wenn der Gläubiger auf die erfolgreiche Vollstreckung für seinen Lebensunterhalt angewiesen ist (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 4; B/L/H/A/G/Weber Rz 6).
III. Verfahren (Abs 2).
1. Antrag.
Rn 6
Die Austauschpfändung setzt einen Antrag des Gläubigers voraus. Dieser kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle ohne Anwaltszwang (§ 78 V) gestellt werden. Der Antrag muss die Art der Ersatzleistung angeben; wenn ein Ersatzstück gestellt werden soll, muss dieses identifizierbar bezeichnet werden (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 5). Der Gläubiger hat außerdem die Angemessenheit der Austauschpfändung (s Rn 7) darzulegen und nachzuweisen, insb, dass der Vollstr...