Gesetzestext
Vor der Pfändung ist der Schuldner über das Pfändungsgesuch nicht zu hören.
A. Normzweck und Grundlagen.
Rn 1
§ 834 schiebt das rechtliche Gehör des Schuldners vor der Pfändung der Forderung auf. Die Regelung dient dazu, den Erfolg der Forderungspfändung ggü zwischenzeitlichen Verfügungen des Schuldners zu sichern und wird deswegen oft als Schutzvorschrift zugunsten des Gläubigers verstanden (Zö/Herget § 834 Rz 1; Brox/Walker Rz 604). Wie aber die zu berücksichtigende Schutzschrift des Schuldners belegt (Rn 6), dient die Vorschrift nicht einseitigen Interessen, sondern einem ordnungsgemäßen Verfahren (MüKoZPO/Smid § 834 Rz 1).
Rn 2
Die Bestimmung schränkt den Anspruch auf rechtliches Gehör verfassungskonform ein (Vollkommer Rpfleger 82, 2, 6). Soweit die Aufgaben des Vollstreckungsgerichts gem § 20 Nr 17 RpflG dem Rechtspfleger übertragen sind (§ 828 Rn 3), folgt der Anspruch auf rechtliches Gehör aus dem vom Rechtsstaatsprinzip gem Art 2 I, 20 III GG gewährleisteten Recht auf ein faires Verfahren (BVerfG NJW 00, 1709 [BVerfG 18.01.2000 - 1 BvR 321/96]), sonst aus Art 103 I GG. In der besonderen verfahrensrechtlichen Situation der Forderungsvollstreckung ist eine vorherige Anhörung des Schuldners grds verwehrt (vgl BVerfGE 57, 346, 358 [BVerfG 16.06.1981 - 1 BvR 1094/80], zur Wohnungsdurchsuchung; BayObLG NJW-RR 86, 422). Dennoch darf das rechtliche Gehör nur vorübergehend zurückstehen und muss dem Schuldner gewährt werden, sobald die Verfahrenslage dies zulässt (Ahrens in Ahrens/Lipp/Varga, Grundrechte im Zivilprozess, 2015, 7, 13). Regelmäßig kann der Schuldner durch Einlegung der Vollstreckungserinnerung, § 766, rechtliches Gehör erlangen, Rn 7.
B. Anwendungsbereich.
Rn 3
Bei einer Forderungspfändung ist die Anhörung des Schuldners, anders als nach § 730, ohne Ermessensspielraum für den Rechtspfleger ausgeschlossen (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Schuschke/Plücker § 834 Rz 1). Dieses Anhörungsverbot gilt für die Pfändungsverfahren nach den §§ 829 ff. Es soll auch in den Verfahren nach § 850f II (Ddorf NJW 1973, 1133) und § 850d bestehen. Wegen der insoweit möglichen Gefährdung des verfassungsrechtlich geschützten Existenzminimums des Schuldners sowie der durch § 400 BGB geringeren Risiken für die Vollstreckung muss hier eine Anhörung erfolgen (St/J/Würdinger § 834 Rz 2 f; Wieczorek/Schütze/Lüke § 834 Rz 4; aA Musielak/Voit/Flockenhaus § 834 Rz 3).
Rn 4
Nach der gesetzlichen Regelung ist der Schuldner bei einer Billigkeitsentscheidung gem § 850b III zu hören, ebenso in den von einem Schuldnerantrag abhängigen Verfahren nach den §§ 850i, 850k (Baur/Stürner/Bruns Rz 30.11). Für die Pfändung von Sozialleistungen nach § 54 SGB I gilt grds das Anhörungsverbot (R/G/S § 28 II; nicht mehr in der 12. Aufl). Bei einer Billigkeitsentscheidung nach § 54 II SGB I ist jedoch wegen der nach § 54 IV SGB I entspr Anwendbarkeit der Pfändungsschutzvorschriften für das Arbeitseinkommen und der Parallele zu § 850b III eine Anhörung geboten (MüKoZPO/Smid § 834 Rz 8; aA Musielak/Voit/Flockenhaus § 834 Rz 3; Riedel NJW 94, 2813).
Rn 5
Das Anhörungsverbot gilt in den Verfahren über den Erlass des Pfändungsbeschlusses (BAG NJW 77, 75 [BAG 23.07.1976 - 5 AZR 474/75]) einschl der vorbereitenden Handlungen, wie dem Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts (BGH NJW 83, 1859 [BGH 02.03.1983 - IVb ARZ 49/82]; BayObLG NJW-RR 86, 421) oder dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zwangsvollstreckung (Gottwald/Mock § 834 Rz 2). Im Fall eines abgewiesenen Antrags besteht es in der Rechtsmittelinstanz fort (KG NJW 80, 1342 [KG Berlin 08.10.1979 - 12 U 3206/78]; Rpfleger 94, 425, 426 [KG Berlin 08.03.1994 - 1 W 797/94]; Köln NJW-RR 88, 1467). Verbindet das Gericht den Pfändungs- und den Überweisungsbeschluss, darf keine Anhörung erfolgen (Kahlke NJW 91, 2688 [BGH 28.02.1991 - IX ZR 74/90]; dagegen Hoeren NJW 91, 411). Erfolgt ein gesonderter Überweisungsbeschluss bzw eine Überweisung an Zahlungs statt, ist der Schuldner vor diesem Beschl zu hören (Musielak/Voit/Flockenhaus § 834 Rz 2; Baur/Stürner/Bruns Rz 30.31).
Rn 6
Das Verbot endet, sobald der Pfändungsbeschluss erlassen wurde. Das Ziel von § 834 kann dann nicht mehr vereitelt werden, weshalb der Schuldner zu den folgenden Anträgen des Gläubigers (Wieczorek/Schütze/Lüke § 834 Rz 3) sowie im Rechtsmittelverfahren zu hören ist. Ist der erlassene Pfändungsbeschluss im Rechtsmittelverfahren auf Antrag des Schuldners aufgehoben worden, soll dieser nach Ansicht des KG (MDR 94, 513 [KG Berlin 08.03.1994 - 1 W 797/94]) im weiteren Verfahren nicht gehört werden, doch ist diese Auffassung abzulehnen, weil das Verfahren durch eine Anhörung nicht mehr beeinträchtigt werden kann. Der Schuldner ist auch zu hören, falls die Forderung nach § 845 beschlagnahmt ist (MüKoZPO/Smid § 834 Rz 1). Auf Antrag des Gläubigers ist der Schuldner ebenfalls anzuhören (Celle MDR 72, 958; LG Braunschweig Rpfleger 81, 489 mAnm Hornung; B/L/H/A/G/Nober § 834 Rz 4), es sei denn, der Gläubiger erfüllt seine Darlegungslast nicht (St/J/Würdinger § 834 Rz 4). Vo...