Rn 36
Abs 2 S 2 regelt die progressiv ausgestaltete Höhe des jährlich ansparbaren, pfändungsgeschützten Vorsorgekapitals. Der Schuldner darf vom 18. bis zum vollendeten 29. Lebensjahr EUR 2.000,–, vom 30. bis zum vollendeten 39. Lebensjahr EUR 4.000,–, vom 40. bis zum vollendeten 47. Lebensjahr EUR 4.500,–, vom 48. bis zum vollendeten 53. Lebensjahr EUR 6.000,–, vom 54. bis zum vollendeten 59. Lebensjahr EUR 8.000,– und vom 60. bis zum vollendeten 67. Lebensjahr EUR 9.000,– jährlich ansammeln. Durch diese Staffelung soll verhindert werden, dass ein junger Schuldner hohe Kapitalbeträge dem Pfändungszugriff seiner Gläubiger entziehen kann, obwohl ihm noch Zeit bleibt, eine ausreichende Altersvorsorge aufzubauen. Diese Summen können allerdings durch die Steigerungsbeträge nach Abs 2 S 3 erhöht werden (Rn 42).
Rn 37
Auf diesen Jahresbetrag kann der Vorsorgende auch monatliche oder vierteljährliche Raten einzahlen, die mit Zahlungseingang bis zur Obergrenze gesichert sind. Für die nächsthöhere Stufe des geschützten Kapitalbetrags ist nicht auf das Kalenderjahr oder die Vertragsdauer, sondern das Lebensalter des Vorsorgenden abzustellen. Hierfür ist eine taggenaue Berechnung erforderlich. Jede andere Abrechnung führt zu wenig überzeugenden Ergebnissen. Wird für den Wechsel in die höhere Kapitalstufe etwa auf den Geburtsmonat abgestellt, müsste zusätzlich zwischen Monatsanfang und -ende entschieden werden. Hat der Schuldner den Versicherungsvertrag erst später geschlossen oder die zulässigen Höchstbeträge nicht vollumfänglich geleistet, kann er durch Nachzahlung der versäumten Annuitäten rückwirkend eine angemessene Altersvorsorge aufbauen. Die Zielsetzung, eine pfändungsgeschützte private Altersvorsorge zu ermöglichen, kollidiert zwar mit dem Schutz der Gläubigerinteressen. Die Gläubigerbefriedigung wird aber bei einer Einmalzahlung nicht stärker als bei einer jährlichen Einzahlung beeinträchtigt, da bei einer summierten Betrachtung der gleiche Vermögenswert in die Altersvorsorge fließt. Den Gläubigern im Vorfeld der Krise entzogene Vermögensbeträge können grds über die Anfechtungsregeln zurückgeholt werden (BTDrs 16/886, 10; Musielak/Voit/Flockenhaus § 851c Rz 4; Buchholz Personenversicherungen in der Insolvenz des Versicherungsnehmers, 2016, 112; aA Wollmann S 206; ders ZInsO 13, 902, 910 f; Flitsch ZVI 07, 161, 162f). Da der Schuldner die Beträge ansammeln darf, ist nicht der Einzahlungsbetrag, sondern die in den ›Rückkaufswert‹, § 169 III VVG (vgl dazu BGH NJW 05, 3559 [BGH 12.10.2005 - IV ZR 162/03]; Beckmann/Matusche-Beckmann/Brömmelmeyer § 42 Rz 158 ff) eingehende Summe maßgebend. Eine Vorauszahlung ist zulässig, aber zunächst nicht pfändungsgeschützt. Leistet der Schuldner einen höheren, als den pfändungsgeschützten Betrag, können die Gläubiger auf die Differenz zugreifen. Erfolgt kein Zugriff, werden die Überzahlungen auf den nächstfolgenden Ansparbetrag angerechnet (Dietzel S. 91). Dadurch kann der Schuldner spätere Minderleistungen kompensieren. Maßgebender Zeitpunkt iSv § 140 InsO ist der Eintritt dieser Wirkungen.
Rn 38
Die starre Bemessung der Jahresbeträge scheint keinen Raum zu lassen, um Unterhaltsberechtigte und Hinterbliebene bei der Berechnung des Vorsorgekapitals zu berücksichtigen. Dies entspricht dem Modell der gesetzlichen Rentenversicherung, deren Beiträge auch nicht von der Zahl der Unterhaltsempfänger abhängen. Allerdings bleibt die zu erwartende Rentenleistung aus einem Deckungskapital von EUR 256.000,– deutlich hinter den möglichen Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung zurück. Zudem soll § 851c II 1 den Aufbau einer angemessenen Altersvorsorge ermöglichen. § 850g ist nicht anwendbar, weil diese Regelung veränderte Pfändungsvoraussetzungen erfordert, nicht aber die Pfändungsvoraussetzungen selbst modifiziert.
Rn 39
Zu denken ist daher an eine analoge Anwendung von § 850f I c (Dietzel S 98; aA Wollmann S 211). Diese Vorschrift verweist zwar nicht auf § 851c. Umgekehrt verweist aber § 851c I auf eine Anwendung der Pfändungsvorschriften für das Arbeitseinkommen und damit auch auf § 850f I. Unmittelbar betrifft diese Regelung zwar nur die laufenden Rentenzahlungen, doch besteht ein entspr Regelungsbedarf auch für das Vorsorgekapital. Um das Existenzminimum im Alter zu sichern und eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen nicht unterhaltsverpflichteten und unterhaltsverpflichteten Schuldnern zu verhindern, ist ein auf den Kapitalstock bezogener Antrag analog § 850f I c zuzulassen, für den schon vor einer konkret bevorstehenden Pfändung ein Rechtsschutzbedürfnis besteht.
Rn 40
Der Beginn der Schutzwirkung ist durch die Einzahlung auf den Vorsorgevertrag bedingt. Eine Vorwirkung für die noch nicht geleisteten Beträge besteht nicht. Während der privaten Ansparphase besteht daher noch keine Schutzwirkung zugunsten der für die Einzahlung erforderlichen Mittel des Schuldners (BGH ZInsO 11, 1153 Rz 7 ff). Für Selbständige kann sich allerdings ein Schutz aus § 850i I 1 ergeben (vg...