Gesetzestext
(1) Unpfändbar sind ferner
1. |
Renten, die wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten sind; |
2. |
Unterhaltsrenten, die auf gesetzlicher Vorschrift beruhen, sowie die wegen Entziehung einer solchen Forderung zu entrichtenden Renten; |
3. |
fortlaufende Einkünfte, die ein Schuldner aus Stiftungen oder sonst auf Grund der Fürsorge und Freigebigkeit eines Dritten oder auf Grund eines Altenteils oder Auszugsvertrags bezieht; |
4. |
Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs- und Krankenkassen, die ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden, ferner Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, wenn die Versicherungssumme 3.579 Euro nicht übersteigt. |
(2) Diese Bezüge können nach den für Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften gepfändet werden, wenn die Vollstreckung in das sonstige bewegliche Vermögen des Schuldners zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers nicht geführt hat oder voraussichtlich nicht führen wird und wenn nach den Umständen des Falles, insbesondere nach der Art des beizutreibenden Anspruchs und der Höhe der Bezüge, die Pfändung der Billigkeit entspricht.
(3) Das Vollstreckungsgericht soll vor seiner Entscheidung die Beteiligten hören.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 850b dient mehrstufigen Regelungszwecken. Bezüge iSd § 850b I sind kein Arbeitseinkommen, weil sie nicht auf einer Verwertung der Arbeitskraft beruhen. Sie werden aber als Renten oder rentenähnliche Bezüge wie Arbeitseinkommen behandelt, weil sie dem Lebensunterhalt des Schuldners zu dienen bestimmt sind (BGH NJW-RR 05, 869, 870 [BGH 05.04.2005 - VII ZB 15/05]). Abs 1 schränkt deswegen die Vollstreckungsmöglichkeiten des Gläubigers ein. Über den Katalog der absolut unpfändbaren Einkünfte aus § 850a hinaus führt die Vorschrift weitere grds unpfändbare Einkünfte auf (Keip S 63). Da die genannten Bezüge in gleicher Weise der Existenzsicherung des Schuldners dienen, wie das Arbeitseinkommen, soll ihr Pfändungsschutz die Existenzgrundlage des Schuldners bewahren (BGHZ 70, 206, 211; BGH NZI 10, 141 Rz 13).
Rn 2
Ziel der Vollstreckungsbeschränkungen ist aber auch ein angemessener Interessenausgleich zwischen Schuldner und Gläubiger (BGH NZI 10, 141 [BGH 03.12.2009 - IX ZR 189/08] Rz 13). Abs 2 erklärt deswegen die Einkünfte für bedingt pfändbar. Auf Antrag des Gläubigers kann unter den Voraussetzungen des Abs 2 in die betreffenden Bezüge vollstreckt werden. Falls die Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat, kann das Vollstreckungsgericht aufgrund einer Billigkeitsentscheidung die Einkünfte nach den für das Arbeitseinkommen geltenden Vorschriften pfänden. Es gelten danach die Pfändungsgrenzen aus § 850c.
B. Persönlicher Anwendungsbereich.
Rn 3
Da die Bezüge kein Arbeitseinkommen darstellen, werden nicht nur die Einkünfte von ArbN und Beamten geschützt. Erfasst werden die Bezüge aller natürlichen Personen, also auch von Selbständigen (BGH ZIP 10, 1656 Rz 42 ff; Dietzel VIA 10, 76) oder von nicht erwerbstätigen Personen.
C. Bedingt pfändbare Bezüge.
I. Renten wegen Körper- oder Gesundheitsverletzung (Nr 1).
Rn 4
Die Renten können aus einer gesetzlichen Grundlage resultieren, etwa den §§ 618 III, 843 BGB sowie §§ 30 AtG, 8 HaftpflG, 62 III HGB (RGZ 87, 82, 85) und 13 StVG. Zu den Renten nach § 844 BGB vgl Rn 13. Auf vertraglicher Grundlage geleistete Unfall- und Invaliditätsrenten unterliegen ebenfalls dem Pfändungsschutz (BGHZ 70, 206, 208). Ansprüche auf Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung werden ebenfalls erfasst (BGH NJW 10, 374 [BGH 18.11.2009 - IV ZR 39/08] Rz 16, 31; NZI 10, 141 [BGH 03.12.2009 - IX ZR 189/08] Rz 8 mAnm Asmuß; 10, 777 Rz 41; BGH NZI 18, 705 [BGH 25.01.2018 - IX ZR 104/17] Rz 20; Jena r+s 01, 477; Karlsr OLGR 02, 114; Dietzel VIA 09, 6). Die Regelung konkurriert insoweit mit § 850 III lit b) (§ 850 Rn 32) und § 851c (Marwyk InsbürO 17, 401, 402). Sie begründet deswegen für Selbständige und nicht Erwerbstätige einen originären Schutz (LG Frankfurt ZInsO 20, 1495; Buchholz Personenversicherungen in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, 2016, 68 ff). Bei ArbN und Beamten ermöglicht sie eine Billigkeitsentscheidung (Ahrens NJW-Spezial 10, 597). Da Berufsunfähigkeitsversicherungen typischerweise im Fall der Krankheit, der Körperverletzung oder des Kräfteverfalls eintreten, entspr ihre Leistungsvoraussetzungen nicht uneingeschränkt den Anforderungen der Pfändungsschutzregelung. Dennoch hat die höchstrichterliche Rspr bislang – soweit ersichtlich – nicht nach dem Grund für die Leistung der Berufsunfähigkeitsversicherung differenziert (BGH NZI 10, 141 Rz 8; ZIP 10, 1656 Rz 42 ff; Ahrens NJW-Spezial, 10, 597). Eine durch das Arbeitsverhältnis bedingte, aufgrund einer Stiftungsvereinbarung gezahlte Invalidenpension ist in Nr 1 einbezogen (LG Mainz ZVI 03, 174f). Auch testamentarische Zuwendungen mit entspr Zwecksetzung sind geschützt (St/J/Würdinger § 850b Rz 7). Ansprüche auf Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung sollen deswegen...