Gesetzestext
(1) 1Die gepfändeten Sachen sollen bei der Pfändung auf ihren gewöhnlichen Verkaufswert geschätzt werden. 2Die Schätzung des Wertes von Kostbarkeiten soll einem Sachverständigen übertragen werden. 3In anderen Fällen kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners die Schätzung durch einen Sachverständigen anordnen.
(2) 1Ist die Schätzung des Wertes bei der Pfändung nicht möglich, so soll sie unverzüglich nachgeholt und ihr Ergebnis nachträglich in dem Pfändungsprotokoll vermerkt werden. 2Werden die Akten des Gerichtsvollziehers elektronisch geführt, so ist das Ergebnis der Schätzung in einem gesonderten elektronischen Dokument zu vermerken. 3Das Dokument ist mit dem Pfändungsprotokoll untrennbar zu verbinden.
(3) Zur Pfändung von Früchten, die von dem Boden noch nicht getrennt sind, und zur Pfändung von Gegenständen der in § 811 Abs. 1 Nr. 4 bezeichneten Art bei Personen, die Landwirtschaft betreiben, soll ein landwirtschaftlicher Sachverständiger zugezogen werden, sofern anzunehmen ist, dass der Wert der zu pfändenden Gegenstände den Betrag von 500 Euro übersteigt.
(4) Die Landesjustizverwaltung kann bestimmen, dass auch in anderen Fällen ein Sachverständiger zugezogen werden soll.
A. Normzweck.
Rn 1
Im Vollstreckungsverfahren ist der Wert des gepfändeten Gegenstands unter verschiedenen Gesichtspunkten von Bedeutung, zB bei Pfändungsbeschränkungen (§§ 803 I 2, II, 811a II, 811b I, 812) und beim Mindestgebot (§ 817a). Daher soll der gewöhnliche Verkaufswert bzw der Materialwert rechtzeitig festgestellt werden.
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Vorschrift gilt für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in bewegliche Sachen, deren Verwertung nach §§ 814 ff erfolgt. Ob sie auch anwendbar ist, wenn eine Forderung oder ein sonstiges Recht nach § 844 durch Versteigerung statt durch Überweisung verwertet werden soll, ist streitig (s § 844 Rn 10).
C. Schätzung.
I. Gewöhnlicher Verkaufswert.
Rn 3
Der gewöhnliche Verkaufswert ist der Durchschnittspreis, der bei freihändiger Veräußerung normalerweise zu erzielen ist. Zu berücksichtigen sind dabei die konkrete Beschaffenheit der Sache, die allgemeine Marktlage und die besonderen örtlichen und zeitlichen Verhältnisse. Keine Rolle spielen ungewöhnliche und persönliche Verhältnisse. Wegen § 817a III ist bei Gold- und Silbersachen sowie anderen Edelmetallen (s § 817a Rn 6) neben dem gewöhnlichen Verkaufswert auch der Materialwert zu schätzen.
II. Zuständigkeit.
1. Gerichtsvollzieher.
Rn 4
Die Schätzung nimmt grds der GV bei der Pfändung vor. Erforderlichenfalls muss er hierzu Erkundigungen einholen. Das Ergebnis seiner Schätzung nimmt er in das Pfändungsprotokoll auf (§ 86 I 1 Nr 1 GVGA). Hält er sich für nicht ausreichend kompetent, darf er, wenn § 813 dies nicht vorsieht (s Rn 5), nicht von sich aus einen Sachverständigen zuziehen (AG Augsburg DGVZ 13, 21, 22; LG Konstanz DGVZ 94, 140, 141; MüKoZPO/Gruber Rz 11; aA B/L/H/A/G/Weber Rz 5). Er muss dann die Parteien darauf hinweisen, dass sie einen Antrag auf Schätzung durch einen Sachverständigen nach Abs 1 S 3 stellen können (s Rn 5).
2. Sachverständiger (Abs 1 S 2 und 3).
Rn 5
Kostbarkeiten (s § 808 Rn 18) darf der GV nicht selbst schätzen, sondern muss vAw einen Sachverständigen seiner Wahl beauftragen (Köln Rpfleger 98, 352, 353). Ob eine Kostbarkeit vorliegt, hat der GV nach pflichtgemäßem Ermessen zu beurteilen (Köln Rpfleger 98, 352, 353 [OLG Köln 15.01.1998 - 7 U 146/92]). Unterlässt er die Zuziehung eines Sachverständigen, beeinträchtigt das die Wirksamkeit der Pfändung und der Verwertung nicht; es können jedoch Amtshaftungsansprüche entstehen (MüKoZPO/Gruber Rz 7). Im Übrigen können Gläubiger und Schuldner nach Abs 1 S 3 die Schätzung durch einen Sachverständigen beim Vollstreckungsgericht beantragen, auch wenn bereits eine Schätzung durch den GV oder einen von diesem beigezogenen Sachverständigen vorliegt (Zö/Herget Rz 5; MüKoZPO/Gruber Rz 8). Der GV oder Dritte sind nicht antragsberechtigt (LG Berlin DGVZ 78, 112, 113f). Über den Antrag entscheidet der Rechtspfleger (§ 20 I Nr 17 RPflG) nach pflichtgemäßem Ermessen; die Kompetenz, die Schätzung selbst vorzunehmen, steht dem Vollstreckungsgericht nicht zu. Der Sachverständige hat die Schätzung schriftlich oder zu Protokoll des GV abzugeben. An den vom Sachverständigen geschätzten Wert ist der GV grds gebunden (München DGVZ 80, 122, 123).
3. Landwirtschaftlicher Sachverständiger (Abs 3).
Rn 6
Sind bei der Vollstreckung gegen eine Person, die Landwirtschaft betreibt, vom Boden noch nicht getrennte Früchte oder Gegenstände der in § 811 I Nr 4 bezeichneten Art zu pfänden, ist ein Sachverständiger zuzuziehen, wenn der Wert der zu pfändenden Gegenstände voraussichtlich 500 EUR übersteigt. Der Sachverständige hat dann nicht nur den gewöhnlichen Verkaufswert zu schätzen, sondern auch zu begutachten, ob die gewöhnliche Zeit der Reife binnen eines Monats zu erwarten ist (§ 810 I 2), ob die zu pfändenden Sachen zu denen gehören, die in § 811 I Nr 4 bezeichnet sind oder auf die sich die Hypothek erstreckt (§§ 100 II 1, 102 III S 2 GVGA).
4. Bestimmungen der Landesjustizverwaltung (Abs 4).
Rn 7
Von der Ermächtigung in Abs 4 haben die Landesjustizverwaltungen in §§ 100 I, 102 III 4 GVGA Gebrauch gemacht und für...