Rn 10
Der Gläubiger kann die Dringlichkeitsvermutung durch sein eigenes Verhalten entkräften (Selbstwiderlegung, KG NJW-RR 01, 1201, 1202 [KG Berlin 09.02.2001 - 5 U 9667/00]). Dies ist va dann der Fall, wenn der Gläubiger die Antragstellung trotz Kenntnis von der Zuwiderhandlung und der Person des Schuldners unangemessen hinauszögert oder das Eilverfahren zögerlich betreibt (BGH GRUR 17, 1017 [BGH 11.07.2017 - X ZB 2/17] Rz 85). Grob fahrlässige Unkenntnis steht positiver Kenntnis gleich (Köhler/Bornkamm/Köhler § 12 Rz 3.15; Teplitzky FS Loschelder, 2010, 391, 393f). Welcher Zeitraum bis zur Antragstellung angemessen ist, wird in der Rspr der Oberlandesgerichte ganz unterschiedlich beurteilt. Sie schwankt zwischen einem und sechs Monaten (Einzelnachweise bei Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Retzer § 12 Rz 943 ff). Bei einem Zuwarten von ein bis allenfalls zwei Monaten mit der Antragstellung ist die Dringlichkeit im Allgemeinen noch zu bejahen (Karlsr WRP 07, 822, 823; Hamm MMR 09, 628 [OLG Hamm 14.07.2009 - 4 U 86/09]; Köln GRUR-RR 10, 493; Kobl WRP 11, 506 jeweils ein Monat; ebenso Teplitzky FS Bornkamm, 2014, 1073, 1080). Maßgeblich sind aber die Umstände des jeweiligen Einzelfalles. Bei aufwändigen Ermittlungen oder sich hinziehenden Vergleichverhandlungen kann auch eine längere Zeitspanne noch angemessen sein (Karlsr WRP 07, 822, 823 [OLG Karlsruhe 25.04.2007 - 6 U 43/07]; Kobl WRP 11, 506 [OLG Koblenz 23.02.2011 - 9 W 698/10]). Die Dringlichkeit kann auch durch zögerliches Verhalten des Gläubigers während des Verfügungsverfahrens entfallen. Rechtsmittelfristen können ausgeschöpft werden (Bremen NJW-RR 15, 1390 [OLG Bremen 10.04.2015 - 2 U 132/14]). Bei Fristverlängerungen muss eine zügige Verfahrensförderung erkennbar sein; im Einzelfall kann aber auch schon ein Fristverlängerungsgesuch geeignet sein, die Dringlichkeitsvermutung entfallen zu lassen (Karlsr WRP 05, 1188, 189 [OLG Karlsruhe 09.06.2005 - 4 U 164/04]; KG MDR 09, 888 bzgl einer einmonatigen Berufungsbegründungsfristverlängerung, die fast vollständig ausgeschöpft wurde; Celle BauR 16, 312; Hambg MDR 17, 1444). Die Dringlichkeitsvermutung ist ferner widerlegt, wenn der Antragsteller nach Erlass der Beschlussverfügung und deren Vollziehung in Kenntnis der Fortsetzung des untersagten Verhaltens keinen Vollstreckungsantrag stellt, um das sich aus § 945 ergebende Kostenrisiko zu vermeiden (Frankf ZLR 10, 458). Wer nach erstinstanzlich erfolgreichem Eilverfahren zu Beginn des Berufungsrechtszugs ohne besonderen Grund erklärt, dass er bis zum Verfahrensabschluss aus der einstweiligen Verfügung nicht vollstrecken werde, widerlegt ebenfalls die Dringlichkeitsvermutung (KG Magazindienst 10, 951).