Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 9
Der Titel – gleich ob dinglicher oder persönlicher Art – muss auf Herausgabe, Überlassung oder Räumung lauten, wobei die Nennung einer dieser Verpflichtungen für die Vollstreckung ausreicht. Lautet der Vollstreckungstitel daher auf Räumung, ist eine gesonderte Herausgabeverpflichtung zwar nicht erforderlich (München DGVZ 99, 56), wird in der Praxis aber regelmäßig in den Tenor aufgenommen. Weil die Räumungsvollstreckung für den Schuldner einschneidende Folgen hat, sollte bei zw Auslegung des Titels im Hinblick auf die Anwendung des Zwangs Zurückhaltung geboten sein. Der Titel muss deshalb die Verpflichtung des Schuldners zur Besitzaufgabe einer genau bezeichneten Sache eindeutig zum Ausdruck bringen (AG Berlin-Schöneberg NJW-RR 91, 1488 [AG Berlin-Schöneberg 22.02.1991 - 30 M 7006/91]). Die Bezeichnung eines zu räumenden Grundstücks mit Flurstücknummer und Grundbuchblatt reicht aber aus (München DGVZ 99, 56), selbst dann, wenn das Haus aufgrund eines Durchbruchs einen Raum enthält, der auch das Nachbarhaus mitumfasst (BGH NJW 13, 2287 [BGH 11.04.2013 - I ZB 61/12]). Ebenso genügt eine vergleichsweise getroffene Verpflichtung ›auszuziehen‹ (AG Gießen DGVZ 91, 126; Zö/Seibel Rz 2; aA AG Mainz DGVZ 00, 62). Unzureichend ist dagegen, wenn ein Vergleich nur über die Beendigung eines Mietverhältnisses geschlossen wird (LG Berlin DGVZ 91, 92). Etwas anderes gilt, sofern gleichzeitig vergleichsweise eine Räumungsfrist vereinbart wurde (LG Coburg DGVZ 91, 38). Nicht nach § 885, sondern nach § 888 wird vollstreckt, wenn der Schuldner per EA zum Verlassen der Wohnung verpflichtet wird (Köln FamRZ 83, 1231; AG Gladbeck FamRZ 92, 589; AG Potsdam DGVZ 20, 17 Rz 5), es sei denn, die Anordnung enthält daneben ausdrücklich die Verpflichtung zur Räumung, Herausgabe oder Überlassung. Dann richtet sich die Vollstreckung nach § 885, ebenso bei einer familiengerichtlichen Entscheidung auf Überlassung zur alleinigen Nutzung nach § 2 GewSchG. Keine taugliche Grundlage zur Räumungsvollstreckung nach § 885 bildet die bloße Zuweisung zum alleinigen Nutzen eines Ehegatten (Stuttg InVo 02, 297 [OLG Dresden 08.10.2001 - 3 W 1411/01]; LG Bückeburg DGVZ 77, 121). Es darf weder Titelverjährung (§ 197 Nr 3, 4 BGB) noch Verwirkung eingetreten sein (für ein Bsp AG Recklinghausen ZMR 19, 609 m abl Anm Riecke ZMR 2019, 610). Vollstreckt der Gläubiger 12 Jahre lang nicht aus dem Titel, ist das Zeitmoment der Verwirkung erfüllt (LG Bonn ZMR 17, 734).
Rn 10
Einen nach § 885 zu vollstreckenden Schuldtitel kann zwar auch ein Zuschlagsbeschluss nach § 93 I ZVG zur Zwangsvollstreckung gegen den Besitzer eines Grundstücks bilden (Ddorf InVo 97, 134; AG Heilbronn DGVZ 93, 174). Er berechtigt nicht zur Räumungsvollstreckung gegen einen Dritten, der sich im Besitz eines herauszugebenden Grundstücks bzw Teilen davon befindet (LG Darmstadt DGVZ 96, 72). Daneben kommen bei der Zwangsverwaltung nach § 149 II ZVG ein Räumungsbeschluss gegen den Schuldner und bei der Zwangsverwaltung nach § 150 II ZVG der Beschl über die Anordnung der Zwangsverwaltung mit der darin enthaltenen Ermächtigung des Zwangsverwalters zur Besitzverschaffung (BGH NJW-RR 11, 1095 [BGH 24.02.2011 - V ZB 280/10]) als taugliche Vollstreckungsgrundlagen in Betracht. Gleiches gilt für einen vollstreckbaren Anwaltsvergleich iSd § 796a I (Haase ZMR 97, 1) sowie für eine eV, die als Befriedigungsverfügung die Herausgabe anordnet. § 940a beschränkt die Räumung von Wohnraum im Wege eV aber auf Fälle verbotener Eigenmacht oder Gefahren für Leib und Leben. Aufgrund einer notariellen Urkunde kann die Vollstreckung einer Räumungspflicht von Wohnraum wegen § 794 I Nr 5 nicht erfolgen (AG Detmold DGVZ 03, 60).