Gesetzestext
1Ändern sich die Voraussetzungen für die Bemessung des unpfändbaren Teils des Arbeitseinkommens, so hat das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Schuldners oder des Gläubigers den Pfändungsbeschluss entsprechend zu ändern. 2Antragsberechtigt ist auch ein Dritter, dem der Schuldner kraft Gesetzes Unterhalt zu gewähren hat. 3Der Drittschuldner kann nach dem Inhalt des früheren Pfändungsbeschlusses mit befreiender Wirkung leisten, bis ihm der Änderungsbeschluss zugestellt wird.
A. Normzweck.
Rn 1
§ 850g soll die Balance zwischen Verfahrenseffizienz und -gerechtigkeit der Einkommenspfändung wahren. Im Interesse eines effektiven Vollstreckungsverfahrens schafft § 832 einen kontinuierlichen Zugriff und erstreckt das Pfandrecht auf die nach der Pfändung fällig werdenden Bezüge. Als verfahrensbezogene Kompensationsnorm eröffnet § 850g einen Weg, um die Einkommenspfändung an veränderte tatsächliche Umstände und damit geänderte Bemessungsvoraussetzungen anzupassen. Darin ist ein entfernter Anklang an die Abänderungsklage aus § 323 zu vernehmen, die freilich etwa bei den wesentlich veränderten Verhältnissen und der Präklusionsregel aus § 323 II deutlich strengere Voraussetzungen aufweist.
Rn 2
Vor allem aber bleibt der dogmatische Unterschied zwischen der prozessualen Gestaltungsklage des § 323, die der Rechtskraftdurchbrechung dient, und dem Änderungsverfahren nach § 850g, in dem kein neues Vollstreckungsverfahren eingeleitet, sondern das alte Verfahren fortgesetzt wird (BGH Rpfleger 90, 308 [LG Aurich 16.01.1990 - 3 T 262/89]). § 850g ermöglicht es dem Gericht, die nach § 318 bestehende innerprozessuale Bindung an seine Entscheidungen jenseits von § 572 I zu überwinden (BGHZ 161, 73, 76).
B. Anwendungsbereich.
Rn 3
Obwohl § 850g eine prinzipielle Aufgabenstellung beizumessen ist, besitzt die Norm nur eine geringe Bedeutung, denn ihre Reichweite ist in mehrfacher Hinsicht limitiert. Unnötig ist die Regelung bei einem Blankettbeschluss, in dessen Rahmen der Drittschuldner von sich aus veränderte Verhältnisse insb durch steigendes oder sinkendes Einkommen des Schuldners berücksichtigen muss (Musielak/Voit/Flockenhaus § 850g Rz 2). Wird dennoch eine gerichtliche Entscheidung begehrt, handelt es sich regelmäßig um einen zulässigen klarstellenden Beschl (vgl BGH NZI 08, 384, 386 [BGH 21.02.2008 - IX ZR 202/06]). Die Verantwortung des Drittschuldners erstreckt sich ebenso darauf, eine veränderte Einkommenshöhe und neue Tabellensätze, wie die für die Bemessung des Nettoeinkommens und der Freibeträge maßgebenden Umstände, zu berücksichtigen. Vorrangig sind außerdem Erstanträge nach den §§ 850b II, 850c IV, 850d, 850e Nr 2, 2a, 3, 850f, 850i, 850k.
Rn 4
Grds anwendbar ist § 850g, falls das Vollstreckungsgericht den pfändbaren Betrag oder einzelne Voraussetzungen für dessen Bestimmung konkret festgelegt hat. Zu denken ist zunächst an die Fälle, in denen das Gericht von einem Blankettbeschluss abgesehen und den unpfändbaren Betrag bestimmt hat. Ein Änderungsverfahren kommt auch in Betracht, wenn das Vollstreckungsgericht durch einen klarstellenden Beschl (vgl § 850c Rn 26) über Einzelfragen der Pfändung entschieden hat. Im Mittelpunkt stehen freilich die Konstellationen, in denen das Gericht auf Antrag über Einzelfragen des Vollstreckungszugriffs entschieden hat. Erfasst werden außerdem Änderungsbegehren zu Beschlüssen, die nach den §§ 850b II, 850c IV, 850d, 850e Nr 2, 2a, 3, 850f, 850i, 850k IV, V ergangen sind. Insoweit ist der Drittschuldner gehindert, veränderte Umstände zu beachten.
Rn 5
In seinem Anwendungsbereich steht § 850g in einer doppelten Konkurrenz. Soweit in dem Vollstreckungsverfahren ein Rechtsbehelf zulässig ist, sei es als befristete sofortige Beschwerde nach den §§ 793, 567 ff, bzw § 11 I RPflG iVm §§ 793, 567 ff, sei es als nicht befristete Erinnerung gem § 766, ist das Rechtsbehelfsverfahren vorrangig. Kann der Schuldner bei einer Pfändung nach den §§ 850c, 850d, 850f II, 850i, 850k eine Heraufsetzung der unpfändbaren Beträge gem § 850f I verlangen, verdrängt auch diese Regelung als Spezialgesetz § 850g.
C. Veränderte Umstände.
Rn 6
Berücksichtigt werden dürfen die nachträglich, also nach Erlass des Pfändungsbeschlusses oder der Rechtsbehelfsentscheidung veränderten Verhältnisse. Dies gilt auch bei veränderten Pfändungsfreibeträgen. Zu denken ist etwa an die nachträglich mit der Jahressteuer zu versteuernden Renten. Unveränderte Faktoren dürfen dagegen im Abänderungsverfahren nicht anders als im Ausgangsverfahren beurteilt werden. Dies gilt auch bei irrig angenommenen Verhältnissen (LG Hannover JurBüro 86, 622), doch kommt dann ein Rechtsbehelfsverfahren in Betracht. Umstände, die nicht Gegenstand des Pfändungsbeschlusses bzw der Rechtsbehelfsentscheidung waren, damals aber schon vorlagen, können im Abänderungsverfahren berücksichtigt werden. § 850g S 1 kennt keine § 323 II vergleichbare Präklusion von Einwendungen (BGH NJW-RR 05, 222, 223 [BGH 05.11.2004 - IXa ZB 57/04]). Es ist kein Mindestmaß der veränderten Umstände angeordnet. Der Abänderungsantrag ist selbst dann be...