Gesetzestext
Das Pfandrecht, das durch die Pfändung einer Gehaltsforderung oder einer ähnlichen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung erworben wird, erstreckt sich auch auf die nach der Pfändung fällig werdenden Beträge.
A. Normzweck.
Rn 1
Künftige Ansprüche können nach § 829 gepfändet werden, doch verlangt das Bestimmtheitserfordernis, die Forderungen ausdrücklich zu bezeichnen. Diese strengen Anforderungen setzt § 832 herab. Die Vorschrift erstreckt die Pfändung einer Gehaltsforderung oder einer ähnlichen in fortlaufenden Bezügen bestehenden Forderung auf die künftig fällig werdenden Raten, ohne dass dies im Beschl besonders ausgedrückt werden muss. Bei einer einheitlichen Rechtsbeziehung werden nicht nur bestehende, aber erst künftig fällig werdende, sondern auch künftige Forderungen von der Pfändung erfasst (BGH ZVI 08, 433 Rz 5). Dadurch werden wiederholte Pfändungsbeschlüsse vermieden und die Vollstreckungskosten reduziert. Davon zu unterscheiden ist die Vorratspfändung nach § 850d III (§ 850d Rn 38).
B. Voraussetzungen.
I. Rechtsgrund.
Rn 2
Erforderlich ist eine einheitliche Rechtsbeziehung, bei deren Fortbestand laufend neue Raten fällig werden oder neue Ansprüche entstehen (St/J/Würdinger § 832 Rz 4). Umstritten ist, ob die Forderung aus einer persönlichen Dienstleistung stammen und wenigstens tw für den Unterhalt bestimmt sein muss. Letzteres ist abzulehnen, da sonst die sozialpolitisch für den Schuldner bedeutsameren und deswegen vollstreckungsrechtlich nur eingeschränkt pfändbaren Forderungen unter leichteren Voraussetzungen als andere Forderungen pfändbar wären (Wieczorek/Schütze/Lüke § 832 Rz 9; Musielak/Voit/Flockenhaus § 832 Rz 2; aA RGZ 138, 254; Stöber/Rellermeyer Rz B.327 f; Baur/Stürner/Bruns Rz 30.22; Gottwald/Mock § 832 Rz 2).
Rn 3
Die Forderung muss aus einer im Wesentlichen gleichbleibenden Rechtsbeziehung resultieren. Abzustellen ist dafür auf die Verkehrsauffassung, weshalb auch bei mehreren Verträgen ein einheitliches Arbeitsverhältnis vorliegen kann (BAG NJW 57, 439; 93, 2701). Unschädlich ist, wenn ein Arbeits- oder Dienstverhältnis unterbrochen, etwa bei Saisonarbeit bzw Verbüßung einer Freiheitsstrafe (LG Essen MDR 1963, 226), oder sogar beendet, aber alsbald fortgesetzt wird (Ddorf DB 85, 1336 [OLG Düsseldorf 22.11.1984 - 8 U 12/84]). Es genügt ein innerer Zusammenhang zwischen einem alten und dem neuen Arbeitsverhältnis. § 833 II bestimmt dafür jetzt eine Frist von neun Monaten (§ 833 Rn 4 f). Auf die Pfändung ähnlicher in fortlaufenden Bezügen bestehender Forderungen ist § 833 II nicht unmittelbar anwendbar, wenn etwa ein Mietverhältnis wegen eines Auslandsaufenthalts unterbrochen wird, weshalb hier regelmäßig eine kürzere Frist zu bestimmen ist.
Rn 4
Ausreichend ist, dass der Entstehungstatbestand der Forderung bereits gesetzt wurde, selbst wenn die Forderung erst künftig fällig wird oder noch nicht entstanden ist (BAG NJW 93, 2700; ZVI 08, 433). Es kommt nicht darauf an, ob die Forderung befristet, bedingt oder von einer Gegenleistung abhängig ist. Unerheblich ist auch, ob die Forderungen in regelmäßigen Zeitabständen und gleicher Höhe entstehen (Hambg OLG 31, 118, 119). Abgetretene Forderungen auf künftige Bezüge werden von dem Pfändungspfandrecht erst bei Rückfall der Forderung erfasst (BAG NJW 93, 2700 = AR-Blattei ES 1130 Nr 73 mAnm Kohte).
II. Art der Forderung.
Rn 5
Gehaltsforderungen stellen die Arbeitseinkommen iSv § 850 II, III dar (dazu § 850 Rn 11 ff; zur Titulierung BAG NZA-RR 09, 79 [BAG 09.04.2008 - 4 AZR 104/07] Rz 33), einschl etwa der nach § 850b nur bedingt pfändbaren Bezüge (Gottwald § 832 Rz 3) und der verschleierten Einkünfte nach § 850h (Wieczorek/Schütze/Lüke § 832 Rz 3), nicht aber die fiktiv aufgelaufenen Lohn- oder Gehaltsrückstände nach § 850h II (BAG NZA 08, 779 [BAG 12.03.2008 - 10 AZR 148/07] Rz 27). Erfasst werden Sonderzahlungen, die auf dem Arbeitsverhältnis beruhen, etwa regelmäßige Jahresprämien sowie einmalige Projektprämien, Sozialplanabfindungen (BAG AP ZPO § 850 Nr 13), Abfindungen nach den §§ 9, 10 KSchG (BAG AP ZPO § 850 Nr 10), private Ruhegehaltsansprüche sowie Ansprüche auf den vom Arbeitgeber – nicht dem Finanzamt – gem § 42b EStG auszuzahlenden Lohnsteuerjahresausgleich (LAG Hamm NZA 89, 530). Ansprüche auf die Arbeitnehmersparzulage bilden zwar keine Ansprüche auf Arbeitsentgelt iSd §§ 850 ff. Dennoch sind sie pfändbar und unterfallen § 832 (BAG NJW 77, 76 [BAG 23.07.1976 - 5 AZR 474/75]).
Rn 6
Ähnliche in fortlaufenden Bezügen bestehende Forderungen stellen Unterhaltszahlungen, Schmerzensgeldrenten (vgl § 850b Rn 6), Ansprüche auf Rentenbezüge gegen einen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung (BGH NJW 03, 1458 [BGH 21.11.2002 - IX ZB 85/02]) und auf laufende Sozialleistungen wie früher beim Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe (BSG MDR 89, 187; zum Insolvenzausfallgeld Rn 9) dar. Zu den vergleichbaren Forderungen gehören auch Provisionsansprüche des für eine gewisse Dauer angestellten Handelsvertreters (RGZ 138, 254; RAGE 7, 172, 174; Stettin OLGR 6, 418; Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke...