Gesetzestext
(1) Tiere, die im häuslichen Bereich und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden, sind der Pfändung nicht unterworfen.
(2) Auf Antrag des Gläubigers lässt das Vollstreckungsgericht eine Pfändung wegen des hohen Wertes des Tieres zu, wenn die Unpfändbarkeit für den Gläubiger eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der Belange des Tierschutzes und der berechtigten Interessen des Schuldners nicht zu rechtfertigen ist.
A. Normzweck.
Rn 1
Die Unpfändbarkeit von Haustieren soll sowohl die Tiere selbst als auch das emotionale Interesse des Schuldners an seinen Haustieren schützen (BTDrs 11/5463, 7). Da Abs 1 den Pfändungsschutz ohne Rücksicht auf einen möglicherweise hohen Wert des Tieres gewährt, schafft Abs 2 zum Schutz des Gläubigers eine Ausnahmeregelung.
B. Voraussetzungen.
I. Tiere im häuslichen Bereich.
Rn 2
Die Vorschrift schützt nicht nur Haustiere im herkömmlichen Sinn des Wortes. Ihr unterfällt jedes Tier, das in räumlicher Nähe zur Wohnung des Schuldners gehalten wird. Dies kann auch im Garten, in Ställen, Volieren oder einem Wohnwagen sein, solange eine räumliche Verbindung zum Wohngrundstück des Schuldners besteht (MüKoZPO/Gruber Rz 3). Dies ist auch dann der Fall, wenn das Tier naturbedingt oft herumstreunt (MüKoZPO/Gruber Rz 4; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 2). Ist das Tier bei einem Dritten untergebracht (zB angemieteter Pferdestall), fehlt es an der erforderlichen räumlichen Nähe (MüKoZPO/Gruber Rz 3). Die Haltung des Tieres muss auf eine gewisse Dauer angelegt sein, da sonst keine schützenswerte Bindung zwischen Schuldner und Tier anzunehmen ist (Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 2; St/J/Würdinger Rz 3; Zö/Herget Rz 2). Eine vorübergehende Entfernung aus dem häuslichen Bereich (zB Unterbringung während des Urlaubs, Verleihen, Quarantäne vor Auslandsreise) hebt den Pfändungsschutz nicht auf (Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 1; Musielak/Voit/Flockenhaus Rz 2).
II. Keine Haltung zu Erwerbszwecken.
Rn 3
Erwerbszwecken dient ein Tier, wenn das Erzielen von Einnahmen im Vordergrund der Tierhaltung steht, auch wenn es nur dem Nebenerwerb dient (Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 1). Ggf kann ein Pfändungsverbot nach § 811 Nr 5 bestehen. Gelegentliche Erträge lassen den Pfändungsschutz nach § 811c unberührt (MüKoZPO/Gruber Fn 15; Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 1).
C. Ausnahmsweise Zulassung der Pfändung (Abs 2).
I. Voraussetzungen.
Rn 4
Die Pfändung kann ausnahmsweise zugelassen werden, wenn das Tier einen hohen materiellen Wert hat (zB wertvolles Reitpferd, Rassehunde oder -katzen, Koi-Karpfen, seltene Tierarten) und bei Abwägung der Interessen der Beteiligten und des Tierschutzes die Unpfändbarkeit eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. Insbesondere zu berücksichtigen sind auf Gläubigerseite Art und Höhe des Vollstreckungsanspruchs, der zu erwartende Vollstreckungserlös und die Dringlichkeit, mit der der Gläubiger auf die Vollstreckung gerade durch Pfändung des Tieres angewiesen ist, auf Schuldnerseite dessen gefühlsmäßige Bindung an das Tier und deren Schutzwürdigkeit in der besonderen Lage des Schuldners (kranke, alte, alleinstehende Menschen, Kinder). Außerdem sind die Folgen für das Tier in die Abwägung einzustellen, zB Alter und Gesundheit des Tieres (AG Paderborn DGVZ 96, 44), Bindung des Tieres an den Schuldner und seine Familie, zu erwartende Lage des Tieres nach der Verwertung (Schuschke/Walker/Walker/Loyal Rz 2).
II. Verfahren.
Rn 5
Das Vollstreckungsgericht entscheidet auf Antrag des Gläubigers. Das Verfahren entspricht dem bei der Austauschpfändung (s § 811a Rn 6–7), ebenso die Rechtsbehelfe (s § 811a Rn 15).
III. Rechtsfolgen.
Rn 6
Ab Erlass des Zulassungsbeschlusses ist das Tier pfändbar; es muss nicht die Rechtskraft des Beschlusses abgewartet werden. Der Beschl wirkt nur für den Gläubiger, der ihn beantragt hat, nicht für andere Gläubiger, da nicht geprüft wurde, ob auch für diese die Unpfändbarkeit eine Härte bedeutet. Ohne Zulassung pfändbar ist hingegen der Anspruch des Schuldners auf Auszahlung eines Übererlöses aus der Verwertung des Tieres (Zö/Herget Rz 10).