Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Gesetzestext
Leistet der Schuldner Widerstand gegen die Vornahme einer Handlung, die er nach den Vorschriften der §§ 887, 890 zu dulden hat, so kann der Gläubiger zur Beseitigung des Widerstandes einen Gerichtsvollzieher zuziehen, der nach den Vorschriften des § 758 Abs. 3 und des § 759 zu verfahren hat.
A. Normzweck und systematische Einordnung.
Rn 1
Die Vorschrift soll die Vollstreckung sicherstellen und dient der Rechtssicherheit: Da dem Gläubiger nur eingeschränkt Selbsthilfe nach § 229 BGB erlaubt ist, gewährt § 892 staatliche Hilfe für den Fall, dass sich der Schuldner einer Vollstreckung widersetzt. Die Norm erfasst und ergänzt somit die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung vertretbarer Handlungen nach § 887 und zur Erzwingung von Unterlassungen und Duldungen nach § 890. Der Gläubiger hat die Wahl zwischen einem Vorgehen nach § 890 oder einem solchen nach § 892 (Köln NJW-RR 88, 832 [OLG Köln 10.02.1988 - 2 W 216/87]; LG Karlsruhe DGVZ 84, 12; Zö/Seibel Rz 1; Wieczorek/Schütze/Rensen Rz 2; St/J/Bartels Rz 3; aA AG Berlin-Wedding DGVZ 87, 63 [zuerst Vorgehen nach § 890]). IdR ist zur Realisierung eines Anspruchs das Vorgehen nach § 892 effektiver als die Festsetzung eines Ordnungsmittels gem § 890.
B. Tatbestandsvoraussetzungen.
Rn 2
Die Grundlage des Einschreitens für den GV bildet ein Ermächtigungsbeschluss nach § 887 oder ein Duldungstitel nach § 890. Es müssen ferner die allg Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sein, die Zwangsvollstreckung muss also (schon und noch) zulässig sein. Diese Voraussetzungen sind dem GV nachzuweisen (bei § 887 genügt der Ermächtigungsbeschluss; aA wohl Köln DGVZ 92, 170, 171).
Rn 3
Weiterhin verlangt der Tatbestand eine Widerstandsleistung des Schuldners gegen die Vollstreckungshandlung, die protokolliert werden muss (§ 62 II GVGA). Es genügt, dass der Widerstand vom Gläubiger als zumindest bevorstehend – also nicht unbedingt bereits erfolgt – behauptet wird (LG Braunschweig DGVZ 88, 140, 141). Widerstand idS bedeutet ein ›auf Verhinderung eines bestimmten Erfolgs gerichtetes vorsätzliches Handeln‹ und ›mehr als bloßes Zuwiderhandeln‹ (ThoPu/Seiler Rz 1; Brackhahn DGVZ 92, 145 ff). Bei der Prüfung sollte wegen der Folgen und auch vor dem Hintergrund des § 113 StGB restriktiv verfahren werden (B/L/H/A/G/Schmidt Rz 2).
C. Verfahren.
Rn 4
Der Gläubiger kann den GV unmittelbar, dh ohne Zuhilfenahme des Gerichts, einschalten. Für einen entspr Antrag an das Gericht besteht deshalb kein Rechtsschutzbedürfnis.
Rn 5
Der GV verfährt nach §§ 758 III, 759, darf also zur Beseitigung des Widerstandes Gewalt anwenden und/oder sich polizeilicher Hilfe bedienen. Zwar enthält § 892 keinen Verweis auf § 758 II. Dennoch kann der GV auch verschlossene Türen öffnen lassen (LG Weiden DGVZ 08, 120; LG Braunschweig DGVZ 88, 140, 141f). Bei seinem Vorgehen hat er stets maßvoll zu handeln und das zur Widerstandsbeseitigung notwendige Maß nicht zu überschreiten (§ 58 GVGA). Über die Vollstreckungshandlung muss er ein Protokoll aufnehmen (§ 762 und § 63 GVGA).
D. Rechtsbehelfe.
Rn 6
Für den beschwerten Gläubiger und den Schuldner ist die Erinnerung nach § 766 der statthafte Rechtsbehelf. Im Anschluss kommt die Erhebung der sofortigen Beschwerde nach §§ 567 I Nr 1, 793 in Betracht.
E. Kosten/Gebühren.
Rn 7
Die Kosten des GV (s.u.) stellen Zwangsvollstreckungskosten iSd § 788 I dar und werden nur erstattet, wenn sie objektiv notwendig waren (sonst muss der Gläubiger sie tragen, vgl LG Braunschweig DGVZ 88, 140, 141). Es entscheidet, ob objektiv Widerstand geleistet wurde bzw mit einem solchen jedenfalls objektiv zu rechnen war.
Rn 8
Im Falle der Hinzuziehung eines GV nach § 892 ist Nr 250 KV GVKostG einschlägig. Es fällt eine Festgebühr an. Evtl kommt daneben uU ein Zeitzuschlag nach Nr 500 KV GVKostG hinzu.