Rn 12

Bei der Zweckbindung einer Forderung droht mit der Übertragung eine Inhaltsänderung. Zweckgebundene Forderungen sind unpfändbar, wenn eine Pfändung mit dem zum Rechtsinhalt gehörenden Anspruchszweck unvereinbar wäre (BGH NJW-RR 05, 720), also der mit der Leistung bezweckte Erfolg bei einer Vollstreckung verfehlt wird (BGHZ 25, 211, 214). Für den Anlassgläubiger ist eine Vollstreckung regelmäßig zulässig (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Kessal-Wulf/Lorenz/Els § 851 Rz 5). Entfällt durch eine Zweckerreichung die Zweckbindung, endet auch die Pfändungsbeschränkung (St/J/Würdinger § 851 Rz 24). Für zweckgebundene Mittel der EG gilt das besondere europäische Vollstreckungsregime (EuGH NJW 01, 3109).

 

Rn 13

Eine vertraglich vereinbarte Zweckbindung, mit der ein Verwendungszweck zum Inhalt der zu erbringenden Leistung erhoben wird, schränkt die Pfändbarkeit ein (aA Musielak/Voit/Flockenhaus § 851 Rz 6; St/J/Würdinger § 851 Rz 20). Eine einseitige Zweckbindung genügt dafür jedoch nicht (BGH NJW 98, 746, 747 [BGH 20.11.1997 - IX ZR 152/96]). Bei einer vereinbarten treuhänderischen Zweckbindung, mit der die Zahlung an den ursprünglichen Gläubiger zum Leistungszweck gemacht wird, ist die Forderung unpfändbar (BGH NJW 85, 2263, 2264 [BGH 15.05.1985 - IVb ZR 33/84]; 01, 1937, 1938 [BGH 29.03.2001 - IX ZR 34/00]).

 

Rn 14

In den folgenden Einzelfällen schließt die Zweckbindung eine Pfändung aus: In Baugeldforderungen aus einem zweckgebundenen Darlehensvertrag dürfen allein die Gläubiger von Forderungen für Bauleistungen vollstrecken, wie Bauhandwerker oder Architekten (KG JW 37, 2232; Brox/Walker Rz 522). Ausgezahltes Baugeld, das nicht auf ein Treuhandkonto verbucht wird, ist dagegen pfändbar (BGH ZInsO 13, 1313 Rz 5). Während bei Bausparverträgen der Anspruch auf das Sparguthaben und das Recht zur Kündigung (MüKoZPO/Smid § 851 Rz 14) pfändbar sind, kann das zweckgebundene Bauspardarlehen nicht abgetreten und nicht gepfändet werden (Stuttg BB 56, 1012; Stöber/Rellermeyer Rz A.114). Ist das Baugeld ausgezahlt und nicht auf einem besonderen Treuhandkonto verbucht, dann ist es der Pfändung ausgesetzt (BGH NJW 88, 263, 265 [BGH 13.10.1987 - VI ZR 270/86]). Eine auf Befreiung von einer Verbindlichkeit gerichtete Forderung, etwa aus einer Rechtsschutz- bzw Haftpflichtversicherung oder dem Arbeitsverhältnis, ist grds nicht abtretbar und deswegen unpfändbar (BGH NJW-RR 01, 1490, 1491), es sei denn, sie wird vom Gläubiger jener Verbindlichkeit gepfändet (BGHZ 12, 136, 141). Beihilfeansprüche sind jedenfalls dann unpfändbar, wenn die Titelforderung nicht dem konkreten Beihilfeanspruch zugrunde liegt und dessen Anlassgläubiger noch nicht befriedigt sind (BGH NJW-RR 05, 720, 721). Staatliche Corona-Soforthilfen für Selbständige sind im Rahmen ihrer Zweckbestimmung unpfändbar (BGH NJW 21, 1322; AG Passau JurBüro 20, 330; AG Hagen VuR 20, 278 Ls; Ahrens NZI 20, 495; BFH NJW 20, 2749 mAnm Ahrens; FG Münster ZVI 20, 214; LG Köln NZI 20, 494; BeckOKZPO/Riedel § 851 Rz 10; aA Meier BKR 20, 363). Bereits mehrfach hat der BGH die Unübertragbarkeit und damit Unpfändbarkeit staatlicher Beihilfen zur Existenzsicherung ausgesprochen. Eine frühe Entscheidung betraf eine Soforthilfe zum Existenzaufbau (BGHZ 25, 211, 214). Besonders wichtig ist ein Urteil zur Flutschadenbeihilfe anlässlich der Hamburger Sturmflutkatastrophe. Mit dieser Beihilfe sollten beschädigte Sachen ersetzt und die Existenzgrundlage gesichert werden können, weswegen sie der BGH für unpfändbar erklärt hat (BGH LM ZPO § 549 Nr 81). Sachlich entspricht dies der Situation bei den Corona-Soforthilfen für Selbständige. In Betracht kommt allein eine Pfändung zugunsten von Anlassgläubigern (BGH NJW-RR 05, 720 [BGH 05.11.2004 - IXa ZB 17/04]).

 

Rn 15

Gegen Einlageforderungen kann nach den §§ 54, 65, 66 I 2 AktG aufgerechnet werden, ähnl § 19 II 2 GmbHG. Einlageansprüche der GmbH sind dann abtretbar und pfändbar, wenn der Gesellschaft dafür eine vollwertige Gegenleistung zufließt (BGH NJW 92, 2229 [BGH 15.06.1992 - II ZR 229/91]). Der Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer nach Art 41 EMRK einschl des Kostenerstattungsanspruchs für das Verfahren vor dem EGMR ist grds unpfändbar (BGH NJW 11, 2296 [BGH 24.03.2011 - IX ZR 180/10] Rz 32). Der Entschädigungsanspruch wegen überlanger Verfahrensdauer ist gem § 198 V 3 GVG nach rechtskräftiger Entscheidung übertragbar. Gegenüber einem Entschädigungsanspruch wegen unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens kann mit einer Kostenforderung des Staates aus einem früheren Strafverfahren aufgerechnet werden (BGH NJW 20, 1364 [BGH 07.11.2019 - III ZR 17/19]). Der Anspruch auf eine besondere Zuwendung für Haftopfer aus § 17a I, V StrRehaG ist unpfändbar, die Kapitalentschädigung gem § 17 StrRehaG ist dagegen pfändbar (BGH NJW 12, 393 [BGH 03.11.2011 - IX ZR 45/11] Rz 4 f; OVG Weimar BeckRS 15, 40276). Eine Haftentschädigung wegen menschenunwürdiger Unterbringung ist zwar nicht mit Erstattungsansprüchen für Strafverfolgungskosten aufrech...

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