Prof. Dr. Katharina Hilbig-Lugani
Gesetzestext
(1) Ist der Schuldner zur Übertragung des Eigentums oder zur Bestellung eines Rechts an einer beweglichen Sache verurteilt, so gilt die Übergabe der Sache als erfolgt, wenn der Gerichtsvollzieher die Sache zum Zwecke der Ablieferung an den Gläubiger wegnimmt.
(2) Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner zur Bestellung einer Hypothek, Grundschuld oder Rentenschuld oder zur Abtretung oder Belastung einer Hypothekenforderung, Grundschuld oder Rentenschuld verurteilt ist, für die Übergabe des Hypotheken-, Grundschuld- oder Rentenschuldbriefs.
A. Normzweck und systematische Einordnung.
Rn 1
§ 897 ist bei mehraktigen Erwerbstatbeständen anwendbar, bei denen zusätzlich zur Willenserklärung des Schuldners (§ 894) die Übergabe einer beweglichen Sache (§§ 929, 1032, 1205 BGB) oder die Aushändigung eines Briefes über ein Grundpfandrecht (§§ 1117 I, 1154 I, 1192 I, 1199, 1274 I BGB) erforderlich ist. Wird in der Urteilsformel irrig nur ein Element des mehraktigen Erwerbstatbestands angeordnet, so genügt es, wenn sich das andere Element eindeutig aus den Gründen ergibt (St/J/Bartels Rz 2; ThoPu/Seiler Rz 1). Während die Erklärung des Schuldners mit Eintritt der Rechtskraft gem § 894 fingiert wird, erfolgt die zwangsweise Durchsetzung der Übergabe durch den GV aufgrund der §§ 883, 886. § 897 enthält keine zusätzlichen Vollstreckungsvoraussetzungen, sondern leistet einen Beitrag zur Rechtssicherheit, indem er den für die Übergabe maßgeblichen Zeitpunkt klarstellt.
B. Tatbestandsvoraussetzungen.
Rn 2
Ist der Schuldner gem Abs 1 zur Übereignung einer beweglichen Sache oder zur Bestellung eines dinglichen Rechts (Nießbrauch, Pfandrecht) an derselben verurteilt, muss der GV ihm die Sache zwecks Ablieferung an den Gläubiger wegnehmen, § 883 I (bei Drittgewahrsam ist der Herausgabeanspruch des Schuldners zu überweisen, s § 886; St/J/Bartels Rz 4). Beachte bei der Wegnahme von Ehegatten § 739 (St/J/Bartels Rz 3). Die Norm greift auch im Falle einer vorläufig vollstreckbaren Verurteilung sowie bei freiwilliger Herausgabe der Sache durch den Schuldner ein.
Rn 3
Die gleichen Grundsätze gelten gem Abs 2 bei Briefrechten, wenn die Entscheidung auf die Bestellung, Abtretung oder Belastung eines verbrieften Grundpfandrechtes gerichtet ist, für die Übergabe des Grundpfandbriefs. Die Norm findet dagegen auf Fälle des § 1117 II BGB keine Anwendung, der Rechtserwerb findet mit Eintragung statt, der Wegnahme durch GV bedarf es nicht (BayObLG Rpfleger 98, 32 [BayObLG 14.07.1997 - 1Z BR 39/97]; Zö/Seibel Rz 2; St/J/Bartels Rz 7; ThoPu/Seiler Rz 5).
C. Rechtsfolgen.
Rn 4
Die Übergabe der Sache bzw des Briefs gilt nicht erst mit Ablieferung an den Gläubiger, sondern bereits im Zeitpunkt der Wegnahme durch den GV als erfolgt. In diesem Moment wird der Schuldner deshalb von seiner Verpflichtung befreit. Gleichzeitig geht die Gefahr auf den Gläubiger über, so dass dieser bei einem späteren Untergang oder einer Beschädigung auf Ansprüche aus Amtshaftung (§ 839 BGB iVm Art 34 GG) beschränkt ist. Klagen nach §§ 767, 771 sind möglich, solange es der zuletzt eintretende Erwerbsakt erlaubt (St/J/Bartels Rz 8). Bei vorläufig vollstreckbaren Urteilen vollzieht sich die Vollendung des Rechtserwerbs jedoch bei Eintritt der für § 894 maßgeblichen formellen Rechtskraft (St/J/Bartels Rz 5). Bei einer Gegenleistungspflicht des Gläubigers sind die §§ 726 II, 756, 894 S 2 zu beachten. Kosten: Nr 221 KV GvKostG.