Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 28
Abs 3, eine eng auszulegende Sondervorschrift, nennt einen Fall, in dem die Zwangsvollstreckung ausscheidet (Vollstreckungsverbot). Die Norm dient dem Schutz der Menschenwürde (BAGE 129, 257 [BAG 05.02.2009 - 6 AZR 110/08] Rz 12; BAG NZA 13, 1147 [BAG 20.06.2013 - 6 AZR 789/11] Rz 22; LAG Bremen 8.9.20 – 1 Sa 13/20 Rz 85). Vor dem Inkrafttreten des G zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der fG v 17.12.08 (FGG-RG; BGBl I 08, 2586) waren zwei weitere Vollstreckungsverbote aufgezählt: Die Vollstreckung entfiel bei der Verurteilung zur Eingehung einer Ehe und im Falle der Verurteilung zur Herstellung des ehelichen Lebens (Abs 3 Alt 1, 2 aF). Mangels praktischer Bedeutung wurden diese Vollstreckungsverbote mit Wirkung zum 1.9.09 ersatzlos gestrichen (BTDrs 16/6308, 326).
1. Verurteilung zur Leistung von Diensten aus einem Dienstvertrag.
Rn 29
Da Arbeitsleistungen regelmäßig vertretbar sind (s die Einzelfallliste zur Vertretbarkeit in der Kommentierung des § 887) und Abs 3 sich nur auf unvertretbare Dienste bezieht, ist das Verbot von geringer Bedeutung. Die Vollstreckbarkeit einer eV zur Sicherung des Dienstleistungsanspruchs nach dieser Regel scheidet aus, nicht jedoch diejenige zur Sicherung des Beschäftigungsanspruchs (vgl LAG Kiel NZA 87, 322, 323; LAG Berlin BB 79, 1404).
Rn 30
Erfasst sind schließlich nicht nur Leistungen aus einem Dienstvertrag, sondern auch aus entgeltlicher Geschäftsbesorgung, § 675 BGB, oder aus Auftrag, § 662 BGB (ganz hM; MüKoZPO/Gruber Rz 20). Dagegen betrifft das Verbot keine Ansprüche aus dem Werkvertrag gem § 631 BGB.
2. Sonstige Fälle.
Rn 31
Die Vorschrift gilt entspr, wenn die zwangsweise Anspruchsdurchsetzung einen Gesetzes- oder Grundrechtsverstoß darstellen würde. Daher ist etwa die Verpflichtung zum Abschluss eines Erbvertrages wegen § 2302 BGB ebenso wenig vollstreckbar (Frankf Rpfleger 80, 117, 118) wie die Verpflichtung zur Teilnahme an einer kultisch-religiösen Handlung (Köln MDR 73, 768, 769).
Rn 32
Anders verhält es sich, wenn auch der Gläubiger seinen Anspruch aus Grundrechten ableiten kann und die Abwägung der Grundrechtspositionen zu seinen Gunsten ausfällt. Daher ist die Verpflichtung einer Mutter aus § 1618a BGB, ihrem Kind Auskunft über einen möglichen genetischen Vater zu erteilen, vollstreckbar (hM; BGH NJW 08, 2919, 2921 [BGH 03.07.2008 - I ZB 87/06]; Hamm NJW 01, 1870, 1871 [OLG Hamm 16.01.2001 - 14 W 129/99]; Bremen NJW 00, 963, 964 mwN; aA LG Münster NJW 99, 3787, 3788 [LG Münster 29.07.1999 - 5 T 198/99] (Vorinstanz zu Hamm, s.o.); s hierzu auch Staud/Lugani § 1618a Rz 51).