Rn 71

Vertritt sich ein Rechtsanwalt in eigener Sache selbst, so entstehen keine Gebühren und Auslagen nach dem RVG. Voraussetzung für einen Gebührenanspruch wäre ein Anwaltsvertrag, der hier aber nicht vorliegt. Der sich selbst vertretende Anwalt schließt nicht mit sich selbst einen Anwaltsvertrag. Daher sind die Vorschriften des RVG zunächst einmal nicht anwendbar. Ein Anwalt in eigener Sache könnte danach lediglich Kostenerstattung wie eine Partei verlangen. Um diese ›Lücke‹ zu schließen, schafft Abs 2 S 3 einen Kostenerstattungsanspruch. Der sich selbst vertretende Anwalt erhält diejenigen Gebühren und Auslagen – gemeint ist nach dem RVG – erstattet, die er als Gebühren und Auslagen eines bevollmächtigten Rechtsanwalts erstattet verlangen könnte. Es ist also danach zu fragen, welche Gebühren und Auslagen der Anwalt hätte erstattet verlangen können, wenn er sich nicht selbst vertreten hätte, sondern die Vertretung einem Kollegen übertragen hätte.

Unerheblich ist, ob der Anwalt die Vertretung in eigener Sache offengelegt hat (LG Nürnberg-Fürth AnwBl 00, 324).

Abs 2 S 3 gilt auch dann, wenn der Anwalt als Partei kraft Amtes aufgetreten ist (LSG Baden-Württemberg MDR 95, 1152 = AnwBl 96, 171 [LSG Baden-Württemberg 12.04.1995 - L 5 B 264/94]). Die Vorschrift gilt ebenfalls für einen Rechtsbeistand entsprechend. Er kann in eigener Sache die gleiche Vergütung verlangen wie ein bevollmächtigter Anwalt (Hamm AGS 02, 124 = OLGR 02, 246). Auch für einen Rechtslehrer aD sind analog Abs 2 S 3 die Kosten bis zur Höhe der sonst anfallenden Rechtsanwaltsvergütung festzusetzen (AG Starnberg RVGreport 08, 320; AG Tempelhof-Kreuzberg AGS 10, 516). Für den Patentanwalt gilt die Vorschrift dagegen nicht. Er kann in eigener Sache keine Kostenerstattung geltend machen (BayVerfGH NJW 93, 2794 [VerfGH Bayern 19.03.1993 - Vf. 6-VI-91]; München AnwBl 93, 289 [OLG Düsseldorf 07.05.1992 - 10 W 129/91]). Einem Inkassounternehmen, das abgetretene Forderungen in eigenem Namen geltend macht, kann auch dann nicht die Erstattung fiktiver Anwaltskosten nach Abs 2 S 3 verlangen, wenn ihm die Erlaubnis zur Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten erteilt worden ist (Hambg JurBüro 98, 545 = MDR 98, 1374).

Die Vorschrift des Abs 2 S 3 gilt grds in allen Verfahren in denen sich die Kostenerstattung nach § 91 richtet. Keine Anwendung findet sie, daher in den Verfahren, in denen eine Kostenerstattung ausgeschlossen ist, wie etwa im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren (§§ 118 I 4, 127 IV) oder im Verfahren über eine Streitwertbeschwerde (§ 68 III 2 GKG). Sie gilt auch nicht in einem berufsrechtlichen Verfahren (BGH JurBüro 03, 207); ebenso wenig in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (hier: Spruchstellenverfahren, BayOblG Rpfleger 06, 571 = NJW-RR 07, 773 [BayObLG 17.05.2006 - 3 Z BR 71/00]; München MDR 07, 746 = AG 07, 411).

Hinsichtlich des Umfangs der zu erstattenden Kosten gelten die gleichen Grundsätze wie bei tatsächlicher Fremdvertretung. Zu beachten sind allerdings einige Besonderheiten.

Fristwahrende Berufung.

 

Rn 72

Ein Anwalt, der sich selbst vertritt, erhält keine Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren erstattet, wenn die Berufung des Prozessgegners nur fristwahrend eingelegt und innerhalb der Begründungsfrist zurückgenommen worden ist (BGH AGS 08, 155 = NJW 08, 1087 = JurBüro 08, 205; aA Ddorf AGS 09, 461 = MDR 10, 115 = NJW-Spezial 09, 651 [BGH 06.12.2007 - IX ZB 223/06]). Bei einer nicht rechtskundigen Partei sind die Kosten eines beauftragten Anwalts in diesem Fall nur deshalb erstattungsfähig, weil sie in einer als risikobehaftet empfundenen Situation eine anwaltliche Vertretung für erforderlich halten darf. Ein Anwalt, der sich selbst vertritt, empfindet die Situation nicht in gleicher Weise als risikobehaftet und bedarf keines Rates. Dafür, Information und Beratung zu fingieren, besteht keinerlei Anlass.

Mehrere Anwälte.

 

Rn 73

Vertreten sich mehrere Anwälte in eigener Sache selbst, so kann grds nicht jeder von ihnen die Erstattung derjenigen Kosten verlangen, die entstanden wären, wenn er einen eigenen Anwalt beauftragt hätte. Vielmehr sind grds insgesamt nur die Kosten eines gemeinsamen Anwalts erstattungsfähig (BGH NJW 07, 2257 = AGS 07, 541 = JurBüro 07, 490; Ddorf JurBüro 07, 263 = MDR 07, 747 [BGH 02.05.2007 - XII ZB 156/06]). Nur dann, wenn hinsichtlich ihrer Rechtsverteidigung Interessenkonflikte zwischen ihnen bestanden oder zu erwarten waren, kann die jeweilige Eigenvertretung mehrerer Anwälte erstattungsfähig sein. Dies kann etwa der Fall sein, wenn sich eine Klage gegen mehrere Anwälte einer zwischenzeitlich aufgelösten Sozietät richtet.

Reisekosten.

 

Rn 74

Nimmt der Anwalt einen auswärtigen Termin war, so sind seine Reisekosten erstattungsfähig. Ein Rechtsanwalt ist nicht gehalten, darauf zu verzichten, sich vor einem auswärtigen Prozessgericht selbst zu vertreten, und stattdessen einen dort zugelassenen Rechtsanwalt mit seiner Prozessvertretung zu beauftragen (BGH AGS 03, 276 = JurBüro 03, 426; München AGS 12, 310 = NJW-RR 12, 889 = MDR 12, 939 = JurBüro 12, 429 = R...

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