Gesetzestext
(1) 1Handelt jemand für eine Partei als Geschäftsführer ohne Auftrag oder als Bevollmächtigter ohne Beibringung einer Vollmacht, so kann er gegen oder ohne Sicherheitsleistung für Kosten und Schäden zur Prozessführung einstweilen zugelassen werden. 2Das Endurteil darf erst erlassen werden, nachdem die für die Beibringung der Genehmigung zu bestimmende Frist abgelaufen ist. 3Ist zu der Zeit, zu der das Endurteil erlassen wird, die Genehmigung nicht beigebracht, so ist der einstweilen zur Prozessführung Zugelassene zum Ersatz der dem Gegner infolge der Zulassung erwachsenen Kosten zu verurteilen; auch hat er dem Gegner die infolge der Zulassung entstandenen Schäden zu ersetzen.
(2) Die Partei muss die Prozessführung gegen sich gelten lassen, wenn sie auch nur mündlich Vollmacht erteilt oder wenn sie die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat.
A. Grundlagen.
Rn 1
§ 89 dient der Prozessökonomie und erlaubt die einstweilige Zulassung eines Prozessvertreters, der keine Vollmacht hat oder diese nicht nachweisen kann, um die Fortsetzung des Prozesses schon vor Beseitigung des Mangels zu ermöglichen. Nach Sinn und Zweck ist die Vorschrift nur bei behebbaren Mängeln anwendbar (allgM MüKoZPO/Toussaint § 89 Rz 1; Musielak/Voit/Weth § 89 Rz 1). Abs 1 S 2, 3 und Abs 2 regeln die Rahmenbedingungen, unter denen die einstweilige Zulassung erfolgen kann und schützen den Prozessgegner. Handelt es sich um einen nicht behebbaren Mangel, ist nach § 88 zu verfahren und der vollmachtlose Vertreter zurückzuweisen (§ 88 Rn 6). Im Verfahren nach §§ 935 ff gilt die Vorschrift nicht (München NVwZ-RR 99, 548 [OLG München 22.01.1999 - 21 U 6698/98]). Nach §§ 112, 113 I FamFG findet die Vorschrift auch in Ehesachen und Familienstreitsachen Anwendung. Für die übrigen Verfahren nach dem FamFG verweist § 11 S 5 FamFG auf § 89.
B. Einstweilige Zulassung.
I. Vollmachtsmangel.
Rn 2
Die Vorschrift erfasst alle Fälle einer fehlenden Vollmacht, unabhängig davon, ob dem Handelnden das Fehlen der Vollmacht bewusst ist (zB GoA), er dies offen legt oder verschweigt oder ob er sich für berechtigt hält. Maßgebend ist allein, ob zu erwarten ist, dass der Vertreter den Mangel voraussichtlich wird beheben können (Musielak/Voit/Weth § 89 Rz 1, 2).
II. Zulassung.
Rn 3
Die Entscheidung über die Zulassung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts (BGH NJW 02, 1957 [BGH 07.03.2002 - VII ZR 193/01]), weder die Partei noch der Vertreter haben darauf einen Anspruch (MüKoZPO/Toussaint § 89 Rz 4). Nach dem Zweck der Vorschrift setzt die Zulassung eine begründete Aussicht auf den Nachweis der Vollmacht oder eine Genehmigung voraus (B/L/H/A/G/Weber § 89 Rz 2). Von einer Zulassung kann ermessensfehlerfrei abgesehen werden, wenn der Rechtsstreit entscheidungsreif ist und ausreichend Gelegenheit bestand, den Mangel zu beseitigen (München NVwZ-RR 99, 548, 549 [OLG München 22.01.1999 - 21 U 6698/98]). Ein ausdrücklicher Antrag des Vertreters ist nicht erforderlich, solange seinem Verhalten zu entnehmen ist, dass er die Vertretung fortführen will (St/J/Jacoby § 89 Rz 1; MüKoZPO/Toussaint § 89 Rz 3). Die Entscheidung ergeht aufgrund mündlicher Verhandlung durch unanfechtbaren (vgl § 567) Beschl (BAG NJW 65, 1041 [BAG 18.12.1964 - 5 AZR 109/64]; nach B/L/H/A/G/Weber § 89 Rz 4 soll die Verweigerung der Zulassung nach § 567 I Nr 2 anfechtbar sein). Widerspricht der Gegner nicht, kann die einstweilige Zulassung auch stillschweigend durch Fristsetzung nach Abs 1 S 2 erfolgen (BGH NJW 94, 2298 [BGH 23.06.1994 - I ZR 106/92]; Kobl NJW-RR 06, 377 [OLG Koblenz 31.05.2005 - 3 U 1313/04]). Gestattet das Gericht der als Bevollmächtigter auftretenden Person trotz der Zweifel an der Bevollmächtigung Sachanträge zu stellen, ist darin regelmäßig die einstweilige Zulassung zu sehen mit der Folge, dass ein Endurteil erst nach einer zu setzenden Frist für die Beibringung der Vollmacht ergehen kann (BFH Beschl v 15.7.10 – IV B 55/09).
III. Sicherheitsleistung.
Rn 4
Die Anordnung einer Sicherheitsleistung (§§ 108, 109) steht ebenfalls im Ermessen des Gerichts und geschieht in der Form des Beschlusses, in dem dafür eine Frist gesetzt wird, deren Länge unabhängig von der Länge der Frist zu Beibringung der Vollmacht ist. Beschreitet das Gericht diesen Weg, muss die Verhandlung vertagt werden, denn dann darf die Zulassung erst dann erfolgen, wenn die Sicherheitsleistung nachgewiesen ist (Musielak/Voit/Weth § 89 Rz 4). Der Vertreter ist vom Verfahren auszuschließen, wenn er die Sicherheit nicht erbringt. Bringt er stattdessen die Vollmacht oder die Genehmigung der Prozessführung durch die Partei bei, entfällt die Notwendigkeit der Sicherheitsleistung, eine bereits geleistete ist zurückzugeben (Musielak/Voit/Weth § 89 Rz 4; Zö/Althammer § 89 Rz 4). Maßstab für die Höhe einer Sicherheitsleistung sind die dem Gegner durch eine einstweilige Zulassung drohenden finanziellen Nachteile, wenn die Vollmacht oder die Genehmigung nicht beigebracht wird.
IV. Fristsetzung.
Rn 5
Wegen Abs 1 S 2 ist eine Fristsetzung zur Beibringung der Vollmacht oder der Genehmigung notwendig (BAG VersR 08, 559 [BAG 26.07.2007 ...