Rn 90
Dem Drittschuldner ist nach § 829 I 1 verboten, an den Schuldner zu leisten (Arrestatorium). Zahlt der Drittschuldner dennoch an den Schuldner, ist grds die Leistung ggü dem Gläubiger unwirksam, §§ 135, 136 BGB. Der Drittschuldner trägt das Risiko, den richtigen Empfänger zu bestimmen. Bei einer unwirksamen Zahlung an den Schuldner muss der Pfändungsgläubiger so gestellt werden, wie er stehen würde, wenn eine verbotswidrige Zahlung an den Schuldner nicht bewirkt worden wäre (vgl LG Frankfurt WM 09, 409 [LG Frankfurt am Main 17.10.2008 - 2/01 S 117/08]). Auch durch eine verbotswidrige Zahlung an den Schuldner verliert der Drittschuldner nicht seine zulässigen Einwendungen gegen die gepfändete Forderung (BGH NJW 73, 428; 83, 886, 887 [BGH 26.01.1983 - VIII ZR 258/81]). Er kann sich auf rechtshindernde Einreden, zB §§ 134, 138 BGB, rechtsvernichtende Einreden, zB § 362 BGB, oder auf rechtshemmende Einreden, etwa die Verjährung oder ein Zurückbehaltungsrecht (BGH DB 79, 1839 [BGH 16.05.1979 - VIII ZR 156/78]), und auf die fehlende Fälligkeit berufen. Eine Aufrechnung ist im Allgemeinen unzulässig, doch darf der Drittschuldner unter den Voraussetzungen von § 392 BGB ggü der Forderung des Schuldners mit ihm gegen den Schuldner zustehenden Gegenforderungen aufrechnen (BGH NJW 73, 428; LG Oldenburg JurBüro 15, 387). Einwendungen des Schuldners gegen den Vollstreckungsgläubiger darf der Drittschuldner nicht erheben (BAG NJW 89, 1053). Er kann deswegen nicht einwenden, die Hauptforderung bestünde nicht mehr (LG Bremen JurBüro 16, 156).
Rn 91
Im Verhältnis zum Schuldner tritt durch eine Zahlung Erfüllung gem § 362 BGB ein (Musielak/Voit/Flockenhaus § 829 Rz 20). Betreibt der Schuldner aus einem eigenen Titel die Zwangsvollstreckung, obwohl die Forderung von einem Gläubiger gepfändet ist, kann der Drittschuldner die Vollstreckungsgegenklage gem § 767 erheben (BAG NJW 97, 1868, 1869 [BAG 20.08.1996 - 9 AZR 964/94]). Auf Antrag kann das Gericht nach § 769 einstweilige Anordnungen treffen. Gegen eine dem Schuldner erteilte Vollstreckungsklausel kann der Drittschuldner nach § 732 vorgehen (Zö/Herget § 829 Rz 19). Für die Kosten einer Drittschuldnerauskunft nach § 840 steht dem Drittschuldner kein Erstattungsanspruch aus den §§ 677, 683, 670 BGB und kein Schadensersatzanspruch etwa aus § 280 I BGB zu (BGH NJW 99, 2276, 2277 [BGH 18.05.1999 - XI ZR 219/98]; § 840 Rn 17). Im Arbeitsverhältnis kann eine Erstattungspflicht weder vertraglich noch durch Betriebsvereinbarung begründet werden (BAG NJW 07, 1302, 1303 [BAG 18.07.2006 - 1 AZR 578/05]). Formularmäßige Entgeltklauseln, etwa eines Kreditinstituts, verstoßen gegen § 307 BGB (BGH NJW 99, 2276, 2277 [BGH 18.05.1999 - XI ZR 219/98]; 00, 651 [BGH 19.10.1999 - XI ZR 8/99]).
Rn 92
Leistet jedoch der Drittschuldner in Unkenntnis der Pfändung bzw des Zahlungsverbots, muss der Gläubiger die Zahlung in entspr Anwendung von § 407 BGB gegen sich gelten lassen (BGH NJW 89, 905). Hat der Drittschuldner gutgläubig die Zahlung geleistet, besteht für ihn keine Handlungsverpflichtung, um den Eintritt des Leistungserfolgs zu verhindern, insb keine Verpflichtung, eine Überweisung zu widerrufen (BGH NJW 89, 905, 906 [BGH 27.10.1988 - IX ZR 27/88]; aA Zö/Herget § 829 Rz 19). Daueraufträge müssen allerdings widerrufen werden. Nach den allgemeinen Regeln muss der Gläubiger die Voraussetzungen einer wirksamen Pfändung und der Drittschuldner seine Unkenntnis beweisen.
Rn 93
Der Schutz des gutgläubigen Drittschuldners entfällt nicht schon mit der Zustellung. Entspr dem Rechtsgedanken aus § 166 I BGB ist die tatsächliche Kenntnis der zur Vornahme der Leistung befugten Person entscheidend, ggf also die des zuständigen Sachbearbeiters (St/J/Würdinger § 829 Rz 102). Erfolgt innerhalb einer angemessenen Zeit keine Kenntniserlangung, muss sich der Drittschuldner für ein mögliches Organisationsverschulden entlasten. Eine Frist von 22 Minuten zwischen Zustellung und Auszahlung ist angemessen (LG Frankfurt WM 09, 409, 411 [LG Frankfurt am Main 17.10.2008 - 2/01 S 117/08]).
Rn 94
Der Drittschuldner ist auf Verlangen des Schuldners verpflichtet, an den Gläubiger zu leisten. Sonst ist er verpflichtet, an beide zu leisten oder für beide zu hinterlegen, vgl § 1281 BGB, ist aber auch gem § 372 BGB berechtigt, zu hinterlegen. Unter den Voraussetzungen von § 392 BGB darf er aufrechnen (BGH NJW 73, 428). Erfolgt bei einer Pfändung von Arbeitseinkommen ein Blankettbeschluss (§ 850 Rn 9), muss der Drittschuldner die Höhe der pfändbaren Beträge ermitteln. Auf Verlangen des Gläubigers muss der Drittschuldner die Auskunft nach § 840 erteilen (vgl § 840 Rn 5 ff).