Rn 4
Die §§ 850 ff bilden das Fundament der sozialen Pfändungsvorschriften für das Erwerbseinkommen. Geldforderungen gegen den ArbG oder den Dienstherrn unterliegen den Pfändungsbeschränkungen der §§ 850–850i. Es gilt hier ein modifiziertes Herkunftsprinzip (Ahrens NJW-Spezial 09, 21, 22). Gepfändet werden können nach § 832 auch künftige Vergütungen. Die Pfändung erfasst auch Einkünfte aus einer anderen Tätigkeit beim selben ArbG oder aus der Neubegründung eines Arbeitsverhältnisses beim selben ArbG binnen einer Frist von neun Monaten, § 833. Die Pfändung erfasst die gesamten Einkünfte des Schuldners und damit seine Bruttobezüge, doch sind die pfändbaren Beträge nach den Nettolohnansprüchen zu bestimmen (BAG NZA 01, 663, 666 [BAG 24.10.2000 - 9 AZR 610/99]; zur Methode § 850e Rn 5). Unberücksichtigt bleiben die vom Schuldner am Ende des Steuerjahres zu leistenden Abschlusszahlungen (BAG DB 80, 835, 837 [BAG 24.10.1979 - 4 AZR 805/77]). Der Pfändungsschutz gilt für Forderungen, nicht für eingenommene Zahlungen, die der Schuldner vom ArbG direkt oder als Kontoauszahlung erhalten hat. Eingenommenes Bargeld wird nach den §§ 808 ff gepfändet. In diesen Fällen muss dem Schuldner nach § 811 I Nr 8 ein Geldbetrag verbleiben, der dem der Pfändung nicht unterworfenen Teil der Einkünfte entspricht. Für eine Kontoüberweisung gelten die §§ 850k, 850l. Bezieht der Schuldner Sach- oder Naturalleistungen, werden diese Ansprüche nach § 846 gepfändet, wofür § 811 I Nr 2–4a gilt. Erhält der Schuldner neben seinem in Geld zahlbaren Einkommen auch Naturalleistungen, ist ihr Wert nach § 850e Nr 3 mit seinen Geldbezügen zusammenzurechnen. Sekundärleistungsansprüche in Geld anstelle gestörter Sach- oder Naturalleistungsansprüche unterliegen den §§ 850 ff (HK-ZV/Meller-Hannich § 850 Rz 8). Um pfändungsgeschützten Arbeitslohn handelt es sich beim Anspruch des Schuldners gegen die Hinterlegungsstelle, wenn der Drittschuldner Arbeitslohn hinterlegt hat (LG Aachen JurBüro 82, 1424).
Rn 5
Über die zivilverfahrensrechtliche Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen hinaus gelten die §§ 850 ff in anderen Fällen, wie bei der Vollziehung des Arrests, §§ 928, 930, nach den §§ 62 II 1, 85 I 3 ArbGG sowie im Verwaltungsvollstreckungsrecht nach den §§ 6 I Nr 1 JBeitrO, 319 AO, 5 VwVG und 167 I 1 VwGO (Wieczorek/Schütze/Lüke § 850 Rz 6) und im Abgabenrecht nach den §§ 319, 324 III AO. Zum Insolvenzverfahren Rn 40 ff. Die Bezüge von Nato-Truppenangehörigen und ihrem zivilen Gefolge sind nur pfändbar, soweit dies nach dem Recht des Entsendestaats möglich ist (St/J/Würdinger § 850 Rz 5).
Rn 6
Einen korrespondierenden sozialrechtlichen Pfändungsschutz schaffen die Pfändungsbeschränkungen für das Erwerbsersatzeinkommen nach § 54 SGB I, wonach laufende Geldleistungen wie Arbeitseinkommen gepfändet werden können, § 54 IV SGB I (BGH NZI 2013, 194). Ansprüche nach § 19 SGB II waren früher wie Arbeitsentgelt pfändbar, auch soweit sie die Bedarfe für Unterkunft und Heizung decken (BGH NZI 13, 194 [BGH 25.10.2012 - VII ZB 31/12] Rz 9 ff). Ansprüche auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach Abschnitt 2 des 3. Kapitels, dh den §§ 19 ff SGB II, sind demgegenüber seit dem 1.8.16 nach § 42 IV 1 SGB II (Gagel/Kallert SGB II/SGB III § 42 SGB II Rz 88) und Ansprüche auf Sozialhilfe einschl der Leistungen nach dem AsylbLG (BSG NZS 18, 288) sind gem § 17 I 2 SGB XII unpfändbar (zur Anrechnung nach § 850d BGHZ 224, 218). Der damit auch geregelte sozialrechtliche Vollstreckungsschirm für Altersrenten hat wiederum zurückgestrahlt auf den Pfändungsschutz für private Altersrenten und privates Altersvorsorgevermögen gem §§ 851c, 851d.