Gesetzestext
Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in seiner Prozessfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er nach Aussetzung des Rechtsstreits für den Nachfolger im Rechtsstreit auftritt, dessen Vollmacht beizubringen.
A. Systematik.
Rn 1
Die ZPO enthält keine allgemeine Regelung über das Erlöschen der Prozessvollmacht. Die Vorschrift bestimmt ebenso wie § 87 lediglich, dass bestimmte Ereignisse nicht zu einem Erlöschen führen und begrenzt damit die Wirkungen des Erlöschens der Vollmacht nach den materiell-rechtlichen Vorschriften. Gründe der Rechtssicherheit und der Prozesswirtschaftlichkeit lassen es unangemessen erscheinen, die Wirksamkeit von Prozesshandlungen von Ereignissen abhängig zu machen, die im Prozess nicht erkennbar sind und die eine Beendigung des Rechtsstreits hindern könnten (BGH NJW 93, 1645 [BGH 31.03.1993 - XII ZR 198/91]; BAG NZA 00, 613, 614 [BAG 20.01.2000 - 2 AZR 733/98]; B/L/H/A/G/Weber § 86 Rz 2). Nach §§ 112, 113 I FamFG findet die Vorschrift auch in Ehesachen und Familienstreitsachen Anwendung. Für die übrigen Verfahren nach dem FamFG enthält § 11 S 5 FamFG eine Verweisung auf § 86.
B. Erlöschen der Vollmacht.
I. Beendigung des Rechtsstreits.
Rn 2
Mit dem endgültigen Ende des Rechtsstreits, für den die Prozessvollmacht erteilt wurde, erlischt diese wegen Zweckerreichung, so dass im Parteiprozess die nur für einzelne Prozesshandlungen erteilte Vollmacht mit deren Vornahme und Erfüllung der Aufgabe endet (Ddorf NJW 12, 1892, 1893 [OLG Düsseldorf 31.01.2012 - I-24 U 216/10]; Zö/Althammer § 86 Rz 7; B/L/H/A/G/Weber § 86 Rz 4). Die Vollmacht erlischt mit der Klagerücknahme (St/J/Jacoby § 86 Rz 7; Musielak/Voit/Weth § 86 Rz 3), nicht aber zwingend bei einem rechtskräftigen Sachurteil, weil die Prozessvollmacht nach § 81 auch für das Zwangsvollstreckungsverfahren und das Wiederaufnahmeverfahren gilt. Die Klageabweisung als unzulässig bringt die Vollmacht ebenso wenig zum Erlöschen (Musielak/Voit/Weth § 86 Rz 3) wie die Beendigung einer Instanz (BGH NJW-RR 91, 1214 [BGH 05.06.1991 - VIII ZR 129/90]), denn die Prozessvollmacht umfasst auch die Befugnis, einen Bevollmächtigten für die nächste Instanz zu bestellen (Zö/Althammer § 86 Rz 11; § 81 Rn 3). Auch mit der Annahme des Auftrags durch den Rechtsmittelanwalt und dessen Bestellung endet die Prozessvollmacht noch nicht (St/J/Jacoby § 86 Rz 9 f; Zö/Althammer § 86 Rz 1). Die für das Prozesskostenhilfeverfahren erteilte Vollmacht erlischt nicht mit dem Bewilligungsbeschluss, sie gilt auch für das Verfahren nach §§ 120 IV, 124 (BGH Beschl v 8.12.10 – XII ZR 39/09 Rz 29), im Insolvenzeröffnungsverfahren erteilte erlischt nicht mit dem Eröffnungsbeschluss (BGH ZIP 11, 1014).
II. Beendigung des Mandats.
Rn 3
Die Prozessvollmacht endet mit dem der Vollmacht zugrunde liegenden Vertrag (§ 168 S 1 BGB), also mit der Kündigung des Anwaltsvertrags durch die Partei oder den Anwalt, die nach §§ 671, 675, 627 BGB jederzeit möglich ist. In diesem Fall bestimmen sich die Außenwirkungen nach § 87. Ergibt sich die Vollmacht aus einer umfassenden materiell-rechtlichen Vollmacht (§ 80 Rn 3), erlischt sie zusammen mit dieser (Musielak/Voit/Weth § 86 Rz 4). Die Prozessvollmacht erlischt außerdem auch bei fortbestehendem Grundverhältnis durch den jederzeit möglichen Widerruf (§ 168 S 2 BGB), der vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann (St/J/Jacoby § 87 Rz 7). Auch in diesem Fall bestimmen sich die Wirkungen im Prozess nach § 87.
III. Tod des Bevollmächtigten.
Rn 4
Mit dem Tod des Bevollmächtigten erlischt dessen Mandat (§§ 673, 675 BGB) und als Folge davon auch die Vollmacht (§ 168 S 1 BGB). Wurde für die Kanzlei des verstorbenen Rechtsanwalts ein Abwickler nach § 55 BRAO bestellt, so wird das Fortbestehen der Vollmacht fingiert, denn dieser gilt als bevollmächtigt, sofern die Partei nicht in anderer Weise für die Wahrnehmung ihrer Rechte gesorgt hat (§ 55 II 4 BRAO; vgl zur Stellung des Abwicklers BayObLG NJW 04, 3722 [BayObLG 16.06.2004 - 2 Z BR 253/03]). Auch die Handlungen eines für den verstorbenen Anwalt nach § 53 BRAO bestellten Vertreters bleiben nach dessen Tod wirksam, wenn sie vor der Löschung des Anwalts vorgenommen wurden (§ 54 BRAO). Dies gilt allerdings nicht, wenn sich der Rechtsanwalt nach § 78 IV selbst vertreten hat, weil dieser Fall von § 55 II BRAO nicht erfasst wird. Da der von seinem Recht aus § 78 IV Gebrauch machende Rechtsanwalt sich weder aufgrund eines sich selbst erteilten Auftrags (§ 55 II 2 BRAO) vertritt noch sich eine Prozessvollmacht erteilt hat (BGH Beschl v 8.10.13 – II ZR 269/13 Rz 4), wird der Rechtsstreit nach § 244 I unterbrochen. Dies gilt auch dann, wenn für den Verstorbenen ein allg Vertreter bestellt war, denn dessen Vertretungsbefugnisse enden mit dem Tod des Anwalts (BGH Beschl v 1.3.18 – IX ZR 2/18 Rz 10f).
IV. Prozessunfähigkeit.
Rn 5
Der Verlust der Prozessfähigkeit der Partei hat keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der vor dem Verlust bereits erteilten Prozessvollmacht, auch wenn dieser Verlust schon vor Rechtshängigkeit eingetreten ist (BGH NJW 93, 1654 [BGH 08.02.1993 - I...