Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Rn 3
Der Begriff der Willenserklärung umfasst zum einen alle rechtsgeschäftlichen Erklärungen. Unerheblich ist, ob es sich beim Adressaten der Erklärung um den Gläubiger, einen Dritten (Brandbg NJW-RR 01, 1185, 1186) oder eine deutsche Behörde (BGHZ 120, 239, 248) handelt. Die rechtsgeschäftlichen Erklärungen können auf Abschluss eines Vertrages gerichtet sein, wie zB Angebot und Annahme zum Abschluss eines Kaufvertrages (BGH NJW 84, 479, 480 [BGH 07.10.1983 - V ZR 261/81]), die Einigung iSd § 929 BGB, die Auflassung eines Grundstücks (§§ 925, 873 BGB) sowie die Abtretung einer Forderung (§ 398 BGB). In Betracht kommen darüber hinaus Willenserklärungen, welche eine Vertragsaufhebung oder Vertragsänderung (BGH NJW-RR 11, 1382 und BayObLG NJW-RR 89, 1172 f [BayObLG 30.06.1989 - RE-Miet 4/88] – Zustimmung zur Mieterhöhung gem §§ 558 ff BGB) herbeiführen, die Bewilligung einer Registereintragung (zB nach §§ 19 ff GBO, vgl München 9.7.20 – 34 Wx 444/18 Rz 26) oder die Zustimmung zum Teilzeitbegehren nach § 15 BEEG (ArbG Solingen 5.1.16 – 3 Ga 20/15; ArbG Solingen 3.12.15 – 3 Ca 1425/15). Bei einem Rechtsstreit nach § 558b II BGB tritt die Vertragsänderung erst mit der Rechtskraft des der Zustimmungsklage des Vermieters stattgebenden Urteils ein; die Zustimmungserklärung des Mieters gilt erst dann als abgegeben iSv § 894 (BGH NJW 20, 1947 [BGH 29.04.2020 - VIII ZR 355/18] Rz 72). Ebenfalls umfasst ist die Abgabe einer Willenserklärung ggü dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung auf Auszahlung einer Vollrente durch einen Ehegatten (auf Grundlage des Rücksichtnahmegebots aus § 1353 BGB; Celle FamRZ 18, 1078). Der Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst ferner die Verurteilung eines GmbH-Gesellschafters zur Zustimmung, den Gesellschaftsvertrag zu ändern (Bremen NJW 72, 1952 [OLG Bremen 06.04.1972 - 2 U 92/71]) oder zur Stimmabgabe entspr einer Abstimmungsvereinbarung (BGH NJW 67, 1963, 1966 [BGH 29.05.1967 - II ZR 105/66]) ebenso wie die Übertragung von Zahlungsansprüchen nach Maßgabe der InVeKoSV (Rostock 15.5.18 – 14 W XV 3/18). Die Nichtigkeitsfolge tritt bei einem schwebend unwirksamen Gesellschafterbeschluss im Falle einer rechtswidrigen Zustimmungsverweigerung solange nicht ein, wie ein durchsetzbarer Anspruch auf Zustimmung besteht und die Zustimmung nach § 894 noch erzwungen werden kann (Ddorf NZKart 16, 528 Rz 124). Erfasst sind ferner die Zustimmung zu einem Kapitalerhöhungsbeschluss und zur Übernahme zusätzlicher Geschäftsanteile (BGH NJW 87, 189, 190 [BGH 25.09.1986 - II ZR 262/85]), ebenso Genehmigungen gem § 177 I BGB (Köln NJW-RR 00, 880), die Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung der Einkommenssteuer (Kobl FamRZ 05, 224) oder zum Realsplitting bei geschiedenen Ehegatten (BFH NJW 89, 1504). Gleiches gilt für die Abgabe einer Erklärung iSd § 1355 V 2 BGB (LG München I FamRZ 00, 1168f), für die Zustimmung des BetrR zu personellen Maßnahmen nach § 99 BetrVG (ArbG Frankfurt NZA-RR 02, 473, 474 [ArbG Frankfurt am Main 05.12.2001 - 2 BV 567/01]), für die Zustimmung des Arbeitgebers zur Arbeitsvertragsänderung bei Anspruch auf Arbeitszeiterhöhung (BAG NZA 20, 674, 672 [BAG 03.12.2019 - 9 AZR 95/19] Rz 16) und für die Zustimmung zur Umschreibung eines Patents (BPatG 28.6.19 – 7 W (pat) 4/18). Zum anderen ist § 894 entspr auf rechtsgeschäftsähnliche (zB Mahnung, Fristsetzung oder Erteilung einer Quittung; vgl für die Erteilung einer Quittung München NJOZ 15, 11) und ebenso entspr auf prozessuale Erklärungen (etwa die Rücknahme einer Klage, Privatklage oder eines Strafantrages) anwendbar. Für die Gewährung von Freistellung/Urlaub wird das Vorgehen nach § 894 dem Klageziel nicht hinreichend gerecht; hier wird daher der Weg über die Feststellungsklage gestattet (BAG 11.11.20 – 4 AZR 210/20 Rz 15; NZA 19, 1435 [BAG 16.07.2019 - 1 AZR 842/16] Rz 10).
Rn 4
Tatsächliche Handlungen sind hingegen nach § 894 nicht vollstreckbar, wie etwa die Leistung einer persönlichen Unterschrift, die Erteilung einer Auskunft oder die Erstellung eines Arbeitszeugnisses. Gleiches gilt, wenn der Schuldner zum Widerruf einer ehrverletzenden Äußerung verurteilt worden ist, weil dem Interesse des Gläubigers allein durch eine – notfalls nach § 888 zu vollstreckende – persönliche Erklärung des Schuldners Rechnung getragen wird (Zweibr NJW 91, 304 f [OLG Zweibrücken 06.04.1990 - 3 W 50/90]; vgl auch BGH NJW 62, 1438 [BGH 05.06.1962 - VI ZR 236/61]; G/S/B-E § 72 Rz 9; aA Hamm NJW-RR 92, 634, 635 ff [OLG Hamm 12.03.1991 - 9 U 202/90]).