Rn 13
Auf der ersten Stufe muss der Schuldner nachweisen, welche Zahlungseingänge in den vergangenen sechs Monaten erfolgt sind. Nach dem sprachlich-funktionalen Zusammenhang beginnt diese Rückwärtsfrist mit dem Schutzantrag des Schuldners. Die sechs Monate müssen zusammenhängen. Zulässig ist der Antrag bereits unmittelbar nach der Pfändung (Schumacher ZVI 07, 455, 461). Der Schuldner hat es aber in der Hand, über den Zeitpunkt der Antragstellung Einfluss auf die Fristberechnung zu nehmen. Der Schuldner muss die tatsächliche Höhe und ggf die Herkunft der eingegangenen Beträge im maßgebenden Zeitraum darlegen und beweisen. Eine Glaubhaftmachung genügt insoweit nicht. Zugelassen sind alle Beweismittel des Strengbeweises (Wieczorek/Schütze/Lüke § 850l Rz 7). Die eingegangenen Beträge wird der Schuldner in erster Linie durch Kontoauszüge, sonst etwa mit Bankbestätigungen, nachweisen können. Die vorgelegten Kontoauszüge müssen vollständig sein (AG Brühl JurBüro 11, 270), doch kann Höhe des Guthabens auch anders nachgewiesen werden. Unpfändbare Bezüge gem § 850a sind bspw durch die Entgeltabrechnung, Sozialleistungen durch entspr Bescheide zu beweisen. Beantragt der Schuldner entspr § 850f I, ihm einen weiteren Teil der Zahlungseingänge zu belassen, trägt er auch dafür die Darlegungs- und Beweislast. Die Höhe der unpfändbaren Beträge ist vom Vollstreckungsgericht zu berechnen.
Rn 14
In einem zweiten Schritt hat der Schuldner darzulegen und glaubhaft zu machen, welche künftigen Zahlungseingänge er in den kommenden zwölf Monaten zu erwarten hat. An die Prognose sind hohe, nicht aber übertriebene Anforderungen zu stellen (St/J/Würdinger § 850l Rz 8). Bei einem seit zehn Jahren arbeitslosen Schuldner kann regelmäßig nicht erwartet werden, dass er in den nächsten zwölf Monaten eine Beschäftigung findet (aA AG Lichtenberg ZVI 11, 101, 102). Auch bei einer erwerbsunfähigen unterhaltspflichtigen Person mit deutlich unterhalb der Pfändungsgrenze liegenden Einkünften ist regelmäßig keine Änderung zu erwarten (vgl AG Brackenheim ZVI 11, 260). Auch die erwarteten Beträge müssen ganz überwiegend unpfändbar sein (Rn 9).
Rn 15
Die Glaubhaftmachung kann gem § 294 mit allen präsenten Beweismitteln einschl einer eidesstattlichen Versicherung erfolgen. Entscheidend für eine erfolgreiche Glaubhaftmachung ist, wie das Prognoserisiko verteilt wird. Die Gesetzesbegründung verweist dazu auf zwei Konstellationen, in denen durch Berufsunfähigkeit oder längere Arbeitslosigkeit voraussichtlich gleichbleibende Zahlungen zu erwarten sind. Derartige Fallgestaltungen werden allerdings verhältnismäßig selten bleiben. Häufiger sind wechselnde Zahlungsbeträge, etwa aus verschiedenen Transferleistungen oder unterschiedlichen Erwerbseinkommen. Um der Aufgabe gerecht zu werden, den angemessenen Lebensunterhalt des Schuldners zu sichern, wird deswegen ggf § 850l S 1 verfassungskonform zu korrigieren sein. Selbst wenn erst in kürzeren Zeitabschnitten Schwankungen eingetreten sind, etwa der Schuldner seinen Arbeitsplatz verloren hat, darf dies nicht zum Ausschluss des Schutzes führen, sofern längerfristig allein überwiegend unpfändbare Einkünfte zu erwarten sind. Umfassende Pfändungen an der Quelle erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Einzahlungen unverändert bleiben. Soweit der Grad der Wahrscheinlichkeit im Lauf der Zeit sinkt, kann das Gericht dies bei der Dauer der Anordnung berücksichtigen. Mangels Erwerbsobliegenheiten muss der Schuldner keinen Nachweis über vergangene Bewerbungen oder absolvierte Weiterbildungen führen.