Gesetzestext
(1) Für den Erlass des Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung nach der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Einführung eines Verfahrens für einen Europäischen Beschluss zur vorläufigen Kontenpfändung im Hinblick auf die Erleichterung der grenzüberschreitenden Eintreibung von Forderungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 189 vom 27.6.2014, S. 59) ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Die §§ 943 und 944 gelten entsprechend.
(2) Hat der Gläubiger bereits eine öffentliche Urkunde (Artikel 4 Nummer 10 der Verordnung [EU] Nr. 655/2014) erwirkt, in der der Schuldner verpflichtet wird, die Forderung zu erfüllen, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Urkunde errichtet worden ist.
I. Normzweck und Regelungszusammenhang der §§ 946 ff.
Rn 1
Die §§ 946 ff, die bis zum 31.8.09 zum 9. Buch gehörten und Teile des Aufgebotsverfahrens regelten und hiernach zunächst weggefallen blieben, sind durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 655/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung (EuKoPfVODG) vom 21.11.16 (BGBl. I S 2591 ff) mit Wirkung vom 18.1.17 dem 8. Buch über die Zwangsvollstreckung zugeschlagen und neu besetzt worden. Es handelt sich um ergänzende Durchführungsvorschriften zu der in der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar geltenden Verordnung (EU) Nr. 655/2014 (ABl. L 189 vom 27.6.14 S 59 ff).
Rn 2
Die seit dem 18.1.17 in allen Mitgliedstaaten (ohne das Vereinigte Königreich und Dänemark) geltende Verordnung (EU) Nr. 655/2014 (EuKoPfVO) soll in grenzüberschreitenden Fällen die vorläufige Pfändung von Geldern auf Bankkonten ermöglichen und so die Effizienz der Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in der Europäischen Union verbessern (vgl Erwägungsgrund 5). Hierzu regelt die VO im Wesentlichen das Verfahren zur Erwirkung eines Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung (Kapitel 2, Art 5 ff), die Anerkennung, Vollstreckbarkeit und Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung (Kapitel 3, Art 22 ff) sowie Rechtsbehelfe für Schuldner und Gläubiger (Kapitel 4, Art 33 ff).
Rn 3
Zwar gibt es in allen Mitgliedstaaten nationale Verfahren zur Erwirkung von Sicherungsmaßnahmen. Unterschiede hinsichtlich der Bedingungen für ihren Erlass und der Effizienz ihrer Ausführung sowie der Aufwand für den Gläubiger bei der Inanspruchnahme der nationalen Verfahren haben den VO-Geber gleichwohl dazu veranlasst, ein einheitliches Unionsverfahren einzuführen (vgl Erwägungsgrund 5). Eine Beteiligung des Schuldners sieht die VO erst nach der Vollstreckung des Beschlusses zur vorläufigen Pfändung vor (vgl Erwägungsgrund 15). Damit steht dem Gläubiger erstmals ein Rechtsinstrument zur Verfügung, dass die Vollstreckung einer Sicherungsmaßnahme in einem anderen Mitgliedstaat ohne vorherige Information des von der Maßnahme Betroffenen ermöglicht. Die EuGVVO erfasst nämlich nicht einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen, die angeordnet wurden, ohne dass der Beklagte vorgeladen wurde, es sei denn, die Entscheidung, welche die Maßnahme enthält, wird ihm vor der Vollstreckung zugestellt (Art 2a) UnterAbs 2 EuGVVO). Als weitere Besonderheit bietet die EuKoPfVO für den Gläubiger die Möglichkeit, das Gericht zu veranlassen, die für die Ermittlung des Kontos des Schuldners erforderlichen Informationen bei der Auskunftsbehörde des Mitgliedstaats einzuholen, in dem der Schuldner der Ansicht des Gläubigers nach ein Konto unterhält (Art 14 EuKoPfVO). Eine vergleichbare Möglichkeit hat der Gläubiger nach nationalem Recht erst im Vollstreckungsverfahren, wenn der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nicht nachgekommen oder bei einer Vollstreckung in die dort aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten ist (§ 802l I S 1 Nr 2).
Rn 4
Die VO (EU) Nr. 655/2014 tritt neben die nationalen Verfahren zur Erwirkung von Sicherungsmaßnahmen. Das mit der VO eingeführte Verfahren soll dem Gläubiger als weitere fakultative Möglichkeit dienen. Es soll ihm freistehen, von einem anderen Verfahren zur Erwirkung einer gleichwertigen Maßnahme nach nationalem Recht Gebrauch zu machen (vgl Erwägungsgrund 6). Zur Anwendung der VO braucht es eine grenzüberschreitende Rechtssache (Art 2 I EuKoPfVO), die vorliegt, wenn das vorläufig zu pfändende Bankkonto in einem anderen Mitgliedstaat geführt wird als dem Mitgliedstaat des Gerichts, bei dem der Antrag gestellt worden ist oder dem Mitgliedstaat, in dem der Gläubiger seinen Wohnsitz hat (Art 3 EuKoPfVO). Wie die EuGVVO, gilt die EuKoPfVO im Grundsatz für Geldforderungen in Zivil- und Handelssachen (Art 2 I EuKoPfVO). Ausnahmeregelungen enthalten Art 2 II EuKoPfVO für bestimmte Forderungen sowie Art 2 III und IV EuKoPfVO für bestimmte Bankkonten.
II. Normzweck und Regelungszusammenhang des § 946.
Rn 5
§ 946 ergänzt Art 6 EuKoPfVO, der die internationale Zuständigkeit regelt. Hat der Gläubiger noch keine gerichtliche Entsche...