Rn 25
Ihren besonderen Charakter erhält die Entscheidung des Vollstreckungsgerichts durch die in Abs 2 vorgeschriebene Billigkeitsprüfung. Danach muss die Pfändung nach den Umständen des Falls, insb nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge der Billigkeit entspr. Erforderlich ist eine umfassende und nachvollziehbare Gesamtwürdigung aller hierfür in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls (BGH NJW 04, 2450, 2451 [BGH 19.03.2004 - IXa ZB 57/03]; NJW-RR 05, 869, 870 [BGH 05.04.2005 - VII ZB 15/05]). Ein abschließender Katalog besteht nicht. Im Einzelnen sind neben der Höhe der Bezüge, insb der Höhe des dem Schuldner im Fall der Pfändung verbleibenden Betrags, va Art und Umstände der Entstehung der beizutreibenden Forderung von Bedeutung (LG Hamburg ZInsO 17, 2066, verweigerte Auskunft des Schuldners). Hat eine Rente Lohnersatzfunktion, ist die Pfändbarkeit an den Pfändungsfreibeträgen aus § 850c zu orientieren (BGH NJW-RR 10, 474 Rz 14; Ddorf BeckRS 11, 16503). Bei einer Rente wegen Verletzung des Körpers oder der Gesundheit können von ihm dargelegte erhöhte Bedürfnisse in Rechnung gestellt werden (BGH NJW-RR 10, 474 [BGH 03.12.2009 - IX ZR 189/08] Rz 14). Da die Pfändung nur dann zulässig ist, wenn sie der Billigkeit entspricht, müssen die für eine Pfändung sprechenden Gründe überwiegen. Das normale Vollstreckungsinteresse genügt für die Ausnahmepfändung noch nicht (Schlesw Rpfleger 02, 87 [OLG Schleswig 20.08.2001 - 16 W 130/01], verlangt zudem eine restriktive Auslegung).
Rn 26
Für eine Pfändung spricht eine Vollstreckung zur Beitreibung privilegierter Ansprüche iSd §§ 850d, 850f II (BGH NJW-RR 08, 412 Rz 21; Hamm ZVI 02, 195, 196; Schlesw Rpfleger 02, 87; Zö/Herget § 850b Rz 19). Berücksichtigt werden kann, ob es sich um den Vollstreckungsschutz aus Abs 1 entspr Anlassforderungen handelt. Je nach Sachlage können ferner von Bedeutung sein eine besondere Notlage des Gläubigers, die wirtschaftliche Situation und der Lebensstil des Schuldners, das Verhalten der Beteiligten bei der Entstehung oder der Beitreibung der Forderung. Zu berücksichtigen ist außerdem, ob der Schuldner eine ihm mögliche Erwerbstätigkeit unterlässt. Für eine Billigkeit spricht, wenn die Bezüge gerade aus dem Anlass gewährt werden, aus dem der Gläubiger die Vollstreckung betreibt (vgl LG Berlin MDR 77, 147 [LG Berlin 03.06.1976 - 81 T 208/76]). Auch die Höhe der zu vollstreckenden Forderung und die voraussichtliche Dauer der Pfändung können auf beiden Seiten in die Bewertung einfließen (BGH NJW 04, 2450, 2452 [BGH 19.03.2004 - IXa ZB 57/03]). Gegen eine Pfändung kann sprechen, wenn der Schuldner dadurch sozialhilfebedürftig wird (BGH NJW-RR 08, 412 [BGH 12.12.2007 - VII ZB 47/07] Rz 21; Celle MDR 99, 1087, 1088) oder die Pfändung im Verhältnis zu den Lasten nur geringen Nutzen bringt (LG Mainz VersR 72, 142, 143 [LG Mainz 05.11.1971 - 8 T 177/71]). Zu beachten sind auch mögliche Belastungen, die für die Ehe des Schuldners aufgrund der Pfändung entstehen könnten.
Rn 27
Die Darlegungs- und Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Billigkeit ergibt, trägt der Gläubiger (BGH NJW 04, 2450, 2452 [BGH 19.03.2004 - IXa ZB 57/03]; München NJW-RR 88, 894 [OLG München 14.03.1988 - 3 W 877/88]). Es dürfen zwar keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden, weil der Gläubiger die Verhältnisse des Schuldners nur zT kennt. Um dem Schutzzweck von § 850b zu genügen, dürfen sie aber auch nicht zu gering sein (Brox/Walker Rz 560; LG Hamburg ZInsO 17, 2066).