Rn 74
Während das Kreditinstitut den unpfändbaren Grundfreibetrag nach den §§ 850k I 1, 850c I 1 automatisch berücksichtigen muss, gilt dies nicht für die Aufstockungsbeträge. Hierfür ist ein zumindest konkludent gestelltes Verlangen des Schuldners bzw ein entspr Antrag erforderlich (Ahrens NJW 10, 2001, 2004). Gesetzlich ist ein solches Begehren nicht ausdrücklich vorgeschrieben, doch resultiert es mittelbar aus der dem Schuldner obliegenden Nachweislast. Im Aufstockungsverfahren beim Kreditinstitut muss und darf der Gläubiger schon wegen des Eilbedarfs nicht angehört werden. Seine Anhörung kann im gerichtlichen Entscheidungsverfahren erfolgen. Dieses Begehren kann zugleich mit dem Umwandlungsverlangen geäußert werden.
Rn 75
Weil das kontoführende Kreditinstitut von den für die Erhöhung maßgeblichen Umständen regelmäßig keine Kenntnis besitzt, muss es die nach § 850k II pfandfreien Beträge gem § 850k V 2 nur insoweit an den Schuldner auszahlen, als dieser durch eine Bescheinigung des ArbG, der Familienkasse, des Sozialleistungsträgers oder einer geeigneten Person oder Stelle iSv § 305 I Nr 1 InsO nachweist, dass das Guthaben nicht von der Pfändung erfasst ist (BGH NJW-RR 13, 766 Rz 7). Der ZKA und die AG SBV haben dafür ein Muster entwickelt (ZVI 10, 120). Es dürfen jedoch nicht nur diese Formulare beachtet und andere Nachweise pauschal zurückgewiesen werden, solange die sonstigen Verfahrensanforderungen erfüllt sind (LG Essen ZVI 11, 64, 65; Nolte/Schumacher ZVI 11, 45, 52). Die Bezeichnung als Bescheinigung weist aus, dass die Erklärung lediglich zur dauerhaften Wiedergabe geeignet sein muss. Sie kann also ebenso schriftlich, in elektronischer Form oder Textform erfolgen. Damit wird dem Schuldner eine Nachweislast ggü dem Kreditinstitut auferlegt. Zugleich werden die Nachweismittel beschränkt. Familienkasse ist die für das Kindergeld zuständige Stelle (Wieczorek/Schütze/Lüke § 850k Rz 20).
Rn 76
Nicht ganz einfach ist freilich die Verweisung auf eine geeignete Person oder Stelle iSv § 305 I Nr 1 InsO zu handhaben, weil die Länder bestimmen können, welche Personen oder Stellen geeignet sind. Geeignet sind danach va die Angehörigen der rechtsberatenden Berufe, wie Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und die Schuldnerberatungsstellen der Wohlfahrtsverbände, Verbraucherzentralen und Kommunen (AGR/Henning § 305 Rz 26 ff). Auch Insolvenzverwalter und Treuhänder sind geeignete Personen, sei es als Rechtsanwälte, sei es aufgrund ihrer amtlichen Stellung (Ahrens NJW-Spezial 17, 341, 342; HK-InsO/Keller 8. Aufl, § 36 Rz 94; aA SBL/Bitter § 33 Rz 34e; Stritz InsbürO 12, 207, 212). Aus der Amtsstellung als solcher folgt zwar noch keine Verpflichtung, eine Bescheinigung auszustellen. Der Insolvenzverwalter ist aber auch ggü dem Schuldner verpflichtet, etwa zur steuerlichen Buchführungspflicht (MüKoInsO/Graeber § 58 Rz 31). Wohl nur ausnahmsweise werden sich die Anforderungen zu einer Verpflichtung des Verwalters verdichtet haben, eine Bescheinigung ausstellen zu müssen (Ahrens NJW-Spezial 17, 341). Gewerbliche Anbieter sind regelmäßig ungeeignet.
Rn 77
Ein Anspruch auf Ausstellung der Bescheinigung ist nach dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis zu beurteilen. Eine vertragliche Nebenpflicht des Arbeitgebers zur Ausstellung der Bescheinigung existiert regelmäßig nicht. Auch gegen die geeignete Stelle besteht grds kein Anspruch. Im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss kann eine Anordnung auf Herausgabe der Bescheinigung gegen den Schuldner erfolgen, wobei eine Kopie genügt (BGH NJW-RR 13, 766 [BGH 21.02.2013 - VII ZB 59/10] Rz 9f). Es können nur das Auskunfts- und Herausgabeverfahren nach § 836 III 1 und 3 eingeleitet (BTDrs 16/7615, 18) oder eine gerichtliche Entscheidung nach Abs 4 beantragt werden. Wegen der Beweisfunktion der Bescheinigung sind erhebliche Anforderungen an eine sorgfältige Erstellung zu richten. Eine fehlerhafte Bescheinigung kann vertragliche und ggf auch andere Ersatzansprüche begründen.
Rn 78
Geschaffen ist ein formalisiertes Nachweisverfahren, das den Entscheidungsprozess im Kreditinstitut erleichtert. Ziel ist eine schnelle und für alle Beteiligten verlässliche Klärung. Legt der Schuldner die Bescheinigung einer gelisteten Person oder Stelle vor, kommt ihr ein besonderer Nachweiswert zu. Allerdings muss sich dazu die Bescheinigung auf den jeweiligen Tätigkeitsbereich beziehen (St/J/Würdinger § 850k Rz 24). Ein Sozialleistungsträger kann Unterhaltspflichten attestieren (AG Bremen ZVI 10, 353). Ein ArbG kann wohl etwas über Unterhaltsberechtigte, nicht aber über Sozialleistungen bescheinigen. Rechtsanwälte und Notare sind aufgrund ihrer beruflichen Stellung umfassend zur Ausstellung dieser Bescheinigungen geeignet. Eine Unterhaltsgewährung nach Abs 2 Nr 1 lit a) ist freilich nur mit Schwierigkeiten nachzuweisen. Wenn diese Fallgruppe nicht vollkommen entwertet werden soll, muss es genügen, dass der Schuldner die Unterhaltsverpflichtung nachweist, die für eine Unterhaltsgewährung spricht. Maßgebend ...