Rn 30

Leitprinzip für die Kostenentscheidung ist das Veranlassungsprinzip, dh die Kosten sind dem aufzuerlegen, der sie bei Fortführung des Rechtsstreits zu tragen hätte (MüKoZPO/Schulz Rz 1). Dabei sind die allgemeinen Regeln des Kostenrechts (§§ 91 ff) entspr anzuwenden. Nach §§ 91, 92 hat grds derjenige die Kosten zu tragen, der voraussichtlich unterlegen wäre. Das Gericht prüft aus der Sicht ex-ante, wie der Rechtsstreit bei Fortführung ausgegangen wäre (im Urkundsprozess kommt es auf den mutmaßlichen Ausgang des Nachverfahrens an – MüKoZPO/Schulz Rz 132 mwN). Dabei nimmt es lediglich eine summarische Prüfung vor, bei der schwierige rechtliche und tatsächliche Fragen nicht abschließend geklärt werden müssen (BGH NJW 54, 1038; NJW-RR 09, 422; ZIP 10, 344; GuT 12, 394; WuW 17, 203; GmbHR 17, 519; BVerfG NJW 93, 1060; aA Wieczorek/Schütze/Schmid/Hartmann Rz 12 bei hohen Streitwerten). Dieser hypothetische Ausgang des Rechtsstreits ist der Kostenentscheidung zugrunde zu legen. Das Gericht entscheidet auf der Grundlage der vor Eintritt des erledigenden Ereignisses geltenden Rechtslage (BGH GRUR 04, 350 [BGH 11.12.2003 - I ZR 68/01]). Auf neue rechtliche Gesichtspunkte muss hingewiesen und ggf rechtliches Gehör gewährt werden. Nahe liegende hypothetische Entwicklungen sind zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 04, 377; MDR 10, 888). Es ist davon auszugehen, dass vom Gericht nach § 139 angeregte sachdienliche Anträge gestellt worden wären (Zö/Althammer Rz 26 aE). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Erfolgsprognose ist die Rechtshängigkeit. Bei Erledigung zwischen An- und Rechtshängigkeit ist auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage abzustellen (Brandbg 20.12.07 – 5 U 226/01; Zö/Althammer Rz 16 aE; Prechtel ZAP 07 Fach 13, 1391, 1398; aA Hamm FamRZ 98, 444).

 

Rn 31

Soweit die Entscheidung auf der Basis eines beschränkt aufgeklärten Sachverhalts ergeht, trifft das Gericht seine Prognose nach überwiegender Wahrscheinlichkeit. Bleibt das Ergebnis gänzlich offen, etwa weil noch weitere Sachaufklärung oder eine Beweisaufnahme durchzuführen wäre, sind die Kosten entspr zu teilen oder gegeneinander aufzuheben (Kobl NJW-RR 99, 943; Celle NJW-RR 86, 1061; Saarbr NJW-RR 16, 764 [OLG Saarbrücken 30.12.2015 - 1 W 42/15]; s.a. Rn 33 aE zur Möglichkeit einer Erledigungsfeststellungserklärung des Kl). Eine Entscheidung nach Beweislastregeln verbietet sich, wenn eine an sich gebotene Beweisaufnahme aufgrund übereinstimmender Erledigungserklärungen unterbleibt, da dies einer – unzulässigen – vorweggenommenen Beweiswürdigung gleichkäme (eine antizipierte Beweiswürdigung für zulässig hält Dresd NJOZ 17, 1448). Bietet die beweisbelastete Seite hingegen gar keinen Beweis an, kann durchaus darauf abgestellt werden, da eine vorweggenommene Beweiswürdigung insoweit nicht droht. Eine im Strafverfahren durchgeführte Beweisaufnahme kann ggf verwertet werden (Saarbr ZfSch 16, 26).

 

Rn 32

Soweit sich aus Sondervorschriften des Kostenrechts eine andere Kostenverteilung ergibt, ist dies zu beachten. Entsprechende Anwendung finden zB § 344 (Stuttg Justiz 84, 19; aA LG Frankfurt/M JurBüro 89, 1458), § 281 III 2 (vgl Rn 28), § 93b (Köln WuM 97, 336; LG Frankenthal ZMR 91, 303; LG Lübeck WuM 20, 171), § 183 FamFG (Brandbg FamRZ 01, 503 zu § 93c aF), § 101 (Stuttg MDR 99, 116); § 97 II (Frankf WRP 84, 692; Hamm MDR 00, 296 [OLG Hamm 06.12.1999 - 22 U 81/99]) und § 98 (vgl Rn 82). Für Scheidungs- und Scheidungsfolgesachen enthalten §§ 132, 150 FamFG die allgemeinen Kostenvorschriften verdrängende Sonderregelungen (Caspary FPR 09, 303). Wird ein Scheidungsverfahren durch Tod eines Ehegatten beendet, ist § 150 FamFG spezieller (BGH FamRZ 83, 683; NJW-RR 86, 369; Köln FamRZ 10, 1105; aA Nürnbg JurBüro 97, 262; Bambg NJW-RR 95, 1289, jeweils zu § 93a aF). In Unterhaltssachen ist die Sondervorschrift des § 243 FamFG zu beachten (vgl Brandbg NJW-RR 03, 795, Naumbg OLGR 04, 281, jeweils zu § 93d aF; Rn 81). Anzuwenden ist insb auch der Rechtsgedanke aus § 93 (BGH NJW-RR 06, 773; Stuttg JurBüro 11, 542). Erfüllt der Bekl die Klageforderung sogleich nach Klageerhebung bzw Fälligkeit, sind die Kosten daher dem Kl aufzuerlegen, wenn der Bekl keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat (KG WRP 03, 101 [KG Berlin 01.11.2002 - 5 W 139/02]; Hamm MDR 99, 956). Maßgeblich ist insoweit das vorprozessuale Verhalten (Ddorf NJW-RR 20, 252 [OLG Bremen 02.10.2019 - 1 W 23/19]). Aus einem Verzug des Schuldners ergibt sich dabei im Regelfall ein Klageanlass (Köln ErbR 19, 471). Hier kann zw den Kosten des Hauptsacheverfahrens und des selbstständigen Beweisverfahrens zu unterscheiden sein (Ddorf BauR 14, 309). Die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 93 trifft den Bekl (Frankf NJW-RR 09, 1437 [OLG Schleswig 23.03.2009 - 16 W 20/09]). Umgekehrt sind die Kosten in ›reziproker‹ Anwendung des Grundgedankens aus § 93 dem Beklagten aufzuerlegen, wenn dieser durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Anlass gegeben hat (Karlsr NJW-RR 98, 1454; FamRZ 04, 960; Frankf NJW-RR 89, 571;...

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