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Darüber hinaus darf der Beklagte für die Klageerhebung keine Veranlassung gegeben haben. Eine solche Veranlassung ist idR dann gegeben, wenn der Beklagte außergerichtlich zu erkennen gegeben hat, dass er ohne gerichtliche Hilfe nicht bereit sein wird, die Klageforderung zu erfüllen. Insbesondere, wenn der Beklagte auf eine Mahnung nicht reagiert hat oder wenn er eine kalendermäßige Fälligkeit hat verstreichen lassen, ist von einer Klageveranlassung auszugehen; ebenso aber auch, wenn er vorgerichtlich den Anspruch bestritten hat. Bei einer negativen Feststellungsklage ist Veranlassung gegeben, wenn sich der Beklagte bestimmter Rechtspositionen berühmt und davon nicht Abstand genommen hat.
In Verkehrsunfallprozessen muss dem Haftpflichtversicherer für die Prüfung der Ansprüche des Geschädigten eine angemessene Frist eingeräumt werden, die mit dem Zugang des spezifizierten Anspruchsschreibens beginnt und entsprechend der Fallgestaltung vier bis sechs Wochen beträgt (Köln NJW-RR 12, 861; Celle JurBüro 19, 499).
In Verfahren auf Zustimmung zur Mieterhöhung (§ 558a BGB) scheidet idR ein kostenbefreiendes Anerkenntnis aus, wenn der Vermieter nach fruchtlosem Ablauf der Überlegungsfrist Klage auf Zustimmung erhebt, da der Mieter durch seine vorgerichtliche Untätigkeit Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat (LG Berlin WuM 20, 46 = GE 20, 121 = ZMR 20, 191). Ausnahmsweise ist ein kostenbefreiendes Anerkenntnis dagegen möglich, wenn der Vermieter den Mietern vorab nicht die Berechnungsdaten offengelegt und verständlich begründet hatte, sondern dies erst im Rechtsstreit (§ 558b BGB) nachholt (AG Brandenburg, Urt. v. 21.11.12 – 31 C 11/12).
Legt der Beklagte gegen einen Mahnbescheid uneingeschränkt Widerspruch ein, so gibt er damit Veranlassung für das streitige Verfahren. Er kann sich dann auf § 93 nicht mehr berufen. Anders dagegen, wenn er den Widerspruch auf die Kosten beschränkt. Dann kann er im nachfolgenden streitigen Verfahren geltend machen, zur Einleitung des Mahnverfahrens keine Veranlassung gegeben zu haben.
Bei einer Vollstreckungsabwehrklage besteht Klageveranlassung, wenn der Gläubiger die Zwangsvollstreckung androht oder eine zweite vollstreckbare Ausfertigung beantragt. Sie ist ferner dann gegeben, wenn der Prozessbevollmächtigte eines Schuldners erfolglos bittet, die eingeleitete Zwangsvollstreckung bis zur Klärung ihrer Zulässigkeit auszusetzen (Saarbr OLGR 09, 970).
In Wettbewerbssachen gibt der Beklagte Anlass, wenn er auf eine vorherige Abmahnung nicht reagiert und die geforderte Unterlassungserklärung nicht abgibt.
Bei Unterhaltszahlungen gibt ein Schuldner, der nur Teilleistungen auf die geschuldeten Unterhaltsbeträge erbringt, auch dann Veranlassung für eine Klage auf den vollen Unterhalt, wenn er zuvor nicht zur Titulierung des freiwillig gezahlten Teils aufgefordert worden ist (BGH NJW 10, 238 [BGH 02.12.2009 - XII ZB 207/08]).
Ein vorprozessuales Bestreiten oder eine Erfüllungsverweigerung ist dann allerdings unbeachtlich, wenn dies zum damaligen Zeitpunkt berechtigt war, wenn also die Voraussetzungen für den Anspruch, zB Fälligkeit, Klagbarkeit oä erst im Verlaufe des Verfahrens eingetreten sind. Das vorprozessuale Verhalten des Beklagten muss also unberechtigt gewesen sein, um eine Veranlassung zur Klageerhebung zu begründen.
Veranlassung ist allerdings gegeben, wenn der Kläger vorprozessual seinen Anspruch nicht ausreichend darlegt, der Beklagte sich allerdings darauf nicht beruft, sondern erklärt, man möge ihn nicht belästigen (NJW-RR 12, 763 = MDR 12, 1311 [OLG Stuttgart 02.05.2012 - 13 W 16/12]). Das Verhalten des Beklagten ist insoweit treuwidrig, wenn er zu erkennen gibt, ohnehin nicht erfüllen zu wollen.
So hat ein Bekl keine Veranlassung gegeben, wenn er nicht die Forderung als solche verweigert hat, sondern sich berechtigterweise nur auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen hat (BGH NJW-RR 05, 1005 = AGS 06, 88 = JurBüro 05, 558).
Strittig ist, ob zu einem sofortigen Anerkenntnis auch die sofortige Zahlung hinzu kommen muss. Das Problem ist sogar weitreichender. Es gilt nicht nur für Zahlungsansprüche, sondern für sämtliche Leistungsansprüche. Die Frage ist also, ob derjenige Beklagte in den Genuss des § 93 kommen kann, der zwar sofort anerkennt, dann aber dennoch nicht erfüllt. Das Problem wird häufig bei der Frage des ›sofortigen‹ Anerkenntnisses angesiedelt. Zutreffender Weise ist es aber eine Frage der Klageveranlassung. Zum sofortigen Anerkenntnis gehört sicherlich nicht, dass sofort geleistet wird. Die Frage muss lauten, ob derjenige, der nach einem Anerkenntnis doch nicht erfüllt, sich darauf berufen kann, keine Veranlassung gegeben zu haben. Wenn es sich bei dem Anerkenntnis also nur um ein ›Lippenbekenntnis‹ handelt, muss dem Beklagten der Einwand abgeschnitten sein, sich darauf berufen zu können, keine Veranlassung gegeben zu haben. Tatsächlich hat er zwar möglicherweise keine Veranlassung gegeben. Er hätte sie aber gegeben, wenn er aufgefordert worden wäre. Ein Bekl, der nac...