Rn 7
Pfändbar sind nur selbständige Vermögensrechte. Erfasst werden etwa Ansprüche auf Einräumung oder Übertragung von Rechten oder auf Abgabe von Willenserklärungen (Brox/Walker Rz 716).
Rn 8
Demgegenüber können unselbständige Vermögensrechte nicht vom Gegenstand getrennt werden und Objekt einer eigenen Rechtsausübung sein (zur Hilfspfändung Rn 16), wie die Vollmacht, die Einziehungsermächtigung oder der Kundenstamm. Die kaufmännische Firma kann nach § 23 HGB nicht ohne das Handelsgeschäft übertragen werden und ist nicht selbständig pfändbar (St/J/Würdinger § 857 Rz 26). Akzessorische Rechte, wie die Bürgschaft, das Pfandrecht, die Vormerkung (Rostock Rpfleger 16, 90) oder die Hypothek, können nicht selbständig übertragen werden.
Rn 9
Unselbständige Nebenrechte sind mit dem Hauptrecht untrennbar verbunden und nicht eigenständig pfändbar. Da diese Rechte nach § 401 BGB mit der Pfändung des Hauptrechts übergehen, ist eine selbständige Pfändung nicht erforderlich (§ 851 Rn 16 f). Dazu gehört der Anspruch auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung gem §§ 666, 675 BGB, mit dem der Gegenstand und der Betrag des Hauptanspruchs festzustellen ist (BGH NJW-RR 03, 1556, 1555 [BGH 24.07.2003 - IX ZB 607/02]), der Anspruch auf eidesstattliche Versicherung gem § 259 II BGB (BGH NJW 88, 2729) und regelmäßig auch der Grundbuchberichtigungsanspruch aus § 894 BGB (BGHZ 33, 76, 83), es sei denn, er kann durch Eintragung des Schuldners zur Befriedigung des Gläubigers führen (ThoPu/Seiler § 857 Rz 6). Zulässig ist die Pfändung und Überweisung der Ermächtigung eines Dritten zur Geltendmachung des Rechts im eigenen Namen (BGHZ 33, 76, 83). Unpfändbar sind akzessorische Gestaltungsrechte, wie Rücktritt, Minderung, Kündigung oder Anfechtung.
Rn 10
Über die Pfändbarkeit nicht akzessorischer Gestaltungsrechte ist im Einzelfall zu entscheiden (BGH NJW 03, 1858, 1859). Unpfändbar ist etwa das Recht zur Zurücknahme hinterlegter Gegenstände aus § 377 I BGB, das Vorkaufsrecht nach § 473 BGB bzw § 1094 I BGB, das Recht auf Herabsetzung einer Vertragsstrafe (BGH NJW 03, 1858, 1859) oder das Recht auf Beantragung einer vorgezogenen Altersrente aus einer Ärzteversorgung (VG Düsseldorf NZI 11, 460, 461 [VG Düsseldorf 21.03.2011 - 20 K 7697/09]). Pfändbar ist der Anspruch eines Miteigentümers auf Aufhebung der Gemeinschaft sowie Teilung und Auszahlung des Erlöses. Gleiches gilt für das Recht des Schuldners, nach freiem Belieben die Rückübertragung einer Sache verlangen zu können (BGH NJW 03, 1858, 1859). Bei einer Lebensversicherung auf den Todesfall kann ein Gläubiger des Versicherungsnehmers schon zu dessen Lebzeiten die Versicherungssumme pfänden und das Bezugsrecht eines Dritten widerrufen (BGH NJW 03, 1858, 1859 [BGH 20.02.2003 - IX ZR 102/02]).
Rn 11
Aus einer Rechtsstellung resultierende bloße Befugnisse begründen keine unabhängigen Rechtspositionen und sind deswegen unpfändbar. Als derartige bloße Befugnisse werden Handlungsmöglichkeiten verstanden, deren Nutzung durch die Rechtsordnung garantiert wird, die gerade deswegen aber nicht als verkehrsfähige, pfändbare Rechte ausgestaltet sind. Hierzu werden das Recht, einen Vertrag zu schließen (anders, wenn einem Angebotsempfänger die Befugnis eingeräumt ist, das Recht an einen Dritten abzutreten, BGH NJW 03, 1858, 1859 [BGH 20.02.2003 - IX ZR 102/02]), die Möglichkeit, eine Forderung abzutreten, das Recht, eine Erbschaft anzunehmen oder auszuschlagen (München NJW 15, 2128 [BGH 23.10.2014 - I ZB 82/13]) sowie Anfechtungsrechte nach dem Anfechtungsgesetz und den §§ 129 ff InsO gezählt (BGH NJW-RR 07, 1219, 1220 [BGH 20.12.2006 - VII ZB 92/05]). Dies trifft ebenfalls auf das Einziehungsrecht aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (BAG WM 80, 661) sowie eine Vollmacht zu (MüKoZPO/Smid § 857 Rz 10). Unpfändbar sind auch rechtlich nicht geschützte Aussichten, wie die bloße Chance, Erbe zu werden. Tatsächliche Verhältnisse und Vermögensinbegriffe, wie eine freiberufliche Praxis oder ein Kundenstamm, sind nicht pfändbar (St/J/Würdinger § 857 Rz 2).
Rn 12
Öffentlich-rechtliche Befugnisse sind allenfalls pfändbar, wenn sie nach den Regeln des Privatrechts übertragen werden können. Die Gaststättenerlaubnis bzw die Erlaubnis zur Personenbeförderung sind deswegen nicht pfändbar. Die öffentlich-rechtliche Arzneimittelzulassung ist deswegen nur zusammen mit der zivilrechtlichen Befugnis pfändbar, nach der die Arzneimittel in den Verkehr gebracht werden dürfen (BGH NJW 90, 2931, 2932 [BGH 01.03.1990 - IX ZR 147/89]). Die einem Milcherzeuger zustehende Anlieferungs-Referenzmenge nach der Milchabgabenverordnung stellt hingegen ein anderes Vermögensrecht iSv § 857 I dar (BGH NJW-RR 07, 1219, 1220 [BGH 20.12.2006 - VII ZB 92/05]).