Rn 11
Der sachliche Anwendungsbereich der ersten Alternative erfasst das Einkommen des Schuldners, welches dieser durch den Einsatz seiner Arbeitskraft erzielt. Die Regelung schützt den Schuldner bei nicht wiederkehrend zahlbaren Vergütungen für persönlich geleistete Arbeiten oder Dienste. Diese Formulierung entspricht der bisherigen Regelung in § 850 I 1 aF. Einbezogen werden die nicht kontinuierlich gezahlten Einkünfte von ArbN und Selbständigen. Auseinandersetzungen darüber, welche Vergütungen unter den Tatbestand dieser Regelung fallen, werden künftig an Bedeutung verlieren, da sie jedenfalls von § 850 I 1 Alt 2 erfasst werden. Auch dadurch wird sich langfristig der Anwendungsschwerpunkt auf die zweite Alternative verlagern.
Rn 12
Trotz des übereinstimmenden Gesetzeswortlauts wird es ggü der alten Regelung zu manchen Verschiebungen im Normgefüge kommen. Mit dem neuen Doppeltatbestand in § 850i I 1 wird ein Vollstreckungsschutz für sämtliche Arten von Einkünften eingeführt, die keinem besonders geregelten Pfändungsschutz unterliegen. Dieser Aufgabenbestimmung ist auch durch eine erweiterte Interpretation von § 850i I 1 Alt 1 Rechnung zu tragen. Um einen vollständigen Schutz zu erreichen, ohne den Vollstreckungsschutz für die sonstigen Einkünfte systematisch unpassend anwenden zu müssen, ist der Gegenstandsbereich der nicht wiederkehrenden Vergütungen für persönliche Arbeiten oder Dienste zu erweitern (Ahrens ZInsO 10, 2357, 2359). Während früher die Tätigkeit einen nicht unerheblichen Teil der Arbeitskraft in Anspruch nehmen musste (so BGH NJW-RR 04, 644 [BGH 12.12.2003 - IXa ZB 165/03] zu § 850i I aF; zur früheren Rechtslage MüKoZPO/Smid § 850i Rz 9; PG/Ahrens 2. Aufl, § 850i Rz 4), wird von der Neuregelung jegliche nicht wiederkehrend zahlbare Vergütung für persönliche Arbeiten und Dienste erfasst. Da die sonstigen Einkünfte im Rahmen der Auffangregelung der Alt 2 weit zu verstehen sind (Rn 19), müssten sie die Einkünfte aus geringfügigen Tätigkeiten umfassen. Dann ist es aber systematisch angezeigt, sie unter Alt 1 zu fassen. Dies schließt nunmehr auch geringfügige Tätigkeiten ein, die nur unwesentliche Teile zur Sicherung der Lebensgrundlagen beitragen. Im Unterschied zu früher (dazu BGH 10.7.08 – IX ZB 116/07 nv) besteht jetzt auch Pfändungsschutz bei einer nicht wiederkehrenden Vergütung für Dienste, die der vollbeschäftigte Schuldner in seiner Freizeit erbringt.
Rn 13
Arbeitseinkommen aus nicht selbständiger Erwerbstätigkeit können wiederkehrend oder einmalig geleistet werden. Bei der Pfändung laufender Einkünfte muss der Vollstreckungsschutz nach § 850c automatisch gewährt werden. Für nicht wiederkehrende Arbeitseinkommen begründet § 850i I den – nur auf Antrag zu gewährenden – Pfändungsschutz. Bei ArbN betrifft dies die Ansprüche auf einmalig oder nur fallweise gezahltes Arbeitseinkommen einschl der einmaligen Nebentätigkeit. Für den kontinuierlich ausgeübten Nebenjob auf Arbeitsvertragsbasis gelten dagegen die §§ 850c, 850e Nr 2. Zur selbständigen Nebentätigkeit des ArbN Rn 15.
Rn 14
Geschützt wird auch das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit. Unerheblich ist die Rechtsgrundlage der Tätigkeit in einem Arbeits-, Dienst-, Werk- oder Geschäftsbesorgungsvertrag (BGH NJW-RR 04, 644, 645 [BGH 12.12.2003 - IXa ZB 165/03]). Erfasst wird aber auch der gemischte Kaufvertrag. Einkommensteuererstattungsansprüche werden nicht erfasst (Gottwald/Mock § 850i Rz 7; Mock Forderungsvollstreckung, § 6 Rz 586).
Rn 15
Möglich ist auch eine Kombination selbständiger und nicht selbständiger Tätigkeit. Infolge der gewandelten Normalarbeitsbeziehung erwirtschaften ArbN häufig neben ihrer Grundsicherung aus einem Arbeitsverhältnis Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, die von § 850i geschützt sind. Dies betrifft etwa angestellte Krankenhausärzte, die eine Privatpraxis betreiben oder niedergelassene Ärzte, denen neben den Zahlungsansprüchen der Kassen (Zahn)ärztlichen Vereinigung (für die Pfändungsschutz nach den §§ 850 ff bestehen kann, BGHZ 96, 324, 327f) Honoraransprüche gegen Privatpatienten zustehen (Zö/Herget § 850i Rz 1). Ebenso eingeschlossen sind die Ansprüche eines ArbN, der neben seinem Arbeitsverhältnis als Versicherungsvertreter tätig ist oder ein Nagelstudio betreibt. Ob die Leistung neben einer Vollzeittätigkeit in der Freizeit erbracht wird, ist unerheblich.
Rn 16
Bei gewerblichen Tätigkeiten ist zu differenzieren. Soweit die persönliche Leistung des Schuldners die Ausnutzung sächlicher Betriebsmittel überwiegt, ist die erste Regelungsalternative anwendbar, sonst die zweite Alternative. Die Abgrenzung wird zumeist nur noch theoretische Bedeutung besitzen, denn es besteht keine Schutzlücke mehr. Dies ist jedoch keine Frage des persönlichen, sondern des sachlichen Anwendungsbereichs.