Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Gesetzestext
(1) Der Vollstreckungsauftrag kann auf die Maßnahmen nach § 885 Absatz 1 beschränkt werden.
(2) 1Der Gerichtsvollzieher hat in dem Protokoll (§ 762) die frei ersichtlichen beweglichen Sachen zu dokumentieren, die er bei der Vornahme der Vollstreckungshandlung vorfindet. 2Er kann bei der Dokumentation Bildaufnahmen in elektronischer Form herstellen.
(3) 1Der Gläubiger kann bewegliche Sachen, die nicht Gegenstand der Zwangsvollstreckung sind, jederzeit wegschaffen und hat sie zu verwahren. 2Bewegliche Sachen, an deren Aufbewahrung offensichtlich kein Interesse besteht, kann er jederzeit vernichten. 3Der Gläubiger hat hinsichtlich der Maßnahmen nach den Sätzen 1 und 2 nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten.
(4) 1Fordert der Schuldner die Sachen beim Gläubiger nicht binnen einer Frist von einem Monat nach der Einweisung des Gläubigers in den Besitz ab, kann der Gläubiger die Sachen verwerten. 2Die §§ 372 bis 380, 382, 383 und 385 des Bürgerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwenden. 3Eine Androhung der Versteigerung findet nicht statt. 4Sachen, die nicht verwertet werden können, können vernichtet werden.
(5) Unpfändbare Sachen und solche Sachen, bei denen ein Verwertungserlös nicht zu erwarten ist, sind auf Verlangen des Schuldners jederzeit ohne Weiteres herauszugeben.
(6) Mit der Mitteilung des Räumungstermins weist der Gerichtsvollzieher den Gläubiger und den Schuldner auf die Bestimmungen der Absätze 2 bis 5 hin.
(7) Die Kosten nach den Absätzen 3 und 4 gelten als Kosten der Zwangsvollstreckung.
A. Normzweck und Regelungsgehalt.
Rn 1
§ 885a wurde durch das MietrechtsänderungsG v 11.3.13 mWz 1.5.13 eingeführt (BGBl I 13, 434). Die Zwangsvollstreckung zur Herausgabe unbeweglicher Sachen beschränkt sich auf die Besitzverschaffung an den Räumen, da der Gläubiger an den darin befindlichen beweglichen Sachen das Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) geltend macht (BTDrs 17/10485, 31; Zö/Seibel Rz 1). Die Regelung normiert die von der BGH-Rspr anerkannte ›Berliner Räumung‹ (BGH NJW 06, 848 [BGH 17.11.2005 - I ZB 45/05]; Flatow NJW 13, 1185, 1191). Sie ist für den Räumungsgläubiger günstiger, da die Sachen des Schuldners nicht mehr kostenintensiv abtransportiert und gelagert werden müssen (Fleindl NZM 12, 57, 66).
Rn 2
§ 885a entkoppelt die Räumung als Zwangsvollstreckung vom materiell-rechtlichen Vermieterpfandrecht und schränkt es nicht ein. Macht der Gläubiger dies an den in den Räumlichkeiten befindlichen Sachen geltend, muss er hierfür nicht nach § 885a III, IV verfahren, sondern weiterhin nach den pfandrechtlichen Vorschriften, §§ 1204 ff, 1257 BGB (Zö/Seibel Rz 1; Fleindl NZM 12, 57, 66). § 885a ist jedoch nicht auf Fälle beschränkt, in denen dem Gläubiger ein Vermieterpfandrecht zusteht (BGH WM 17, 1109 [BGH 02.03.2017 - I ZB 66/16] Rz 13)
B. Voraussetzung.
I. Beschränkung des Auftrags (Abs 1).
Rn 3
Der Vollstreckungsauftrag kann also auf die Besitzverschaffung an unbeweglichen Sachen, Schiffen oder Schiffsbauwerken beschränkt werden (BTDrs 17/10485, 31). Hierfür ist ein entspr Antrag des Gläubigers erforderlich. Weil er nicht sein Vermieterpfandrecht gem. § 562 BGB an den in den Räumen befindlichen beweglichen Sachen geltend machen muss (BTDrs 17/10485, 31), ist die vereinfachte Räumung auch bei der Vollstreckung aufgrund eines Zuschlagsbeschlusses gem § 93 ZVG möglich (Zö/Seibel Rz 2; BGH WM 17, 1109 [BGH 02.03.2017 - I ZB 66/16] Rz 12 ff). Eine Verbindung des beschränkten Vollstreckungsauftrages nach § 885a, der nur auf Gebäudeteile gerichtet ist, mit einem Vollstreckungsauftrag über den Rest der unbeweglichen Sache nach § 885 ist hingegen ausgeschlossen (Zö/Seibel Rz 2).
Rn 4
Die materiell-rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit dem Besitzrecht des Gläubigers sind vom GV nicht zu prüfen. Er muss also bei Streit über das Bestehen des Vermieterpfandrechts und dessen Grenzen keine Nachforschungen anstellen. Diese Fragen klären die ordentlichen Gerichte (BTDrs 17/10485, 31; so schon zur alten Rechtslage PG/Olzen [4. Aufl] § 885 Rz 25 mwN).
II. Gegenstand der Herausgabe.
Rn 5
Auch wenn die Gesetzesbegründung für den beschränkten Vollstreckungsauftrag lediglich Bezug auf ›Räume‹ nimmt, können sämtliche von § 885 I umfassten Fälle nach § 885a herausverlangt werden. Betroffen sind damit unbewegliche Sachen, eingetragene Schiffe oder Schiffsbauwerke.
C. Verfahren.
I. Durchführung der Herausgabe (Abs 3).
Rn 6
Der GV setzt den Schuldner bei der vereinfachten Räumung aus dem Besitz der unbeweglichen Sache und weist den Gläubiger in diesen ein, § 885 I 1. Anders als bei der Vollstreckung nach § 885 werden jedoch die in den Räumen befindlichen beweglichen Sachen weder gem § 885 II, III vom GV weggeschafft noch dem Schuldner oder einem in § 885 II genannten Drittem übergeben (Zö/Seibel Rz 3). Wenn der Schuldner die Sachen während der Zwangsvollstreckung herausverlangt, händigt der GV sie ihm aus, es sei denn, der Gläubiger macht sein Vermieterpfandrecht geltend (Zö/Seibel Rz 3). Unpfändbare Sachen sind darüber hinaus jederzeit herauszugeben, Abs 5.
II. Protokoll (Abs 2).
Rn 7
Beim Vollstreckungstermin muss der GV die frei ersichtlichen beweglichen Sachen, die er vorfindet, § 885a II 1, im Protokoll (§ 762 iVm § 128 ...