Gesetzestext
1Mehrere Bevollmächtigte sind berechtigt, sowohl gemeinschaftlich als einzeln die Partei zu vertreten. 2Eine abweichende Bestimmung der Vollmacht hat dem Gegner gegenüber keine rechtliche Wirkung.
A. Regelungszweck.
Rn 1
Auch diese Norm dient den Ziel, Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen und legt die Befugnisse mehrerer Bevollmächtigter im Verhältnis zu Gericht und Gegner in der Weise abschließend und zwingend fest, dass im Außenverhältnis jeder Einzelvollmacht hat. Anders als die StPO begrenzt die ZPO die Zahl der Bevollmächtigten nicht. Die Vorschrift gilt auch im Parteiprozess (München OLGR 06, 655). Nach §§ 112, 113 I FamFG findet die Vorschrift auch in Ehesachen und Familienstreitsachen Anwendung. Für die übrigen Verfahren nach dem FamFG verweist § 11 V FamFG auf § 84.
B. Mehrere Bevollmächtigte.
Rn 2
Ohne Bedeutung ist, ob mehrere Anwälte von Anfang an oder nacheinander bevollmächtigt wurden. Im letzten Fall kann in der Bevollmächtigung des weiteren Anwalts der Widerruf der Bevollmächtigung des ersten zu sehen sein, notwendig ist eine solche Folge aber nicht. Es kommt darauf an, ob darin die Erklärung zu sehen ist, der neue solle anstelle des früheren bestellt werden (BGH FamRZ 04, 865, 866; NJW 07, 3640, 3642; BAG Urt v 18.11.09 – 5 AZR 41/09, Rz 10; BSG NJW 01, 1598; Kobl NJW-RR 97, 1023 [OLG Koblenz 05.06.1996 - 14 W 288/96]). Wenn der neue Prozessbevollmächtigte in einer von ihm eingereichten Berufung ausschließlich sich selbst als Bevollmächtigten aufführt, liegt allein darin noch nicht die konkludente Anzeige des Erlöschens des Mandats des bisherigen (Bremen OLGR 06, 418, 419). Die Norm gilt auch bei der Bevollmächtigung einer Sozietät (§ 59a BRAO), bei der im Zweifel allen Mitgliedern Prozessvollmacht erteilt wird (BGH NJW 71, 1801; 94, 257; 95, 1841; 11, 2301 [BGH 09.12.2010 - IX ZR 44/10]; auch im Falle der überörtlichen Sozietät, Zö/Althammer § 84 Rz 1). Bei nachträglicher Gründung einer Sozietät erstreckt sich die Vollmacht nur dann auf die neuen Mitglieder, wenn sie zumindest stillschweigend auf diese erweitert wird (BGH NJW 88, 1973 [BGH 04.02.1988 - IX ZR 20/87]). Tritt ein neues Mitglied in eine bestehende Sozietät ein, ist dessen Einbeziehung in den Anwaltsvertrag in aller Regel durch Auslegung zu ermitteln (BGH NJW 94, 257 [BGH 05.11.1993 - V ZR 1/93]). Wird jedoch ein Mitglied einer Sozietät als Notanwalt bestellt und beauftragt, sind die anderen Mitglieder nicht bevollmächtigt (BGH NJW 71, 1810; 91, 2294 [BGH 07.05.1991 - XII ZB 18/91]). Bei Anwälten in Bürogemeinschaft (§ 59a III BRAO) ist nur der jeweils Beauftragte Prozessbevollmächtigter. Lässt sich der zur Selbstvertretung befugte Rechtsanwalt (§ 78 IV) durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten, fehlt es am Merkmal ›mehrere Bevollmächtigte‹, weshalb kein Fall des § 84 vorliegt. Macht der Anwalt jedoch auch von dieser Befugnis Gebrauch und tritt neben seinem Bevollmächtigten auf, ist § 84 zumindest entsprechend anwendbar.
C. Wirkungen.
Rn 3
Jeder der Prozessbevollmächtigten hat im Außenverhältnis eine nur nach § 83 beschränkbare (BGH NJW 19, 2397 [BGH 12.03.2019 - VI ZR 277/18] Rz 20; BSG NJW 98, 2078) Einzelvertretungsmacht, selbst wenn in die Vollmachtsurkunde eine Beschränkung aufgenommen wurde, nach der die Anwälte nur gemeinsam handeln dürfen (Zö/Althammer § 84 Rz 1; Musielak/Voit/Weth § 84 Rz 3). Eine solche Beschränkung ist unzulässig (BGH NJW 20, 618 [BGH 24.09.2019 - XI ZR 451/17] Rz 9; BFH Beschl v 31.7.08 – IV B 73/07 Rz 5). Die Erklärung eines jeden Prozessbevollmächtigten bindet grds die anderen und die Partei (BGH NJW 07, 3641; BSG NJW 98, 2078 [BSG 18.11.1997 - 2 RU 45/96]; BVerwG NJW 75, 1795, 1796 [BVerwG 23.01.1975 - BVerwG I WB 47/73]). Das von einem Bevollmächtigten eingelegte Rechtsmittel kann von einem anderen zurückgenommen werden. Dies gilt auch, wenn mehrere Prozessbevollmächtigte Berufung eingelegt haben und einer von ihnen die Berufung zurücknimmt, solange sich aus seiner Erklärung oder den Umständen nicht ergibt, dass er nur das von ihm selbst eingelegte Rechtsmittel zurücknehmen will (BGH NJW 07, 3640, 3642 [BGH 30.05.2007 - XII ZB 82/06]; Hamm, Beschl v 17.9.19 – 9 U 69/19 Rz 1; BAG Urt v 18.11.09 – 5 AZR 41/09 Rz 10). Geben sie einander widersprechende Erklärungen ab, ist zu unterscheiden: Handelt es sich um nicht widerrufliche Prozesshandlungen (zB Geständnis, Anerkenntnis, Verzicht) gilt nur die frühere Erklärung (München OLGR 06, 655; Musielak/Voit/Weth § 84 Rz 4; Zö/Althammer § 84 Rz 1). Kann die Erklärung widerrufen werden, gilt die spätere, wenn sie als Widerruf zu deuten ist (MüKoZPO/Toussaint § 84 Rz 3; Musielak/Voit/Weth § 84 Rz 4; Zö/Althammer § 84 Rz 1). Bei gleichzeitiger Abgabe widersprechender Erklärungen sind die Rechtsfolgen umstr (BAG Urt v 18.11.09 – 5 AZR 41/09, Rz 10; München OLGR 06, 655; ThoPu/Hüßtege § 84 Rz 3: wirkungslos; B/L/H/A/G/Weber § 84 Rz 5: freie Würdigung). Kann auch durch Ausübung des richterlichen Fragerechts (§ 139) keine Klarheit erlangt werden, sind die Erklärungen unbeachtlich (Musielak/Voit/Weth § 84 Rz 4).
Rn...