Rn 37
Bei der Zwangsvollstreckung wegen einer Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers den pfändbaren Betrag unabhängig von den Beschränkungen des § 850c bestimmen. Dem Schuldner ist jedoch der eigene und der zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten notwendige Unterhalt zu belassen. Der Rechtsbegriff der Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen, der den Kreis der begünstigten Ansprüche absteckt, wird auch in den §§ 273 II, 393, 1000 S 2 BGB, 302 Nr 1 InsO verwendet. Die §§ 37b Abs 5, 37c Abs 5 WpHG behandeln zudem Ansprüche aus vorsätzlichen unerlaubten Handlungen. Diese Normen bevorzugen die Gläubiger derartiger Forderungen. Eine gleichermaßen funktional wie systematisch indizierte Parallele bietet § 302 Nr 1 InsO. Schutzzweck von § 302 Nr 1 InsO ist das vom besonderen Unrechtsgehalt der Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen getragene Ausgleichsinteresse (BGH NZI 07, 532 [BGH 21.06.2007 - IX ZR 29/06] Rz 9). Diesem Interesse dient auch § 850f II.
Rn 38
Demgegenüber wird § 393 BGB von einer anderen Teleologie geprägt. Die Vorschrift soll verhindern, dass der Gläubiger einer nicht beitreibbaren Forderung dem Schuldner bis zur Höhe der Schuld Schaden zufügt. Zugleich soll sie dem Ersatzberechtigten die Möglichkeit bewahren, seine Ansprüche durchzusetzen, ohne sich einen Erfüllungsersatz aufdrängen zu lassen (Staudinger/Gursky BGB § 393 Rz 1). Nicht übertragen werden kann deswegen die zu § 393 BGB vertretene Ansicht, die den Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf Ansprüche erstreckt, die mit einer unerlaubten Handlung eng zusammenhängen (MüKoBGB/Schlüter § 393 Rz 3, der sich aber weitgehend auf eine schadensrechtliche Wertung beschränkt). § 319 AO verweist für die Pfändung von Geldforderungen auf die §§ 850 bis 852 ZPO und damit auch auf § 850f II. Auf diese abgabenrechtliche Vorschrift verweisen § 5 I VwVG und die Vollstreckungsregeln der meisten Länder. Sonderregeln enthalten § 48 I 2 VwVG NRW und § 55 I 2 VwVG Rheinland-Pfalz. Die Vollstreckung wegen eines Zwangsgelds, Bußgelds, Ordnungsgelds oder einer Nutzungsentschädigung wegen Obdachlosigkeit kann ohne Rücksicht auf die in § 850c vorgesehenen Beschränkungen erfolgen. Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, wie er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf. Tatbestandlich sind die Regeln stark erweitert, doch stimmen die Rechtsfolgen wörtlich mit § 850f II überein.