Rn 72
Das Pfandrecht erfasst die Forderung in ihrem tatsächlichen Bestand bei Zustellung des Pfändungsbeschlusses (St/J/Würdinger § 829 Rz 72). Ergibt sich aus dem Pfändungsbeschluss keine ausdrückliche Einschränkung, wird die Forderung des Schuldners ggü dem Drittschuldner zugunsten des Gläubigers auch dann in voller Höhe gepfändet, wenn sich die titulierte Forderung auf einen geringeren Betrag beläuft (BGH NJW 75, 738 [BGH 22.01.1975 - VIII ZR 119/73]; 86, 977, 978 [BGH 21.11.1985 - VII ZR 305/84]; 01, 2178, 2179 [BGH 05.04.2001 - IX ZR 441/99]). Obwohl § 803 I 2 eine Überpfändung untersagt, wird eine Vollpfändung auch dann zugelassen, wenn der Nennbetrag der gepfändeten Forderung höher als die titulierte Forderung ist. Begründet wird dies mit den tatsächlichen und rechtlichen Unsicherheiten über den Bestand der Forderung (Zö/Herget § 829 Rz 12). Schranken können sich aber aus einer unverhältnismäßigen Diskrepanz zwischen den Werten bei Bestehen einer anderen für den Gläubiger pfänd- und verwertbaren Forderung sowie zur Sicherung des Existenzminimums des Schuldners ergeben. Zum Rechtsbehelf bei Überpfändung Rn 101.
Rn 73
Eine Forderungspfändung in Höhe des Anspruchs des Gläubigers bedeutet regelmäßig eine Teilpfändung, wenn die gepfändete Forderung die Forderung des Gläubigers übersteigt (BGH NJW 75, 738 [BGH 22.01.1975 - VIII ZR 119/73]; NZI 17, 623 Rz 10). Werden mehrere Forderungen des Schuldners tw bis zur Höhe der zu vollstreckenden Schuld gepfändet, erfasst die Pfändung jede der Forderungen bis zur Höhe der Schuld, wegen der vollstreckt wird. Jede gepfändete Forderung ist bis zur Höhe der Schuld verstrickt. Der Gläubiger muss die Schuld nicht auf die einzelnen Forderungen verteilen (BGH NZI 17, 623 Rz 10; NZI 18, 705 [BGH 25.01.2018 - IX ZR 104/17] Rz 18). Es genügt die Formulierung wegen und bis zur Höhe der titulierten Forderung (Brox/Walker Rz 632). Die Formulierung, ›solange gepfändet, bis der Gläubigeranspruch vollständig besichert ist‹, soll nicht eine überschießende Pfändung vermeiden und eine besonders schonende Pfändung begründen (BGH NZI 17, 623 [BGH 27.04.2017 - IX ZR 192/15] Rz 11).
Rn 74
Im Einzelfall wird die Reichweite der Pfändung wie folgt bestimmt: Die Pfändung des gesamten Arbeitseinkommens erfasst die Schadensersatzansprüche wegen verfallener Vergütungsansprüche (BAG NJW 09, 2324, 2325 [BAG 06.05.2009 - 10 AZR 834/08]; Ahrens NJW-Spezial 09, 21). Wird eine Kaufpreiszahlung über ein Notaranderkonto abgewickelt, ist das mit der Pfändung eines Kaufpreisanspruchs entstandene Pfandrecht auf den Auszahlungsanspruch gegen den Notar zu erstrecken (BGH DNotZ 16, 957). Umgekehrt ist die Pfändung des Auszahlungsanspruchs unwirksam, wenn nicht zugleich der Kaufpreisanspruch gepfändet wird (BGHZ 105, 60, 64). Die Pfändung eines Kontoguthabens umfasst das Guthaben am Tag der Zustellung des Pfändungsbeschlusses sowie die Tagesguthaben der folgenden Tage, § 833a (BGH NJW 20, 843 [BGH 19.09.2019 - IX ZR 22/17]). Die Pfändung des Regressanspruchs gegen den Anwalt erfasst auch den Sekundäranspruch, ohne Rücksicht darauf, ob er im Zeitraum der Pfändung schon entstanden ist und im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erwähnt wird (BGH NJW 1996, 48, 51 [BGH 21.09.1995 - IX ZR 228/94]). Die Pfändung der Forderung auf Zahlung der gesamten Rentenbezüge erfasst nicht die Witwenrentenabfindung (BSGE 60, 34, 36 [BSG 12.03.1986 - 5a RKn 22/84]). Sind Ansprüche auf Rückgewähr von Sicherheiten gepfändet, wird davon auch der aus ihrer Verwertung erzielte Erlös erfasst (MüKoZPO/Smid § 829 Rz 47). Die Pfändung der Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung eines Kaufvertrags erfasst nicht den Anspruch des Schuldners gegen den Drittschuldner auf Zahlung des Kaufpreises aus diesem Vertrag (BGH NJW 00, 1268). Die Pfändung gesellschaftsrechtlicher Schadensersatzansprüche kann Kapitalerhaltungsansprüche erfassen (BGH NJW 09, 2127 [BGH 09.02.2009 - II ZR 292/07] Rz 41).
Rn 75
Künftige Forderungen werden regelmäßig nur dann beschlagnahmt, wenn sich der Beschl ausdrücklich oder zumindest erkennbar auf sie erstreckt (Karlsr NJW-RR 93, 242). Etwas anderes gilt aber für die Pfändung einer Gehaltsforderung oder einer ähnlichen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung. Bei ihnen erstreckt sich das Pfandrecht gem § 832 auch dann auf die nach der Pfändung fällig werdenden Beträge, wenn dies in dem Pfändungsbeschluss nicht ausdrücklich angeordnet wird (BGH NJW-RR 89, 286, 290 [BGH 24.11.1988 - IX ZR 210/87]). Für künftige Kontoguthaben ordnet dies § 833a an.