Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 6
Eine Unterlassungsverpflichtung iSd Norm liegt vor, wenn der Vollstreckungstitel vom Schuldner Untätigkeit fordert, so dass durch ihn ein bestimmter Kausalverlauf nicht (mit-)beeinflusst wird. Auf diese Weise soll der Eintritt des im Titel bezeichneten unerwünschten Erfolges verhindert werden. In vielen Fällen genügt eine Verpflichtung des Schuldners zu passivem Verhalten, zB verbotene AGB-Klauseln nicht zu verwenden (BGHZ 81, 222, 225) oder Straßenbauarbeiten stillzulegen (BGHZ 120, 73, 76). Weiterhin fallen in diesen Zusammenhang die Verpflichtung, in bestimmter Zeit keine Tätigkeit bei einer Konkurrenzfirma aufzunehmen, sowie das Gebot zur Unterlassung einer Tatsachenbehauptung ggü Dritten (Frankf OLGZ 85, 380, 382; zur Unterlassung der Veröffentlichung einer Zeitungsannonce vgl Köln NJW-RR 86, 1191f [OLG Köln 26.05.1986 - 6 W 36/86]).
Rn 7
Etwas anderes gilt, wenn sich der rechtswidrige Zustand bereits realisiert hat und bei Passivität des Schuldners fortbestehen würde, so dass dieser uU weiterhin von ihm profitieren könnte. Da dann im passiven Verhalten eine (weitere) Zuwiderhandlung läge, umfasst die Unterlassungspflicht die Beseitigung oder Verhinderung des beeinträchtigenden Zustandes durch aktives Verhalten des Schuldners (BGH MW 18, 332 – krit dazu Hermanns GRUR 17, 977; BGH GRUR 17, 208 [BGH 29.09.2016 - I ZB 34/15]; NJW-RR 03, 1235, 1236 [BGH 11.04.2003 - V ZR 323/02]; Jena InVo 05, 71, 72; Rostock 7.11.17 – 3 W 136/17 Rz 48; Ddorf GRUR 18, 855 [OLG Düsseldorf 30.04.2018 - I-15 W 9/18] Rz 48; Dresd WRP 18, 978 Rz 5), zB Entfernung eines Telefonbucheintrages mit unzulässigem Inhalt (München GRUR 93, 510 [OLG München 22.09.1992 - 6 W 2048/92]), Veranlassung zur Löschung einer unbefugt gebrauchten Firma im Handelsregister (Frankf WRP 77, 413), Maßnahmen zur Beseitigung störenden Hundegebells (Köln VersR 93, 1242; München MDR 90, 442f), Verhindern des Schwenkens eines Krans (Rostock 7.11.17 – 3 W 136/17 Rz 48), Löschung von Abgaben von der Webseite (LG Hannover MD 19, 323), Veranlassung der Entfernung eines Beitrags aus einer Mediathek und Sorgetragung, dass der Beitrag nicht mehr über sonstige Suchen im Internet aufgerufen werden kann (Celle WRP 17, 1390 [OLG Celle 21.08.2017 - 13 W 45/17]), Rückruf von Waren (Hamburg GRURPrax 17, 362 Rz 11), Entfernung eines Links zu einer Webseite mit den streitgegenständlichen Inhalten bei miteinander nach außen zu einer ›Gruppe‹ verbundenen Unternehmen (LG Frankfurt MMR 19, 850 [LG Frankfurt am Main 24.01.2019 - 2-03 O 250/18]), Organisation des Geschäftsbetriebs in der Weise, dass die Unterlassungsverpflichtung auch bei Ortsabwesenheit des Geschäftsführers beachtet wird (LG Koblenz WRP 19, 1389 Rz 7), uU sogar die Einwirkung auf dritte Personen (zB den Vertragspartner, Köln MDR 08, 1066; Hambg NJW 03, 1196), dazu näher unten. Im Einzelfall ergibt sich hierbei die Problematik der Abgrenzung zur Handlungsvollstreckung nach den §§ 887 f (s die Kommentierung der §§ 887, 888). Wegen der klaren gesetzlichen Trennung zwischen Handlungs- und Unterlassungsvollstreckung kann der Ansicht nicht gefolgt werden, welche §§ 887 f neben (HK-ZV/Bendtsen Rz 13, 17) oder sogar anstatt (Hamm OLGZ 74, 62 ff) § 890 anwendet. Vielmehr ist bei einem Unterlassungstitel auch dann ausschl nach § 890 vorzugehen, wenn dieser den Schuldner zusätzlich zu einem aktiven Verhalten verpflichtet (BGHZ 120, 73, 76f). Der Gläubiger hat jedoch die Möglichkeit, einen isoliert auf die erforderliche Handlung gerichteten Titel zu erwirken, aufgrund dessen er die Vollstreckung nach den §§ 887 f betreiben kann. Zur Vollstreckung dauerhafter Handlungspflichten vgl die Kommentierung des § 887.
Rn 8
Die Duldung als Unterfall des Unterlassens verpflichtet den Schuldner ebenfalls zur Untätigkeit. Zusätzlich darf er die Vornahme einer Handlung durch einen Dritten, welche in seinem Einflussbereich stattfindet, nicht behindern. Hierzu zählt zB die gesetzliche Verpflichtung des Eigentümers oder Besitzers einer Sache, Einwirkungen auf diese durch Dritte zu dulden. Zu nennen sind dabei insb die nachbarschaftsrechtlichen Ansprüche der §§ 867, 906, 1005 BGB. Daneben kann der titulierte Anspruch auch auf vertraglicher Grundlage beruhen, so etwa bei der Verpflichtung zur Gestattung einer Wohnungsbesichtigung aus dem Mietvertrag (Dresd SeuffA 68, Nr 36). Diese Duldungspflicht des Mieters erledigt sich nicht bereits mit Auszug, solange weiterhin Besitz besteht (AG Ludwigslust 9.11.20 – 8 M 3694/20 [Durchführung einer Zählersperrung]). Evtl zusätzlich erforderliches aktives Verhalten des Schuldners wird von der Duldungspflicht umfasst. Leistet der Schuldner gegen die Handlung des Dritten Widerstand, kann der Gläubiger zur Durchsetzung seiner Rechte nach § 892 einen GV hinzuziehen.