Gesetzestext
(1) Das Gericht bestimmt nach freiem Ermessen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes erforderlich sind.
(2) Die einstweilige Verfügung kann auch in einer Sequestration sowie darin bestehen, dass dem Gegner eine Handlung geboten oder verboten, insbesondere die Veräußerung, Belastung oder Verpfändung eines Grundstücks oder eines eingetragenen Schiffes oder Schiffsbauwerks untersagt wird.
A. Normzweck.
Rn 1
Im Unterschied zum Arrestverfahren, das nur zwei Sicherungsmittel (§§ 917, 918) zur Verfügung stellt, ist im einstweiligen Verfügungsverfahren angesichts der Vielfalt der durch eine Verfügung abzuwehrenden Gefahrenquellen für das Gericht ein eigenständiger Gestaltungsrahmen geboten. § 938 I räumt daher dem Gericht die Möglichkeit ein, nach freiem Ermessen zu bestimmen, welche Anordnungen zur Erreichung des Zweckes der einstweiligen Verfügung erforderlich sind. Damit sind Erleichterungen für die Formulierung eines ›bestimmten Antrags‹ (§ 253 II Nr 2) im Antragsgesuch sowie Abweichungen vom Grundsatz der strengen Antragsbindung gem § 308 I verbunden (Musielak/Voit/Huber Rz 1).
B. Anwendungsbereich.
Rn 2
Die Bestimmung bezieht sich sowohl auf die Sicherungs- (§ 935), die Regelungs- (§ 940) als auch auf die von der Rspr entwickelte Leistungsverfügung (Musielak/Voit/Huber Rz 2 § 940). Die Leistungsverfügung wird mitunter auch als Befriedigungsverfügung bezeichnet. Der Differenzierung in die genannten Unterarten der einstweiligen Verfügung kommt aber in der Praxis keine nennenswerte Bedeutung zu (vgl MüKoZPO/Drescher Rz 8). Sie lässt sich auch nicht strikt einhalten und dient lediglich dem Versuch einer systematischen Einordnung
C. Inhalt der einstweiligen Verfügung.
I. Allgemeine Grundsätze.
Rn 3
Der Antragsteller muss nur sein Rechtschutzziel angeben; es ist nicht erforderlich, aber empfehlenswert, eine konkrete Maßnahme zu beantragen (Stuttg GRUR-RR 14, 454; Musielak/Voit/Huber Rz 3; Schuschke/Walker/Schuschke Rz 3). Ausnahmen gelten für die Leistungsverfügung. Hier muss der Antragsteller die Leistung, die er anstrebt, genau bezeichnen. Der zu zahlende Betrag (bspw bei Notunterhalt) ist zu beziffern (Schuschke/Walker/Schuschke Rz 4); bei einer Unterlassungsverfügung muss die zu unterlassende Handlung konkret bezeichnet werden (Stuttg GRUR-RR 14, 454; Teplitzky/Feddersen Kap 54 Rz 38). Die einstweilige Verfügung darf grds die Entscheidung in der Hauptsache nicht vorwegnehmen (BGHZ 171, 261 Rz 23 = NJW 07, 2485; BGH NJW 18, 1317 Rz 34). Die angeordnete Maßnahme muss daher ein minus und zugleich ein aliud zum Hauptsacheanspruch sein (Dresd NJW 01, 1433, 1434 [OLG Dresden 16.11.2000 - 14 W 1754/00]; Musielak/Voit/Huber Rz 4; Zö/Vollkommer Rz 3). Dieser Grundsatz gilt für Sicherungs- und Regelungsverfügungen ausnahmslos. Daher ist es unzulässig, den Ausschluss eines Gesellschafters im Wege der einstweiligen Verfügung auszusprechen; die vorläufige Entziehung der Vertretungsbefugnis kommt dagegen als Regelungsverfügung in Betracht (§ 940 Rn 16). Für die Leistungsverfügung sind dagegen Ausnahmen anerkannt; typisches Bsp ist die auf Zahlung eines Geldbetrages gerichtete Leistungsverfügung. Erforderlich ist, dass der Gläubiger auf die Erfüllung dringend angewiesen ist und deshalb nicht auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann (BGH NJW 18, 1317 [BGH 11.10.2017 - I ZB 96/16] Rz 35).
II. Ordnungsmittelandrohung.
Rn 4
Der Antrag auf Androhung von Ordnungsmitteln (§ 890 II) gehört nicht zwingend zum Inhalt des Antrags auf Erlass einer Unterlassungsverfügung. Er sollte aber immer mit diesem zugleich gestellt werden, weil in der Zustellung der einstweiligen Verfügung ohne Ordnungsmittelandrohung noch keine Vollziehung der Eilmaßnahme iSd § 928 liegt (BGHZ 131, 141, 144 f = NJW 96, 198 – einstweilige Verfügung ohne Strafandrohung; Köln GRUR-RR 01, 71; Teplitzky/Feddersen Kap Rz 54 Rz 41). Die in einer auf Unterlassung gerichteten Urteilsverfügung enthaltene Strafandrohung gilt als erster Schritt der Vollziehung iSd § 945 (BGHZ 180, 72 Rz 16 = WM 09, 1622, vgl § 945 Rn 8).
D. Beispiele für einzelne Maßnahmen.
Rn 5
Die Aufzählung in § 938 II ist nicht abschließend (›auch‹), sondern nennt nur eine Reihe praxisrelevanter Maßnahmen.
I. Sequestration.
Rn 6
Hierunter ist die Sicherstellung, Verwahrung und Verwaltung einer Sache (BGHZ 146, 17, 20 = NJW 01, 434; 172, 98 Rz 11 = NJW-RR 08, 487; Kobl MDR 81, 855; München MDR 84, 62), einer Forderung oder Vermögensmasse zu verstehen. Auch ein Handelsgeschäft oder ein gewerbliches Unternehmen kann der Sequestration unterliegen (LG Göttingen MDR 58, 246 [OLG München 01.08.1957 - 7 W 1240/57]; MüKoZPO/Drescher Rz 30; Zö/Vollkommer Rz 3). Sie ist keine Maßnahme der Zwangsvollstreckung, sondern beruht auf einem privatrechtlichen Sequestrationsvertrag (BGHZ 146, 17, 20 = NJW 01, 434). Das Gericht des einstweiligen Rechtsschutzes bestimmt die Person des Sequesters und seinen Aufgabenbereich. Zweckmäßigerweise erfolgt die Bestellung des Sequesters durch gesonderten Beschluss, der der sofortigen Beschwerde unterliegt (Karlsr Justiz 89, 190; Zö/Vollkommer Rz 9). Die Tätigkeit des Gerichtsvollziehers als Sequester ist keine ihm kraft seines Gerichtsvollzieheramtes zugewies...