Rn 28
Ein Anwartschaftsrecht liegt vor, wenn von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtes schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, dass von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechtes Beteiligte nicht mehr einseitig zu zerstören vermag (BGHZ 49, 197, 201; NJW 82, 1639, 1640; PWW/Prütting § 929 Rz 21). Die Rspr sieht im Anwartschaftsrecht ein wesensgleiches Minus zum Vollrecht (BGH NJW 58, 1133, 1134 [BGH 24.06.1958 - VIII ZR 205/57]; s.a. NJW 84, 1184, 1185 [BGH 02.02.1984 - IX ZR 8/83]). Beim Eigentumsvorbehalt an einer beweglichen Sache entsteht ein Anwartschaftsrecht nach Übergabe und der bedingten Einigung, wonach der Schuldner das Eigentum erst durch vollständige Kaufpreiszahlung erhalten soll. Im Fall der Sicherungsübereignung einer dem Schuldner gehörenden Sache auf einen Dritten wird ein Anwartschaftsrecht durch die Vereinbarung begründet, dass das Eigentum mit Erfüllung der gesicherten Forderung automatisch an den Schuldner zurückfällt.
Rn 29
Das Anwartschaftsrecht auf den Erwerb einer beweglichen Sache verkörpert einen eigenen wirtschaftlichen Wert, der eine Haftungsgrundlage für den Gläubiger bilden kann. Der Theorienstreit um die Form der Vollstreckung ist dabei weitgehend zugunsten der Theorie der Doppelpfändung entschieden. Die Theorie der Rechtspfändung sieht im Anwartschaftsrecht ein anderes Vermögensrecht iSd § 857 I und fordert alleine eine Rechtspfändung (Baur/Stürner/Bruns Rz 32.17). Beim Erstarken zu einem Vollrecht lässt sich damit ein Pfandrecht an der Sache nicht begründen, für das die Inbesitznahme fehlt. Nach der Theorie der Sachpfändung erfolgt die Pfändung des Anwartschaftsrechts durch die Pfändung der Sache. Dem Dritten (Vorbehaltsverkäufer/Sicherungseigentümer) bliebe dann aber die Möglichkeit, unter Berufung auf sein Eigentum, Drittwiderspruchsklage gem § 771 zu erheben.
Rn 30
Diese Schwächen vermeidet die Theorie der Doppelpfändung, die eine Rechtspfändung gem § 857 und ergänzend eine Sachpfändung nach § 808 erfordert (BGH NJW 54, 1325, 1326f [BGH 24.05.1954 - IV ZR 184/53]). Der Rang wird durch die Pfändung des Rechts bestimmt, die Publizität durch die Sachpfändung gewahrt. Danach kann das Anwartschaftsrecht beim Inhaber bereits durch den Pfändungsbeschluss gem den §§ 857 I, 829 beschlagnahmt werden. Die Pfändung wird mit Zustellung an den Drittschuldner wirksam. Wegen der Entscheidung BGHZ 49, 197, 203 ist zweifelhaft, ob doch § 857 II gilt. Vorsorglich wird eine Zustellung auch an den Gläubiger empfohlen (St/J/Würdinger § 857 Rz 85 Fn 334). Damit sich das Pfandrecht an der Sache fortsetzen kann, ist auch deren Pfändung erforderlich (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Lorenz § 857 Rz 16). Die Sachpfändung kann vor, gleichzeitig mit oder nach der Pfändung des Anwartschaftsrechts erfolgen (Gottwald/Mock Rz 19). Aus wirtschaftlichen – nicht rechtlichen – Erwägungen kann nur dann auf eine Sachpfändung verzichtet werden, wenn ein Erstarken des Anwartschaftsrechts zum Vollrecht kaum absehbar erscheint und sich die Vollstreckungskosten nicht rentieren.
Rn 31
Die Pfändung erfolgt durch Beschl. Drittschuldner ist der Vorbehalts- (Rn 19) bzw Sicherungseigentümer. Ist die Sachpfändung gem § 811 unzulässig, darf das Anwartschaftsrecht nicht gepfändet werden (LG Berlin DGVZ 65, 91; Stöber/Rellermeyer Rz E.37; aA Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Lorenz § 857 Rz 19).
Rn 32
Das Pfandrecht an der Sache wird erst im Zeitpunkt des Eigentumserwerbs durch den Schuldner, aber mit dem durch die Pfändung des Rechts kraft Surrogation erworbenen Rang begründet (St/J/Würdinger § 857 Rz 89; aA Stöber/Rellermeyer Rz E.38). Der Rang bestimmt sich dagegen nach der Sachpfändung, falls diese der Pfändung des Anwartschaftsrechts vorausging. Solange der Schuldner seine Verpflichtungen erfüllt, kann der Eigentümer der Sache nicht die Drittwiderspruchsklage nach § 771 erheben. Die bloße Pfändung – anders bei Verwertung – beeinträchtigt seine Rechte nicht, denn er könnte auch ohne Pfändung die Sache nicht herausverlangen. Durch die Pfändung des Anwartschaftsrechts ist der Gläubiger befugt, die restliche Verbindlichkeit des Schuldners zu tilgen und dessen Eigentumserwerb herbeizuführen. Der Schuldner kann nicht nach § 267 II BGB widersprechen, da dies eine durch § 829 I 2 ausgeschlossene Verfügung zum Nachteil des Gläubigers wäre (Schuschke/Walker/Kessen/Thole/Lorenz § 857 Rz 18). Die Verwertung erfolgt nach den §§ 814 ff.