Rn 44

Der Kreis der privilegierten Forderungen ist danach zu bestimmen, welche Rechtsfolgen im materiellen Schadensrecht an die begangene unerlaubte Handlung geknüpft werden. Der Gläubiger muss seine Forderung gerade aus dem Recht der unerlaubten Handlungen herleiten können (BGH ZInsO 11, 1608 Rz 7, 13, zu § 302 Nr 1 InsO). Mit dieser Festlegung kann eine einheitliche Reichweite des Tatbestandsmerkmals bei sämtlichen Privilegierungsvorschriften erreicht werden. Zur erweiterten Vollstreckung berechtigen die Schadensersatzansprüche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen einschl der Schmerzensgeldansprüche. Bei einem Eingehungsbetrug über eine marktgängige Ware wird der marktübliche Preis als Schaden vermutet (BGH NJW 12, 601 Rz 11). Privilegiert sind auch die Forderungen auf Erstattung von Folgeschäden, wie bspw die Kosten einer privatrechtlichen Rechtsverfolgung. Eine Privatperson erhält jedoch keinen Erstattungsanspruch für den Zeitaufwand, den sie benötigt, um die Forderung geltend zu machen (BGHZ 66, 112, 114 ff). Anwaltskosten sind bei der außergerichtlichen Anspruchsverfolgung nur zu erstatten, soweit die Einschaltung eines Anwalts erforderlich war (Karlsruhe NJW-RR 90, 929). Zwangsvollstreckungskosten teilen das Schicksal der Hauptforderung (Stöber/Rellermeyer Rz C.457).

 

Rn 45

Prozessuale Kostenerstattungsansprüche sind nicht vom Verschulden, sondern nur von verfahrensrechtlichen Tatbeständen abhängig. Wenn sie zugleich aus materiellem Recht begründet sind, unterfallen sie nach Ansicht des BGH ebenso wie die Kosten der Zwangsvollstreckung dem Vollstreckungsprivileg (BGHZ 195, 224 Rz 9; BGH NJW-RR 11, 791 Rz 14; ZInsO 11, 1608 Rz 16 f, zu § 302 Nr 1 InsO). Auch Ansprüche auf Erstattung von Verzugszinsen sind danach privilegiert (BGH NJW-RR 11, 791 Rz 14; s.a. BGH ZInsO 11, 102 Rz 16, zu § 302 Nr 1 InsO). Strafprozessuale Ansprüche auf Entrichtung der dem Schuldner auferlegten Gerichtskosten zählen dagegen nicht zu den Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung. Sie stellen keine Kompensation für begangenes Unrecht, sondern öffentliche Abgaben dar, die nach dem Veranlassungsprinzip auferlegt werden (BGH NZI 11, 64 Rz 9; mAnm Ahrens LMK 11, 17; ZInsO 11, 1608 Rz 12). Dies gilt auch für die Kosten des Nebenklägers (BGH ZInsO 11, 1608 Rz 14, zu § 302 Nr 1 InsO).

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