Rn 23
Auf den Zeitpunkt der materiell-rechtlichen Erledigung kommt es bei übereinstimmend abgegebenen Erledigungserklärungen nicht an, weil das Gericht nicht prüft, ob tatsächlich ein erledigendes Ereignis vorliegt (vgl Rn 25). Der Rechtstreit kann daher auch dann übereinstimmend für erledigt erklärt werden, wenn das erledigende Ereignis zwischen Einreichung (Anhängigkeit) und Zustellung (Rechtshängigkeit – §§ 253 I, 261 I) der Klage (BGHZ 21, 298 = NJW 56, 301; BGHZ 83, 12 = NJW 82, 1598; Köln NJW-RR 00, 1456; Celle NJW-RR 94, 1276) oder sogar noch vor Einreichung der Klageschrift (Karlsr FamRZ 04, 960; Hamm MDR 01, 470) eingetreten ist. Der Zeitpunkt der Erledigung kann aber für den Inhalt der Kostenentscheidung (›bisheriger Sach- und Streitstand‹) von Bedeutung sein.
Rn 24
Hiervon ist der Zeitpunkt der Abgabe der Erledigungserklärungen zu trennen. Die Wirksamkeit der Erledigungserklärungen setzt Rechtshängigkeit voraus (Brandbg NJW-RR 01, 1436 [OLG Brandenburg 02.08.2000 - 9 WF 90/00]; München OLGR 97, 202). Da die Erledigungserklärung Prozesshandlung ist, kann sie nur iRd Prozessrechtsverhältnisses erklärt werden. Anhängigkeit reicht nicht, da durch die Einreichung der Klageschrift noch kein Prozessrechtsverhältnis entsteht, welches erledigt sein kann (aA MüKoZPO/Schulz Rz 26; Bergerfurth, NJW 92, 1655, 1656: ausreichend ist, wenn der Bekl auf andere Weise als durch Zustellung von der Einreichung der Klage erfahren hat und nach Anhängigkeit übereinstimmende Erledigungserklärungen abgegeben werden. Zum gleichen Ergebnis kommen die Vertreter der Auffassung, dass in der Zustimmungserklärung des Beklagten ein heilender Verzicht auf die förmliche Klagezustellung zu sehen sei, so Köln NJW-RR 00, 1456; München NJW-RR 17, 1152 [OLG München 07.07.2017 - 13 W 941/17]; Zö/Althammer Rz 17; St/J/Muthorst Rz 14). Eine bereits vor Klagezustellung abgegebene Erklärung wird erst mit Rechtshängigkeit wirksam. In dem – seltenen – Fall, dass es nach Abgabe der übereinstimmenden Erledigungserklärungen nicht mehr zur Klagezustellung kommt, muss der Kl einen etwaigen materiellen Kostenerstattungsanspruch nicht in einem neuen Rechtsstreit geltend machen. Nach § 269 III 3 kann er stattdessen auch die Klage zurücknehmen und eine Kostenentscheidung nach Billigkeitsgesichtspunkten herbeiführen. Die Vorschrift findet auch dann Anwendung, wenn es nicht mehr zur Zustellung der Klage kommt. Nach Wegfall der Rechtshängigkeit scheidet auch eine Erledigungserklärung aus. Während das Verfahren ruht, können Erledigungserklärungen abgegeben werden, da die Rechtshängigkeit hierdurch nicht beseitigt wird. Nach einer Klageänderung kann wegen des früher geltend gemachten Anspruchs nicht mehr für erledigt erklärt werden, da dessen Rechtshängigkeit weggefallen ist (BGH NJW 92, 2236 [BGH 27.02.1992 - I ZR 35/90]). Die übereinstimmenden Erledigungserklärungen können auch noch nach Schluss der mündlichen Verhandlung und sogar nach Erlass der die Instanz abschließenden Entscheidung bis zum Ablauf der Rechtsmittelfristen abgegeben werden (iE Rn 65). Nach Eintritt der Rechtskraft (§ 705) scheidet eine Erledigungserklärung dagegen aus. Zur Erledigung in der Rechtsmittelinstanz vgl Rn 66 ff.