Rn 1

§ 829 normiert das Verfahren sowie die Wirkungen der Pfändung von Geldforderungen. Aufgrund der Verweisungen in den §§ 846 und 857 I sind § 829 und die Folgevorschriften auf die Vollstreckung in Herausgabeansprüche und andere Vermögensrechte (entspr) anwendbar. Durch den Pfändungsbeschluss wird die Forderung beschlagnahmt und ein Pfändungspfandrecht begründet. Mit dieser hoheitlichen Maßnahme wird die Forderung sichergestellt. Der Gläubiger erhält aber noch keine Befriedigungsmöglichkeit, für die eine zusätzliche gerichtliche Verwertungsanordnung erforderlich ist. Zumeist wird die Verwertung in einem Überweisungsbeschluss nach § 835 angeordnet, doch kann sie auch auf andere Weise, § 844, erfolgen. Obwohl beide Hoheitsakte regelmäßig in einem einheitlichen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zusammengefasst werden, müssen ihre Wirkungen strikt unterschieden werden. Ein Grund für diese Trennung besteht darin, dass so auch Forderungen gesichert werden können, die noch nicht zu verwerten sind, wie bei der Sicherungsvollstreckung, § 720a, oder der Arrestvollziehung, § 930 (Zö/Herget § 829 Rz 16).

 

Rn 2

Als Grundnorm der Forderungsvollstreckung regelt § 829 die Pfändung von Geldforderungen. Hypothekarisch gesicherte Forderungen werden nach den §§ 830, 837 III, Grundschulden nach § 857 VI iVm §§ 830, 837 III, und durch Schiffshypotheken gesicherte Forderungen gem § 830a gepfändet. Auf Wechsel und andere indossable Papiere wird nach § 831 zugegriffen, während für sonstige Wertpapiere, Inhaber- und Rektapapiere § 821 gilt. Auf qualifizierte Legitimationspapiere sind die §§ 829, 835 anzuwenden (Hollinger MDR 19, 520, 521, 523). Die Pfändung von Herausgabe- und Leistungsansprüchen grds auch bei verwahrten Wertpapieren erfolgt nach den §§ 846 ff und die sonstiger Vermögensrechte nach § 857.

 

Rn 3

Die Forderungsvollstreckung stellt eine besonders wichtige Art der Zwangsvollstreckung dar. Durch das ausdifferenzierte System der Mobiliarsicherheiten ist der Vollstreckungszugriff auf das pfändbare Sachvermögen oft sehr begrenzt. Zugleich verfügen zahlreiche Vollstreckungsschuldner entweder über regelmäßige Einkünfte aus beruflicher Tätigkeit oder über andere Forderungen. Deren Verwertung ist für den Gläubiger vorteilhaft, da sie jedenfalls bei Geldforderungen nur geringe Transaktionskosten verursachen und damit zu einer vorteilhaften Befriedigung führen können (Wieczorek/Schütze/Lüke § 829 Rz 1).

 

Rn 4

Nach den Modellgrundlagen des Zwangsvollstreckungsrechts ist prinzipiell jede selbständige Geldforderung des Schuldners pfändbar, es sei denn, sie wird durch spezielle Regelungen geschützt. Bei der Forderungsvollstreckung resultiert daraus ein grundlegender Systemvorteil zugunsten des Gläubigers. Mit den modernen ökonomischen Instrumenten werden neuartige Forderungen und Rechte geschaffen, wie durch die vielfältigen Finanzmarktprodukte oder bei der Notwendigkeit einer privaten Altersvorsorge. Die breitere Partizipation an diesen Wirtschaftsformen schafft für den Gläubiger neue Zugriffsmöglichkeiten.

 

Rn 5

Damit einhergehend wird der tradierte Vollstreckungsschutz substanziell entwertet. In der Konsequenz liegt darin eine Systemschwäche der Forderungsvollstreckung zulasten des Schuldners begründet. Korrektive ggü einem unbegrenzten Vollstreckungszugriff in eine neuartige Forderung des Schuldners werden gleichsam nachlaufend geschaffen, nachdem die soziale Dimension des jeweiligen Zugriffs erkannt ist. Beispiele dafür bilden der Vollstreckungsschutz für die private Altersvorsorge oder der Kontopfändungsschutz.

 

Rn 6

Das institutionell gewährleistete Forderungs- und Vollstreckungsrecht des Gläubigers muss durch den verfassungsrechtlich verankerten Schutz des Existenzminimums für den Schuldner begrenzt werden. Dies gilt sowohl für Ansprüche auf laufende Einkünfte als auch andere Forderungen mit Versorgungsfunktion. Soweit eine gesetzliche Konkretisierung erfolgt ist, wie in den §§ 850c ff, 851c f, ist der Entscheidungsspielraum des Vollstreckungsorgans begrenzt. Fehlt eine solche Positivierung, muss das Vollstreckungsgericht eine eigenständige Entscheidung über den zwingenden Grundrechtsschutz treffen. Erforderlich ist letztlich ein von einer Gesamtvorstellung getragenes Schutzmodell, das neue Forderungsarten erfassen kann und nicht lediglich punktuell nach den aktuell wahrgenommenen Bedürfnissen geformt wird.

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